
Crashtests: DEKRA bestätigt hohes Sicherheitsniveau von Elektroautos
Unfallforscher zeigen, wie die Elektroautos Nissan Leaf und Renault Zoe bei heftigen Crashtests reagieren – Hochvoltsysteme sofort abgeschaltet.
Die Zahl der Artikel und Kommentare bei Youtube oder Facebook, die betonen, wie gefährlich Elektroautos seien, dürfte einen neuen Höchststand erreicht haben. Interessierte Kreise versuchen damit, den unaufhaltsamen Wandel zur Elektromobilität zu verlangsamen – denn aufhalten werden sie ihn nicht. Denn die technologische Disruption folgt den Gesetzen des Marktes – und kann durch leicht durchschaubare Propaganda unmöglich gestoppt werden.
Jede Meldung über den Brand eines Elektroautos weltweit sorgt derzeit global für Schlagzeilen. Oft werden Zeugenaussagen mit technischem Halbwissen verknüpft. Daraus entstehen teils wirre Bilder, die durchaus Ängste auslösen können. Oft ist von „explosiven Kettenreaktionen“ durch die Lithium-Ionen-Batteriesysteme die Rede oder gar von „Batterien, die wie Geschosse aus dem Fahrzeug herausgeschleudert“ wurden.
So ähnlich geschehen zuletzt rund um einen Unfall eines Tesla-Fahrers in Tirol, dessen Elektroauto nach Aufprallen auf einen Baum tatsächlich größtenteils abbrannte. Nach einigem Zögern ist die Batterie des Fahrzeugs, die durch die Feuerwehr mitsamt des Fahrzeugs in ein Wasserbad gelegt wurde, demontiert. Das Foto zeigt: Mindestens der größte Teil des Batteriesystems wurde fast nicht beschädigt.
Experten urteilen: Der Brand am Tesla Model S wurde durch die Klimaanlage und das darin verwendete Käältemittel entscheidend befeuert. Auslöser war vermutlich ein Kurzschluss. In Österreich gab es rund um den Unfall – der Fahrer konnte das Krankenhaus übrigens nach zwei Wochen und einigen Rippenbrüchen wieder verlassen – Irrungen und Wirrungen, die zeigen, dass sowohl Tesla als auch lokale Dienstleister und Behörden noch nicht ausreichend auf einen Elektroauto-Brand dieser Dimension vorbereitet sind.
Letztlich stellt sich die Frage: Sind Elektroautos unsicherer als Benzin- oder Diesel-Verbrenner? Viele Aussagen hierzu von Experten legen nahe: Nein, das ist nicht der Fall. Schließlich hat ein Fahrzeug wie das Tesla Model S eine Reihe von Sicherheitsmechanismen verbaut, die insbesondere sicherstellen, dass das Auto nicht unter Strom steht, wenn beispielsweise Insassen befreit werden müssen.
Auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, wie beispielsweise die WirtschaftsWoche recherchiert hat: Elektroautos brennen im Verhältnis seltener als Verbrenner. Einziger Unsicherheitsfaktor: Die Datenbasis ist naturgemäß bei der Ermittlung solcher Zahlen kleiner, weil relativ wenige Elektroautos bis heute auf den Straßen unterwegs sind.
DEKRA crasht Nissan Leaf und Renault Zoe
Eine andere Einschätzung lässt die DEKRA nun zu: Die Sachverständigen haben in aktuellen Crashtests das hohe Sicherheitsniveau von Serien-Elektroautos bestätigt. Dazu hat die Abteilung DEKRA Unfallforschung mit der Verkehrsunfallforschung der Universitätsmedizin Göttigen kooperiert. Im DEKRA Crash Test Center in Neumünster wurde je ein Renault Zoe und ein Nissan Leaf gecrasht.

