Werbung

NeptuTherm und der Dämmstoff aus dem Meer

Cleantech-Startup der Woche 4-2013 ist NeptuTherm

1

Was haben die Sendung mit der Maus und IKEA gemeinsam? Beide finden unser CleanTech-StartUp der Woche bzw. dessen Produkt derart interessant, dass Sie entweder darüber berichten, oder es mit einem Preis auszeichneten. Und hierbei geht es nicht um Einrichtungsgegenstände, sondern um einen (schnöden) Baustoff namens Neptutherm.

Cleantech News / 28.1.2013. „Bauen“ ist die Branche, in der sich das Cleantech-Startup der Woche bewegt  – und das nachhaltig! Das leistungsfähige Dämmstoffe mit niedriger Wärmeleitfähigkeit eine zentrale Rolle für die Gebäude der Zukunft spielen, hat nicht zuletzt die Weltleitmesse BAU 2013 bewiesen. Was weniger im Bewusstsein von Bauherren verankert ist: Dämmmaterialien werden häufig unter hohem Verbrauch von Primärenergie hergestellt, müssen chemisch behandelt werden, um beispielsweise schimmelresistent zu werden und können im Laufe der Zeit chemische Gase an die Umwelt abgeben.

Das Cleantech-Startup der Woche verspricht einen 100 Prozent natürlichen, ökologischen, nachwachsenden und somit nachhaltigen Dämmstoff anzubieten, der keinerlei chemische Behandlung benötigt, um schimmelresistent sowie nicht entflammbar zu sein und zudem keine Probleme bei der Entsorgung bereitet.

Überraschende Eigenschaften? Der Meinung ist nicht nur die CleanThinking.de-Redaktion. Die IKEA-Stiftung Deutschland erkannte das Potenzial der damals noch in den Kinderschuhen steckenden Idee bereits 2007 und zeichnete den Dämmstoff mit dem Innovationspreis „Wohnen in der Zukunft“ aus. Seither hat sich die Idee des ökologischen Dämmstoffes weiterentwickelt und ist nun seit einem Jahr am Markt.

Wie ein Professor zum Unternehmer wird und ein Urlaub die Welt des Dämmstoffs zu revolutionieren begann, darüber berichtet der folgende Beitrag…und das Video am Ende des Artikels.

NeptuTherm: Fakten zum StartUp der Woche

NeptuTherm von Cleanthinking als Startup der Woche ausgezeichnet

Durch einen Zufall entdeckt – voller Enthusiasmus weiterentwickelt: So lässt sich die Geschichte des Unternehmens NeptuTherm und des gleichnamigen Dämmstoffes knapp beschreiben. Der Baustoff NeptuTherm ist 100 Prozent natürlichen Ursprungs. Er wird aus der Seegraspflanze Posidonia oceanica gewonnen. Diese bringt so genannte Neptunbälle hervor, die besonders am Mittelmeer in großen Mengen vorkommen und an den Strand gespült werden. Die sehr gleichmäßig und rund bis kiwi-ähnlich geformten Bälle sind gewissermaßen ein Abfallprodukt des Meeres. In der Regel werden diese mit Traktoren von den Stränden entfernt, um diese für Touristen attraktiv zu halten, und auf Deponien entsorgt. Ein deutscher Architekt sah Potenzial in den Fasern des ungeliebten Strandgutes und entwickelte gemeinsam mit Partnern NeptuTherm.

Der Karlsruher Professor Richard Meier ist mit seinem vollökologischen Dämmstoff NeptuTherm seit einem Jahr am Markt. Seitdem wird das bereits 2008 patentierte Produkt im Direktvertrieb vorwiegend unmittelbar an den Bauherren, aber auch an Planer und Verarbeiter abgegeben. Zunächst konzentrierte sich das StartUp auf den Raum Karlsruhe. „Nun streben wir eine spiralförmige Ausbreitung an“, erklärt Meier.

Im ersten Geschäftsjahr wurden etwa 800 Kubikmeter des Dämmstoffes abgesetzt. Das Unternehmensziel: Den Absatz und damit den Umsatz jeweils jährlich zu verdoppeln. Um dieses Ziel erreichen zu können, treibt das Unternehmen auch auch die Forschung voran. Doch dazu später mehr.

Der Name unseres CleanTech-Startups der Woche leitet sich von den Neptunbällen – dem Rohstoff für das ökologische Dämmmaterial – ab. Der Professor beschreibt das Unternehmen momentan noch als eine „One-Man-Show“. Ganz stimmt das nicht: Der Mitt-Sechsziger beschäftigt in der Produktionsstätte in Karlsruhe einige Teilzeitkräfte. Aber er trägt die gesamte Verantwortung, erklärt die Präsentation auf Messen und die Kundenberatung zur Chefsache. Wie er das neben seiner Arbeit im eigenen Architekturbüro schafft? „Nun, ich bin selbst und ständig“, lautet die mit einem Lächeln versehene Antwort.

