Wie Exeger mit Powerfoyle das Aufladen überflüssig macht

Urbanista und Adidas bringen Kopfhörer mit der Solarfolie Powerfoyle auf den Markt. Innovation schont Ressourcen.

Als Cleanthinking.de am 16. Juni 2021 erstmals über das schwedische Cleantech-Unternehmen Exeger und sein innovatives Solarmaterial Powerfoyle berichtete, waren Produkte wie Kopfhörer und blinkende Fahrradhelme, die sich über das Material mit elektrischer Energie aus Licht versorgen, im Grunde noch Zukunftsmusik. Doch au den ersten Prototypen sind mittlerweile lifestylige Produkte geworden, die tatsächlich Ladekabel in Consumer Electronics-Geräten überflüssig machen. Exeger hat mit seiner Powerfoyle hierfür erste Standards gesetzt.

Powerfoyle von Exeger ist ein Lichtzellenmaterial, das in einem Siebdruckverfahren auf Kunststoff gedruckt werden kann. Herzstück ist ein neues Elektrodenmaterial, erfunden von den Exeger-Gründern Henrik Lindstöm und Giovanni Fili, das eine um den Faktor 1.000 bessere Leitfähigkeit haben soll. Die Solarzellen von Exeger sind groß, leistungsstark und frei form- und druckbar. Die grundlegende Technologie wird auch als Farbstoffsolarzelle bezeichnet.

Diese Farbstoffsolarzellen bestehen in der Regel aus einer transparenten Substratplatte, die mit einem leitfähigen Oxidmaterial (ITO) überzogen ist. Darunter liegt eine Schicht aus lichtempfindlichem Farbstoff, der Sonnenlicht absorbiert und Elektronen freisetzt. In 2010, als die heutigen Unternehmer mit ihrer Entwicklung begannen, waren die Kosten für diese Materialien noch ein Hindernis für den Fortschritt. Doch das änderte sich, nachdem sie auf eine bahnbrechende Idee kamen.

„Ich erkannte früh, dass Farbstoffsolarzellen ein immenses Potenzial haben, aber um aus einer Laborzelle eine Industrie zu machen, waren neue bahnbrechende Innovationen sowohl in der Solarzellentechnologie als auch in der industriellen Fertigung erforderlich. Das Ersetzen der teuren und ineffizienten ITO-Schicht war daher der Schlüssel zur Neuerfindung dieser Solarzellentechnologie, auf der wir Exeger aufgebaut haben“, sagt Giovanni Fili, CEO und Co-Gründer von Exeger.

Elektrode hinter lichtabsorbierenden Schicht

„Die Besonderheit ist, dass sich die Elektrode erstmals direkt hinter der lichtabsorbierenden Schicht befindet, was bedeutet, dass mehr Licht die Zelle erreicht und mehr elektrischer Strom erzeugt wird. Die Solarzelle lässt sich daher nahtlos in fast jedes Produkt integrieren und liefert eine zuverlässige Energiequelle, egal ob Kunst- oder Sonnenlicht“, sagt Lindström, Technikchef des Unternehmens.

Das neuartige Farbstoffsolarzellen-Material von Exeger ist dünn, flexibel und langlebig. Ein Supraleiter im Inneren der Zelle ermöglicht das Drucken der Folie. Das Material ist in verschiedenen Texturen, Formen und Farben herstellbar. Als Pionier der Farbstoffsolarzellen-Technologie gilt der Schweizer Chemiker Michael Grätzel, weshalb die Zelle auch als Grätzel-Zelle bezeichnet wird.

Finanzierungsrunde für Exegers Powerfoyle

Nach mehreren Jahren der Feinabstimmung ihrer Produktionsprozesse und der Arbeit mit potenziellen Kunden an Produktideen sammelte Exeger 2019 in drei Finanzierungsrunden rund 40 Millionen Euro ein. 20 Millionen Euro davon kamen von der japanischen SoftBank Group, mit der Exeger eine strategische Partnerschaft einging, um die globale Einführung seiner DSSC-Technologie zu beschleunigen.

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Neue Lifestyle-Produkte

Auf Basis dieser Erfindung kommen jetzt die ersten Produkte auf den Markt. Lifestylige Consumer-Electronics-Produkte, die eine Ära der selbstversorgten und solarbetriebenen Produkte einleiten. Denn mit der Powerfoyle-Technologie werden Ladekabel weitgehend überflüssig – und daraus könnte sich ein neuer Standard für kleine Elektrogeräte entwickeln. Bis 2030 soll eine Milliarde Menschen von entsprechenden selbstaufladenden Produkten profitieren, hoffen die schwedischen Unternehmer.