Die Kollisionen mit einem Pfahl, die die DEKRA aus Forschungszwecken auslöste, simulierten unterschiedliche Szenarien eines Baum-Anpralls – also exakt das, was dem Fahrer in Tirol auch passierte. Allerdings: Dabei lagen die Geschwindigkeiten bei den Crashtests weit jenseits denen, die bei Standard-Crashtests üblich sind. Fazit der Unfallforscher: Die getesteten Elektrofahrzeuge stehen vergleichbaren konventionell angetriebenen Fahrzeugen bei der Sicherheit in nichts nach.
In drei der vier Crash-Szenarien ließen die Experten Elektrofahrzeuge seitlich mit dem Pfahl kollidieren: den Renault Zoe mit 60 km/h, den Nissan Leaf (Produktionsserie 2010 – 2017) mit 60 und zusätzlich 75 km/h. Hinzu kam im vierten Szenario der Frontal-Anprall eines Nissan Leaf mit 84 km/h.
Die Schadenbilder aus den Crashtests sind vergleichbar mit denen an konventionell angetriebenen Fahrzeugen. Das Hochvoltsystem der Elektrofahrzeuge wurde jeweils beim Crash zuverlässig abgeschaltet. Und trotz massiver Deformation der Antriebsbatterie kam es in keinem Fall zu einem Brand.
DEKRA Unfallforscher Markus Egelhaaf
Grundsätzlich, so der Experte, wäre gerade der seitliche Baumanprall des Crahtests bei derartigen Geschwindigkeiten kaum zu überleben. „Das gilt aber für jede Art von Pkw, ganz unabhängig von der Antriebsart. Die großen Hersteller von Serien-Elektrofahrzeugen haben es verstanden, mindestens das gleiche Sicherheitsniveau zu erreichen, das wir von Verbrennerfahrzeugen kennen.“
Nicht umsonst haben beide getesteten Modelle im Euro NCAP-Rating jeweils die maximalen fünf Sterne erreicht. „Unsere Versuche bestätigen, dass es keinerlei Grund gibt, sich im Elektrofahrzeug weniger sicher zu fühlen als im konventionell angetriebenen Pkw.“
Ziel des Forschungsprojekts ist es, die Rettung von Insassen aus verunfallten Pkw zu optimieren. Deshalb wurden im Anschluss an die Crashtests jeweils Versuche gemacht, mit welchen Verfahren und mit welchen Hilfsmitteln die Rettungskräfte die Insassen am besten aus den Wracks herausholen könnten.
Löschsysteme für Antriebsbatterien getestet
Da immer wieder Probleme beim Löschen brennender Antriebsbatterien genannt werden, wurde unter anderem auch ein neues Löschsystem getestet, die so genannte Löschlanze. Sie kann, falls Teile einer Antriebsbatterie doch in Brand geraten sind, von der Feuerwehr direkt in das Akkugehäuse eingeschlagen werden. „Damit finden die Löscharbeiten sozusagen innerhalb der Batterie statt, um die Ausbreitung des Feuers auf weitere Batteriezellen zu stoppen“, erklärt DEKRA Unfallforscher Markus Egelhaaf. „Die ersten Erkenntnisse mit dem Verfahren sind positiv, für eine endgültige Aussage ist weitere Forschung nötig.“
Insgesamt, so das erste Fazit, können die Rettungsarbeiten mit den Mitteln der Feuerwehr ebenso schnell wie bei konventionell angetriebenen Fahrzeugen durchgeführt werden. Auch für Ersthelfer besteht keine erhöhte Gefahr.
Letztlich zeigt sich: Der Elektroauto-Fahrer in Tirol sollte sich angesichts des harten Baum-Aufpralls in erster Linie bei Hersteller Tesla für das grundsätzlich schützende Auto bedanken, und Tesla nicht öffentlich an den Pranger stellen. Dass die Entsorgung eines verunfallten Elektroautos genau wie die eines Verbrenners, kein Kinderspiel ist, ist vollkommen bewusst. Nach diesem Fall dürften die Prozesse nun eingespielt sein und künftig alles reibungslos verlaufen.