Im Gespräch merkt man, dass Meier für sein Produkt brennt. Daher war der Karlsruher auch zu privaten Investitionen bereit: „Insgesamt hat es etwa eine halbe Million Euro gekostet, um das Produkt zu entwickeln. Etwa die Hälfte der Kosten konnte durch öffentliche Fördergelder gedeckt werden.“ Die Hilfe verschiedener Einrichtungen sei sehr vorteilhaft gewesen. Doch nicht nur die Begeisterung und der Enthusiasmus Meiers macht NeptuTherm für uns zum CleanTech-StartUp der Woche…

Wer sich hinter NeptuTherm verbirgt

Richard Meier - Kopf und Denker hinter dem Startup Neptutherm

Hinter dem CleanTech-StartUp der Woche verbirgt sich der bereits erwähnte Prof. Richard Meier. Der Karlsruher Architekt ist seit jeher begeisterter Wassersportler. Dieses Hobby spielt eine entscheidende Rolle in der Gründungsgeschichte von NeptuTherm: Im Interview erzählt Prof. Meier von einem Urlaub. Auf den zum Kitesurfen notwendigen Wind wartend, saß er mit einem Freund am Strand. Als dieser bemerkte, dass die am Strand herumliegenden fasrigen, gleichmässig geformten Bälle nicht entzündbar sind, kam Meier als Experte für Baustoffkunde die zündende Idee. Er packte einige der so genannten Neptunbälle ins Reisegepäck und brachte sie nach Deutschland.

Von einem Fraunhofer Institut lies er die Faser untersuchen. Dieses hatte zuvor Seegrasblätter für ihre Eignung als Dämmmaterial untersucht und festgestellt, dass diese aufgrund ihres hohen Salzgehaltes eine sehr korrosiv und damit nicht patentfähig sind. Das Ergebnis im Rahmen der Untersuchung der Neptunbälle  war bedeutend positiver. „Die Faser ist unglaublich robust, nicht korrosiv,da nicht mit Salzen belastet und das 1000 mal bessere natürlich nachwachsende Material im Vergleich zu Seegras“, versichert Prof. Meier.

Der Diplom-Ingenieur betreibt – neben seinem StartUp NeptuTherm – ein Architekturbüro in Karlsruhe, war lehrender Professor für Architektur und Denkmalpflege an der SRH Hochschule Heidelberg unter anderem für Baustoffkunde, Sanierung und Baustoffanwendung. Ein Experte also, der sich mit dem StartUp NeptuTherm in der CleanTech-Branche etablieren möchte.

Die 100 Prozent naturreine Dämmung aus dem Meer

„Die Neptunbälle sind ein Geschenk der Natur“, versichert Meier. Der Dämmstoff ist im Vergleich zu herkömmliche Produkten frei von Zusätzen. Der Stoff ist baubiologisch völlig unbedenklich. Dies bestätigt unter anderem die bauaufsichtliche Zulassung.

„Wir beziehen unser Rohmaterial aus verschiedenen Mittelmeerländern. Die Bälle werden von der Sonne getrocknet und erst dann zu uns transportiert, damit keine Nachtrocknung erforderlich wird“, erklärt Meier,“Die Bälle werden von Hand aufgenommen. Dabei schaffen wir Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung.“ Große Teile des gesammelten Materials werden in den entsprechenden Mittelmeerländern gelagert. Am Produktionsstandort Karlsruhe werden etwa 200 Kubikmeter Rohmaterial und bis zu 400 Kubikmeter Fertigware gelagert.

Momentan wird in den Küstenregionen Tunesiens und Albaniens gesammelt. In Tunesien seien besonders die großen Flachwassergebiete und lange Küsten vorteilhaft. Zudem habe er in beiden Ländern Partner, die sich vor Ort um die Sammler kümmern. „Ich bin hin und wieder vor Ort, um mir selbst ein Bild zu machen. Um eine Art Fair Trade zu garantieren sind mir jedoch verlässliche Ansprechpartner vor Ort sehr wichtig.“

NeptuTherm kann zur Wärme- und Schalldämmung von Dächern, Fassaden, Wänden, Böden und Decken zum Einsatz kommen. Sowohl bei einem Neubau, als auch bei der Renovierung von Altbauten. Die Verarbeitung gleicht dabei der von klassischen Dämmstoffen. Je nach Anwendung empfiehlt der Experte Stopfen, Einblasen, offenes Schütten oder offenes Aufblasen.

Überzeugende Ökobilanz

Zum Vergrößern Bitte auf die Abbildung klicken! Umweltbilanz des Dämmstoffs
Zum Vergrößern Bitte auf die Abbildung klicken!

Das Fraunhofer Institut für Chemische Technologie ICT hat eine Ökobilanz für NeptuTherm aufgestellt, die sich sehen lassen kann. Das Rohmaterial wird aus verschiedenen Mittelmeerländern bezogen, dort per Hand und ohne technische Geräte gesammelt und von der Sonne getrocknet. Der Transport der zwei bis zehn Zentimeter gr0ßen Bälle erfolgt auf möglichst ökologischen Weg – per Bahn, per Schiff und nur in Ausnahmefällen per LKW. Der gesamte Beschaffungs- und Herstellungsprozess von NeptuTherm benötigt bis zu 30 mal weniger Primärenergie als beispielsweise die Dämmstoffe aus Glas- oder Steinwolle, Glas-, Polystyrol- oder Polyurethanschäumen. Mit 50 Kilowattstunden pro Kubikmeter (bei der Verarbeitung durch Stopfen oder Schütten 35 Kilowattstunden pro Kubikmeter) Dämmstoff schneidet NeptuTherm trotz der weiten Beschaffungswege im Vergleich sehr gut ab (siehe Grafik).