Exeger hat in Schweden zwei Fabriken für Powerfoyle und konzentriert sich derzeit auf Consumer Electronics-Produkte einerseits und das Outdoor-Segment andererseits. Im Jahr 2021 war Exeger für den European Inventor Award nominiert. Zahlreiche Patente wurden in den vergangenen Jahren angemeldet. Neben Exeger geht auch Epishine aus Schweden in eine ähnliche Richtung des Energy Harvestings. Deren Folien sind speziell auf Wirkung in Innenräumen ausgerichtet.

Lindströms und Filis Erfindung und neue Solarzellen-Architektur ist sowohl bei Kunst- als auch bei Sonnenlicht effizienter, und bietet zudem völlig neue Designmöglichkeiten für Kunden.

Solarbetrieben: Urbanista Los Angeles

Mittlerweile käuflich zu bekommen: Der solarbetriebene Kopfhörer Urbanista Los Angeles (Urbanista Los Angeles bei Amazon).

Die ersten Kopfhörer mit Powerfoyle waren die „Urbanista Los Angeles“ genannten Kopfhörer, die mittlerweile auch im Einzelhandel erhältlich sind. Dieses Produkt ist solarbetrieben, hat also die Powerfoyle in den Bügel integriert. Diese Solarzelle, die sowohl bei Tageslicht als auch in Innenräumen funktioniert, sammelt genügend Energie, so dass die integrierte Batterie immer geladen ist – und das ohne ein Ladekabel zu brauchen.

Denkt man dieses Prinzip weiter, wird klar, dass Solarzellen wie die Powerfoyle durchaus die Stromnetze entlasten können, wenn sich die Integration der Folien als Standard etablieren sollte. Nach Angaben von Urbanista ist der Verkauf des „Los Angeles“-Modells ein großer Erfolg – die Nachfrage nach solarbetriebene, selbstversorgten Produkten scheint also vorhanden zu sein.

Urbanista hat auch die ersten „Earbuds“ auf den Markt gebracht, die immer aufgeladen werden, wenn diese sich im Ladekästchen befinden – auch dieses braucht grundsätzlich kein Ladekabel mehr, weil die integrierte Powerfoyle ausreicht, um die Im-Ohr-Kopfhörer aufzuladen.

Neuer Kopfhörer: Adidas RPT-02 SOL

Mit Sonnenpower: Adidas RPT-02 SOL

Neben Urbanista gibt es mit Adidas jetzt eine weitere Lifestyle-Marke, die Powerfoyles von Exeger in eigene Produkte integriert. Der neue Kopfhörer Adidas RPT-02 SOL ist teilweise aus recyceltem Kunststoff hergestellt und braucht kein Stromnetz. Der Nutzen: Durch die Solarnutzung soll die Musikspieldauer auf 80 Stunden gesteigert werden – damit braucht man sich keine Sorgen mehr zu machen, ob die Kapazität ausreicht, bis die nächste Steckdose in der Nähe ist.

Die Powerfoyle wandelt „alle Formen von Licht“ in Energie um: beim Joggen, beim Arbeiten am Schreibtisch oder im Fitnessstudio. Nur in einen dunklen Schrank sollten die Adidas-Kopfhörer nicht verbannt werden. Ansonsten macht Exeger mit Powerfoyle das Aufladen (weitgehend) überflüssig.

Interessant: Der adidas RPT-02 SOL ist nicht nur in der Lage, Licht zu sammeln, sondern verfügt auch über eine Lichtanzeige am Kopfband, die hilft, die stärkste Lichtquelle zu erkennen, um die beste Ladung zu erzeugen. Die Kopfhörer sind außerdem IPX4-zertifiziert (schweiß- und spritzwassergeschützt) und werden mit einer Begleit-App geliefert, mit der Nutzer den Lade- und Batteriestatus in Echtzeit verfolgen können.

Dritte Generation der Photovoltaik

Neben diesen Produkten gibt es auch einen Fahrradhelm, der über ein Rücklich verfügt und dank Powerfoyle keine Steckdose braucht.

Solarzellen wie die von Exeger oder Heliatek gelten als Teil der Photovoltaik der dritten Generation. Während Silizium-Photovoltaik – also PV der ersten Generation – zur am schnellsten wachsenden Energiequelle geworden ist, könnte auch die neueste Generation sich rasch durchsetzen. Probleme wie das Design und der relativ niedrige Wirkungsgrad im Vergleich zur Silizium-Photovoltaik haben die Kommerzialisierung von Farbstoffsolarzellen bislang gebremst.

Dieser Artikel entstand ursprünglich am 16. Juni 2021. Letztes Update am 17. August 2022.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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