E-Fuels: Zwei Prozent PtL-Kerosin bis 2030 im Luftverkehr

Synthetisches Kerosin soll jetzt gezielt gefördert werden. PIK-Studie zeigt: Erst Elektrifizierung, dann wasserstoffbasierte Brennstoffe nutzen.

Der Luftverkehr muss sauberer werden – etwa über die Verwendung von PtL-Kerosin. Das ist auch dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft bewusst. Heute legt der Verband eine Einigung mit unterschiedlichen Ministerien vor, wonach bis 2030 zwei Prozent des verwendeten Kerosins nachhaltig (synthetische Kraftstoffe) sein soll. Dabei liegt der Fokus für 200.000 Tonnen Kraftstoff auf der wasserstoffbasierten Herstellung sogenannter Power-to-Liquids-Kraftstoffe. Das Herstellungsverfahren dieser E-Fuels haben u.a. die Cleantech-Unternehmen Sunfire und Ineratec maßgeblich entwickelt.

Der kleine Anteil von zwei Prozent zeigt, wie lange der Hochlauf entsprechender Technologien noch dauern wird. Bislang existieren in Deutschland nur wenige Pilotanlagen, wie etwa von Sunfire in Dresden, die den Power-to-Liquids-Prozess demonstriert haben, aber nicht dauerhaft synthetische Kraftstoffe produzieren. Zuerst berichtete das Magazin Airliners über die neue Initiative der Luftverkehrswirtschaft.

200.000 Tonnen nachhaltig erzeugtes Kerosin soll nun nach der heutigen Vereinbarung die Mindestmenge werden. Das sind zwei Prozent der Menge Kerosin, die 2019 für alle startenden Flugzeuge aus Deutschland ins In- und Ausland verbraucht wurde.

Allerdings sind dafür nach Ansicht des Verbandes Förderungen des Bundes nötig, um einen entsprechen Markt für E-Fuels als PtL-Kerosin zu schaffen. Das könnte entweder eine Förderung für das Inverkehrbringen sein, oder aber ein sogenannter „Carbon Contract for Difference“ – die Luftfahrtunternehmen würden die Kraftstoffe dann zu (zunächst höheren) Marktpreisen einkaufen, und die Mehrkosten erstattet bekommen.

Ein ähnliches Prinzip entwickelt das Bundesumweltministerium gerade für die energieintensive Industrie in Deutschland. Im Luftverkehrsbereich könnte vereinfacht auch eine Verrechnung mit der Luftverkehrssteuer realisiert werden.

Beim Fahrplan, der heute in Berlin vorgelegt wird, konzentrieren sich die Beteiligten auf neue Antriebstechnologien in Form der Power-to-Liquids-Technologie (PtL-Kerosin). Dabei entsteht zunächst Wasserstoff bei der Elektrolyse von Wasser auf Basis von Ökostrom. Gleichzeitig wird Kohlendioxid aus der Luft oder anderen Quellen verwendet, um kombiniert langkettige Kohlenwasserstoffe herzustellen. Ein Teil davon kann in Raffinerien zu nachhaltigem Kerosin weiterverarbeitet werden.

Alternative zu PtL-Kerosin: CAPHENIA-Verfahren

Eine denkbare Alternative zur relativ teuren PtL-Route könnte mittelfristig auch das CAPHENIA-Verfahren sein, das in diesem Artikel konkreter beschrieben wurde. Dieses Verfahren wird auch als Power-and-Biogas-to-Liquid umschrieben. Unweit vom Frankfurter Flughafen, im Industriepark Höchst, ist sowohl die Entstehung einer PtL-Anlage von Ineratec mit einem Output von 4,6 Millionen Litern pro Jahr vorgesehen, als auch die Nutzung des Plasma-Pfades von CAPHENIA.

Bei der Vorstellung der Anlagen im Januar 2021 stellte Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir in Aussicht, dass der Bund zur Förderung in Höhe von zwei Milliarden Euro bereit sei. Am Standort gibt es auch ein Kompetenzzentrum Klima- und Lärmschutz im Luftverkehr.

Erst Elektrifizierung, dann wasserstoffbasierte Brennstoffe

Die Größenordnung allein des Kerosins, das benötigt wird, um den aus Deutschland ausgehenden Luftverkehr sauberer zu machen, sind – wie beschrieben – gewaltig. Gelingt das 2-Prozent-Ziel, das etwa Al-Wazir als ehrgeizig bezeichnet, ist gerade einmal 1/50 des Weges geschafft. Dafür werden zehn Jahre gebraucht – für den Rest des Weges bleiben durch das neue Vorhaben, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, dann noch 15 Jahre.

Das zeigt: Es braucht nun einen ganz schnellen Aufbruch und viele unterschiedliche Projekte, um die geforderten Mengen überhaupt ansatzweise herstellen zu können. Dabei muss es auch um den Import von günstigem Ökostrom aus dem Ausland oder sichere Lieferversorgung aus Offshore-Windkraftanlagen gehen. Denn die benötigten, großen Energiemengen sind der entscheidende Kostenstreiber bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe.

Angesichts dieser Herausforderungen nur für einen Sektor wirkt es geradezu grotesk, wenn Politiker fordern, Wasserstoff oder E-Fuels zeitnah als Alternative zur Elektrifizierung des Straßenverkehrs zu etablieren. Auch die neue Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung betont glasklar: „Wasserstoffbasierte Brennstoffe sollten vor allem in Sektoren wie der Luftfahrt oder industriellen Prozessen eingesetzt werden, die nicht elektrifiziert werden können. Ihre Herstellung ist zu ineffizient, zu kostspielig, und ihre Verfügbarkeit zu unsicher, um damit fossile Brennstoffe auf breiter Front zu ersetzen – etwa in Autos oder beim Heizen von Gebäuden.“

Für die meisten Sektoren sei die direkte Nutzung von Elektrizität, zum Beispiel in Elektroautos oder Wärmepumpen, wirtschaftlich sinnvoller. Setze man stattdessen in erster Linie auf Brennstoffe auf Wasserstoffbasis statt Elektrifizierung und behalte Verbrennungstechnologien bei, so die Forscher, könne eine Verlängerung der Abhängigkeit von fossilen Energien drohen – und weiterer Ausstoß von Treibhausgasen.

„Das gefährdet die kurzfristigen und langfristigen Klimaziele“, so einer der Studienautoren, Falko Ueckerth. Wasserstoffbasierte Brennstoffe würden ab 2040 als Ersatz für der dann noch verbleibenden fossilen Kraftstoffe benötigt. „Die langfristige Vision von wasserstoffbasierten Brennstoffen ist vielversprechend“, betont Co-Autor Gunnar Luderer.

Durch die Nutzung des riesigen Potenzials von Windkraft und Sonnenenergie im globalen Sonnengürtel in den Ländern des Südens könnten wasserstoffbasierte Brennstoffe global gehandelt werden und so Engpässe bei den erneuerbaren Energien in dicht besiedelten Ländern wie Japan oder in Europa behoben werden. Luderer: „Da die internationalen und nationalen Klimaziele jedoch sofortige Emissionsreduktionen erfordern, sollte heute die direkte Elektrifizierung an erster Stelle stehen, um eine sichere Zukunft für alle zu gewährleisten.“

Die Analyse des PIK zu PtL-Kerosin und E-Fuels ist im Magazin Nature Climate Change erschienen und steht hier unter dem Titel Potential and risks of hydrogen-based e-fuels in climate change mitigation zum Download zur Verfügung.

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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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