Gigafactory 4 Berlin: Was Tesla-CEO Elon Musk nach Deutschland treibt

Mit der Ansiedlung der Gigafactory 4 bei Berlin wird Tesla noch ein Stück „deutscher“.

Die Art, wie Tesla-CEO Elon Musk die Entscheidung für den Standort Grünheide für die Gigafactory 4 bekanntgab, war typisch für den Unternehmer zwischen Genie und Wahnsinn: Erst völlig überraschend auf der Bühne bei der Verleihung des Goldenen Lenkrads in Berlin, anschließend bei Twitter. Nicht weniger typisch sind die ambitionierten Zeitpläne von Musk: Laut Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sollen bei Berlin schon Mitte 2021 die ersten Tesla Model Y produziert werden.

Die ambitionierten Zeitpläne gab Woidke bei Interviews im Regionalsender RBB bekannt. Der Vorteil liegt demnach darin, dass es wegen der früher angedachten Ansiedlung von BMW auf dem Grundstück, das Tesla nun erworben hat, bereits ein Bebauungsplan existiert. Dieser muss aber im Hinblick auf Naturschutzkriterien und beispielsweise den Umgang mit dem darauf befindlichen Kiefernwald erneuert werden.

Für die Kommunikation mit Tesla richtet die Brandenburgische Staatskanzlei eine Task Force ein – denn Tesla will, dazu gibt es unterschiedliche Angaben, womöglich noch im ersten Quartal 2020, mit Sicherheit aber im April 2020 mit dem Bau der Gigafactory 4, die auch als Gigafactory Europe oder Gigafactory Berlin bekannt ist, beginnen. Während der sechsmonatigen Verhandlungen gab es beinahe täglich Kontakt zwischen der Staatskanzlei und Tesla-Mitarbeitern.

Grünheide braucht bessere Infrastruktur, beispielsweise die S-Bahn

Fast noch anstrengender als die Ermöglichung einer Baugenehmigung in relativ kurzer Zeit dürfte es für das kleine Städtchen Grünheide werden, die Weichen für die Ansiedlung eines solchen Konzerns richtig zu stellen. Während das Tesla-Grundstück bei Grünheide unmittelbar an die A10 grenzt und somit Berlin über den Ring mit dem Auto sehr einfach zu erreichen ist, endet die S-Bahn aus Berlin beispielsweise in Erkner. Auch andere Infrastruktur muss umgeplant werden: Ansiedlung von Ärzten, Aufbau von Kindergärten für Familien.

In der ersten Ausbaustufe werden in der Gigafactory 4 in Grünheide bereits bis zu 7.000 Arbeitsplätze entstehen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass Tesla im unmittelbaren Umfeld weitere Zulieferer anziehen wird. Ein denkbarer Zulieferer ist beispielsweise ElringKlinger: Das Unternehmen, hat gerade verkündet, einen großen Auftrag im Volumen eines mittleren bis hohen zweistelligen Millionen-Betrags aus den USA erhalten zu haben – und zwar für sogenannte Cockpitträger aus Polymer-Metall-Hybriden, die der Autozulieferer dem Vernehmen nach für das Tesla Model Y liefert.

Zulieferer wie ElringKlinger profitieren von der Gigafactory 4

Untrügliches Zeichen dafür ist, dass sich der Hersteller von Cockpitträgern und Frontträgern 2017 in Fremont niedergelassen hat. Genau dort, wo Tesla bislang das Model 3 herstellt – für dieses Modell hat ElringKlinger ganz offiziell die genannten Bauteile geliefert. Dabei setzt Tesla auf deutsche Ingenieurskunst: Die Ingenieure von ElringKlinger haben es geschafft, die Prozesse des Innenhochdruck-Umformens und de Spritzgießens in einen Arbeitsschritt zu verbinden.

Die Folge ist, dass die so entstehenden Polymer-Metall-Hybridbauteile durch eine besonders hohe Form- und Maßgenauigkeit verfügen, besonders unfallsicher sind und gleichzeitig Gewichtsvorteile bieten, die in Elektroautos wie dem Model 3 oder dem Model Y zu mehr Reichweite führen. Bislang produziert ElringKlinger diese Leichtbaukomponenten noch nicht in Deutschland, sondern neben Fremont in den USA auch in Kanada und China.

