Elektrolyse statt Elektroautos zur Erreichung der Klimaziele?

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MCC-Studie bestätigt, dass Elektroautos erst ab 2040 zu Reduzierung der CO2-Emissionen beitragen / Prof. Breyer bringt Power Fuels über Elektrolyse ins Spiel

Wie können wir die Klimaziele insbesondere im Mobilitätssektor erreichen? Taugen dafür Elektroautos, solange der deutsche Strommix überwiegend aus elektrischer Energie aus Kohlekraftwerken besteht? Nein lautete diese Woche das Ergebnis einer Studie vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change und der Universität Manchester. Tenor der Studie: Aufgrund des deutschen Strommixes können Elektroautos erst ab 2040 zur nachhaltigen Senkung der CO2-Emissionen beitragen. Bietet die Elektrolyse eine Alternative?

Langfristig muss E-Mobilität eine tragende Rolle spielen – aber damit auch kurzfristig die Emissionen sinken, muss die Politik durch höhere Spritsteuern an der Fahrleistung ansetzen und den Umstieg auf Bus, Bahn oder Fahrrad begünstigen. Zugleich ist es wesentlich, dass sie den Kohleausstieg und die Energiewende vorantreibt.

Felix Creutzig, Co-Autor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport am MCC

Beim derzeitigen Strom-Mix fahren Elektroautos doch nicht emissionsfrei, so die Studie. Und bei ihrer Herstellung entstehen der Studie zufolge rund 8,8 Tonnen CO2, etwa 60 Prozent mehr als bei der Herstellung eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor. Das, was in Großbritannien und Deutschland gleichermaßen zur Senkung der Emissionen kurzfristig beitragen wird, sind die ehrgeizigen Flottenstandards der EU, die sich auf Verbrennungsmotoren beziehen.

Klar ist also: Es müssen zwar Elektroautos her, diese müssen aber viel schneller flächendeckend mit erneuerbaren Energien versorgt werden, als es derzeit angesichts des Deckels für Photovoltaik und des Abwürgens der Windkraft in Deutschland überhaupt möglich erscheint. Daher müssen Alternativen her, die auch bei einer weitgehenden Elektrifizierung der PKWs im Jahr 2050 noch gebraucht werden, aktuell aber schneller eine Wirkung entfalten.

Synthetische Kraftstoffe als Zwischenlösung und Langfristnotwendigkeit

Als Lösung hierfür bringen Experten wie Prof. Christian Breyer, Professor für Solarwirtschaft an der Technischen Universität Lappeenranta (LUT) in Finnland, synthetische bzw. alternative Kraftstoffe ins Spiel. Die Logik ist einfach: Die Kraftstoffe aus CO2, Wasser und Ökostrom werden mittel- und langfristig in großen Mengen für den Flug- und Schiffsverkehr gebraucht.

Prof. Breyer im Interview mit dem Youtube-Channel der Elektroauto-Vermietung nextmove.*

Power Fuels für PKW-Bestand und langfristig Schiffs- und Flugverkehr

Kurzfristig könnten die Power Fuels aber bereits helfen, die Bestandsflotte von 54 Millionen PKW durch sukzessive wachsende Beimischung sauberer zu machen. Eine Quote zur Beimischung hätte den Vorteil, dass die anfangs höheren Preise für den künstlich erzeugten Kraftstoff kaum ins Gewicht fallen würde, weil zunächst nur wenige Prozent des teureren Kraftstoffs je Liter beigemischt würden. So könnten Kapazitäten in Raffinerien geschaffen werden, die später einfach für Schiffe und Flugzeuge verwendet werden.

Problem dabei: Bisher hat die deutsche Politik die Anrechenbarkeit synthetischer Kraftstoffe auf entsprechend vorhandene Quoten nicht realisiert – d.h. beispielsweise, dass europäische Beschlüsse der Renewable Energy Directive II bislang nicht in deutsches Recht umgesetzt wurden. Andererseits hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zuletzt angekündigt, komplett auf alternative Kraftstoffe setzen zu wollen und Deutschland hier zu einem Champion zu machen.

Effizienz der Power Fuels

Zweites Problem: Bislang gilt die Technologie zur Erzeugung von e-Fuels aus CO2, Wasser und Ökostrom als nicht besonders effizient und daher energieaufwändig. Doch hier muss man inzwischen deutlich differenzieren. Denn das Dresdner Cleantech-Unternehmen Sunfire**, bekannt für den technischen Nachweis, dass die Produktion synthetischer Kraftstoffe im industriellen Maßstab möglich ist, hat gerade bekannt gegeben, eine neue Generation seiner Elektrolyse-Technologie entwickelt zu haben, die deutlich effizienter ist.

Die Hochtemperatur-Elektrolyse ist einer der wichtigsten Schritte bei der Produktion von e-Fuels. Mit ihr wird elektrische Energie in chemische Energie umgewandelt – also Wasser unter Einsatz von Ökostrom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Durch die Verquickung mit CO2 entsteht anschließend entweder Methan oder Synthesegas, dass dann in einem Fischer-Tropsch-Verfahren und anschließend in Raffinerien zu Kraftstoffen weiterverarbeitet werden kann.