Meier erklärt in diesem Zusammenhang: „Die so genannte graue Energie sollte bei der Auswahl des Dämmstoffes unbedingt berücksichtigt werden. Was bringt der Dämmwahn, wenn die Energie, die durch das Material eingespart werden kann, bereits bei der Herstellung des Stoffes verschwendet wurde?“

Andere Dämmstoffe wie Schäume, Holzfasern, Zellulose oder Hanf werden gegen die Brennbarkeit und zur Schimmelvermeidung aufwändig chemisch behandelt. Da die Fasern der Neptunbälle auch ohne zusätzliche Behandlung weder entflammbar sind noch schimmeln können, ist beispielsweise kein Ausdampfen chemischer Gase möglich.

Was macht die Produktion des Dämmstoffes aus? In einem einfachen mechanischen Prozess werden die Bälle in Karlsruhe von anhaftendem Sand befreit. Anschließend werden sie so zerkleinert, dass die Fasern möglichst unbeschädigt bleiben. Je nach Einsatzgebiet die entstehende Wolle noch gesiebt, um weiteren enthaltenen Sand zu extrahieren. Auch für diesen Prozess wird wenig Energie benötigt.

Zudem wird die NeptuTherm-Dämmwolle in wiederverwendbaren Polyätylensäcken zu den Endkunden transportiert. Es wird ein Pfand pro Sack fällig, der bei Rückgabe der Säcke an NeptuTherm erstattet wird.

Bauphysikalische Eigenschaften

Neptutherm brennt nicht

NeptuTherm fällt durch seine schlechte Entflammbarkeit in die Brandstoffklasse B2. In Bezug auf die Schimmelresistenz lässt sich der Stoff in die Klasse 1 einordnen. Zudem enthält die Wolle keine Eiweiße und ist verrottungssicher. Die Neptunn-Fasern können Wasserdampf aufnehmen, puffern und ihn wieder abgeben ohne die Wärmedämmfähigkeit zu beieinträchtigen.

NeptuTherm hat eine etwa 20 Prozent höhere spezifischen Wärmekapazität als andere Dämmstoffe. Durch diese relativ hohe Dichte ergibt sich ein guter Wärmeschutz. Auch der Schallschutz ist vom Fraunhofer IBP als sehr gut bewertet worden. Zudem seien keinerlei Lebewesen bzw. Schädlinge an der Faser interessiert.

Die Verarbeitung ist nach Angaben des StartUps sehr einfach und könne auch von Laien umgesetzt werden. Die Wolle müsse lediglich verteilt und leicht verdichtet werden. Sollte die Dämmwolle entsorgt werden müssen, kann sie zur natürlichen Auflockerung als Pflanzsubstat eingesetzt werden.

Wie die Zukunft des Naturdämmstoffes aussieht

„Pläne für die Zukunft sind bereits gemacht. „Im Moment bieten wir unser Produkt lediglich in Form von Dämmwolle an“, erklärt Meier, „Der Markt aber ruft nach NeptuTherm in Form von Matten.“ Die Produktentwicklung sei bereits vorangeschritten, erste Muster bereits gemeinsam mit der HS Reutlingen – gefördert vom Land Baden-Württemberg –  gefertigt worden. „Auch diese sind voll ökologisch. Darauf lege ich besonderen Wert“, so Meier. Auf Maulbeerbaum basierender Bast verbindet die lose Wolle zu einer Matte. In fernerer Zukunft sei auch der Vertrieb von harten Platte denkbar. Dazu wird NeptuTherm weiterhin von anerkannten Partnern wissenschaftlich untersucht und Anwendungsmöglichkeiten weiterentwickelt.

Zudem denkt Prof. Meier darüber nach, die Produktion in die entsprechenden Mittelmeerländer zu verlegen. Die Begründung: Der Sand, der aus der Dämmwolle gesiebt wird, muss in Deutschland kostenpflichtig entsorgt werden. Gespräche laufen laut Unternehmensangaben bereits.

Wie versprochen, findet sich hier am Ende des Beitrags ein Video bzw. der Preisträger-Film der IKEA Stiftung. Weitere Informationen gibt es auch auf der Homepage des Cleantech-Unternehmens.

1 Kommentar
  1. Gerhard sagt

    Hoffentlich findet Ihr noch freie nicht mit Kunststoffabfällen kontaminierte Oasen im Meer vor!?
    Aufklärungs- Kampagne für den Verbraucher ist notwendig um das Bewußtsein (Verhalten) zu schärfen und letztendlich zu ändern!
    Sonst bekommen wir noch mit Kunststoff gemischte Neptunbällchen!?

    Artaperma – Im jetzigen Tun gestalte ich den Morgen!

Hinterlasse eine Antwort

Ihre Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.