Generell gehen Experten davon aus, dass neben den 7.000 Arbeitsplätzen unmittelbar bei Tesla dreimal so viele Arbeitsplätze durch Zulieferer in der Region entstehen werden. Das dürfte auch im Fall der Gigafactory 4 in Grünheide so sein, denn die Tesla-Fahrzeuge sind, was die Lieferung von Bauteilen angeht, tatsächlich in weiten Teilen bereits Deutsch. Und die Zulieferer wie der Stoßdämpfer-Hersteller Bilstein, die großen Zuliefer Bosch, ZF und Continental oder der Sitzspezialist Recaro suchen wegen der Krise der Automobilindustrie händeringend nach neuen Absatzmöglichkeiten.

Tesla Model Y wird noch ein Stück deutscher

Elon Musk sagte einmal, es sein wichtig, dass Tesla zumindest in Teilen ein deutsches Unternehmen werde. Mit mindestens drei Dutzend Zulieferern, dem einverleibten Produktionshelfer Grohmann und nun dem Standort der Großfabrik bei Berlin ist Tesla deutscher als es gemeinhin bekannt ist. Bei der Preisverleihung des Goldenen Lenkrads vergangenen Dienstag lobte Elon Musk die deutsche Ingenieurskunst und, dass die Deutschen die besten Autos bauen würden.

Der Tesla-CEO kommt mit seinem Cleantech-Unternehmen nun nicht nur in das Mutterland des Automobils, sondern auch in das Land mit BMW, Daimler, Audi und Volkswagen – also den Platzhirschen, die Tesla besonders gerne angreifen möchte. Allerdings weiß Musk nur zu genau, dass das noch einige Jahre dauern wird: Noch verkauft Volkswagen neun Millionen Fahrzeuge weltweit. Tesla hingegen kratzt kommendes Jahr womöglich an der Marke von einer Million Elektroautos pro Jahr.

Schockmoment für deutsche Audi, BMW und Daimler

Dennoch war die überraschende Verkündung des Visionärs ein weiterer Schockmoment für die Autobauer, insbesondere Daimler, Audi und BMW. Denn insbesondere die beiden Premiumhersteller brauchen noch Jahre bis sie ihre aktuellen Limousinen wie den Audi e-tron in großen Stückzahlen und intelligent verteilt auf eine Plattform für Elektromobilität auf die Straßen bringen. Bis dahin wird Tesla seinen technologischen Vorsprung mit all seinen Patenten und gezielten Entwicklungen weiter ausbauen.

Die Entscheidung von Tesla für die Gigafactory 4 in der Metropolregion Berlin kommt exakt zum richtigen Zeitpunkt. Die deutschen Hersteller leiden unter der Automobilkrise und diese wird sich eher verschärfen als abschwächen. Angekündigte Entlassungen treffen nicht nur Zulieferer wie Bosch, sondern jetzt auch Daimler und andere Autobauer.

Tesla kann diese Entlassungen nicht alle auffangen, aber die Nachricht beweist eines: Dass Industrieansiedlungen ganz eng mit der Verfügbarkeit von Erneuerbaren Energien verbunden sind. Brandenburg hat hier die besten Bedingungen deutschlandweit. Northvolt hat sich auch deshalb in Schweden angesiedelt, weil dort ebenfalls Ökostrom zu den besten Konditionen vorhanden ist. Andere Regionen, die weniger Erneuerbare Energien haben, werden gerade bei und durch solche Großansiedlungen den Anschluss verlieren.

Die Gigafactory 4 ist in der Summe ein Gewinn für Deutschland, den auch Frankreich oder Großbritannien gerne eingefahren hätten. Natürlich muss auf Bedingungen wie Naturschutz oder die Arbeitsbedingungen in der Fabrik beharrt werden. Der Ankündigung, „über Tarif bezahlen“ zu wollen und „dreimal mehr Bäume zu pflanzen, als gerodet werden müssen“, sollten schnellstmöglich Taten folgen. Gelingt dann noch der Sprung aus der Servicehölle, wird Tesla ähnlich wie Ford oder Opel deutsch.

Fehlt für ein rundes Bild nur noch eines, was Elon Musk nach Deutschland treibt: Ein passender Straßenname, vergleichbar zur Electric Avenue in der amerikanischen Gigafactory. Wie wäre es mit Elon Musk-Allee?

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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