Sunfire hat nun im Zuge des HYPOS-Projekts eine Hochtemperatur-Elektrolyse der Generation 1.0 in Betrieb genommen, die 2021 marktreif sein soll. Durch eine höhere Effizienz – nachgewiesen wurden 80 Prozent nach Angaben des Unternehmens – ermöglicht die Elektrolyse eine höhere Wasserstoff-Ausbeute. Zum Vergleich: Herkömmliche Elektrolyseure haben gewöhnlich einen deutlich geringeren Wirkungsgrad von 50 bis 70 Prozent zu bieten.

Neueste Elektrolyse-Generation effizienter

Die Generation 1.0 der Hochtemperatur-Elektrolyse von Sunfire hingegen erreicht bei einer Eingangsleistung von 180 Kilowatt Gleichstrom eine Produktionsleistung von 50 Normkubikmeter Wasserstoff pro Stunde. Dafür benötigt sie 3,75 Kilowattstunden elektrische Energie pro Normkubikmeter Wasserstoff. Die bisherige Generation erreichte bei 150 Kilowatt Eingangsleistung eine Wasserstoffproduktion von lediglich 40 Normkubikmeter pro Stunde.

Weiterer Vorteil: Die Elektrolyse kann auch im Brennstoffzellen-Modus betrieben werden. Innerhalb von zehn Minuten kann der Betriebsmodus gewechselt werden – so kann bei Strommangel im Netz zusätzlich Strom und Wärme produziert werden. Diese Flexibilität macht den Aufbau einer solchen Elektrolyse-Infrastruktur doppelt sinnvoll: Denn selbst wenn der Pfad nur bis zum Wasserstoff oder Methan reicht, entsteht hiermit ein Langfristspeicher, der unbedingt gebraucht wird.

Synthetische Kraftstoffe nur mit zusätzlichen Erneuerbaren Energien

Letztlich dreht sich die ganze Idee aber wieder im Kreis: Auch die Elektrolyse macht, ähnlich wie die Elektroautos, nur Sinn, wenn der Strommix aus erneuerbaren Energien besteht. Ein Park von Elektrolyseuren in der Nähe von Raffinerien müsste also überschüssiger Windstrom zur Verfügung gestellt oder mit einem Offshore-Windpark gekoppelt werden, um die Nutzung erneuerbarer Energien sicherzustellen. Ein solches Projekt ist auch im Rahmen von Reallabor Westküste 100 vorgesehen.

Im Vergleich zum Elektroauto hat das den unschlagbaren Vorteil, dass jede produzierte Kilowattstunde genutzt werden kann, weil die Elektrolyseure auf fluktuierende Mengen reagieren können. Stromangebot und Stromnachfrage sind in diesem Szenario also viel leichter ins Gleichgewicht zu bringen – was den Nachweis, dass tatsächlich nur Ökostrom eingesetzt wird, erleichtert.

Natürlich ist das Szenario, synthetische Kraftstoffe für mittelfristiges Erreichen der Klimaziele einzusetzen, suboptiomal. In einer idealen Welt würde „einfach“ der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt und der Betrieb von Verbrennern derart verteuert, dass fast jeder schnell umswitchen würde. Nur: Wir leben in keiner perfekten Welt.

Daher verursacht der Umstieg auf Elektroautos viele Herausforderungen, die weit über das Technologische hinausgehen. Jeden Tag erleben wir es bei Cleanthinking in Kommentaren, insbesondere bei Facebook, dass Elektroautos abgelehnt werden. Um den Umstieg von 54 Millionen Fahrzeugen sicherzustellen, müssten diejenigen, die heute ablehnend sind, in irgendeiner Form „überzeugt“ werden. Teurer Kraftstoff alleine wird da nicht helfen.

Daher ist der Weg, die Kraftstoffe sauberer zu machen, der auch psychologisch viel einfachere Weg. Zudem bringen synthetische Kraftstoffe den Vorteil, dass die vorhandene Infrastruktur weitergenutzt werden kann. So müsste man sich „nur“ um den Aufbau zusätzlicher EE- und Power-to-Liquids-Anlagen kümmern. Nachteilig wiederum: Während die CO2-Emissionen deutlich sinken würden, würde sich an der Stickstoffdioxid-Problematik nichts ändern.

Ich bin schließlich zutiefst davon überzeugt, ähnlich wie es auch Prof. Breyer sagt, dass wir parallel Power Fuels-, Elektroauto- und Wasserstoff-Infrastruktur aufbauen müssen, weil es für jede Technologie die idealen Nischen geben wird. Klar ist, dass das nicht der Weg wird, der am Wenigsten Stromverbrauch verursachen wird. A

ber, wenn wir die Stahlbranche auf grünen Wasserstoff umstellen wollen, brauchen wir ohnehin Pipelines etwa aus Spanien oder Nordafrika, wo Wasserstoff auf Basis billiger erneuerbarer Energien produziert wird. Die erforderlichen Mengen können ansonsten nicht in Deutschland hergestellt werden. Letztlich ist klar: Die Herausforderungen sind gewaltig und gehen weit über technologische Fragestellungen hinaus.

*Martin Jendrischik, der Autor, dieses Artikels, ist derzeit beratend für die Elektroauto-Vermietung nextmove tätig.

**Martin Jendrischik, der Autor dieses Artikels, war bis März 2019 als Kommunikationsberater für Sunfire tätig, versichert aber, mit der identischen, journalistischen Sorgfalt recherchiert und geschrieben zu haben, wie bei jedem anderen Beitrag auch.

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