Ist ausgerechnet Volkswagen in die Produktionshölle geraten?

manager-magazin.de berichtet über Probleme beim ID.3, Taycan und e-tron – Strafzahlungen in Milliardenhöhe möglich.

Produktionshölle in Sicht? Es ist wahrlich keine leichte Phase für die Automobilindustrie. Zum Rückgang des wichtigsten globalen Marktes, China, kommt nun die Sorge um Rückwirkungen des Coronavirus hinzu. Nicht nur Tesla musste in seiner Gigafactory in Shanghai eine Pause einlegen. Auch viele europäische Autokonzerne sind auf Komponenten aus Asien angewiesen. Zu diesen Schwierigkeiten – auch Volkswagen war in China von einem Produktionsstopp betroffen – kommen beim Volkswagen-Konzern gleich mehrere Probleme hinzu, wie jetzt das manager-magazin.de berichtet.

Dem Bericht zufolge drohen dem Volkswagen-Konzern ab kommendem Jahr aufgrund der verschärften Flottenverbrauchs-Regeln Strafzahlungen von vier (PA Consulting) bis sogar zehn Milliarden Euro (manager-magazin). CEO Herbert Diess, der einen einen hoch riskanten, aber konsequenten Umbau des VW-Konzerns in Richtung Elektromobilität vorantreibt, spricht davon, dass die CO2-Emissionen um 30 Gramm reduziert werden müssten.

Dazu braucht Diess unbedingt eines: Elektroautos, denn diese gehen in diesem Jahr doppelt in die Rechnung ein. Aber: Ausgerechnet beim Lieblingsthema des Managers hakt es derzeit so kräftig, dass das Magazin davon spricht, dass die Patriarchen im Hintergrund bereits ihre Unzufriedenheit äußern. Bekommt Diess die Probleme in den Griff – und wie ist ausgerechnet Volkswagen in die Produktionshölle geraten?

Was Volkswagen tut, um die Produktionshölle zu verlassen

Der VW ID.3 ist der Hoffnungsträger des Konzerns in Sachen Elektro-Offensive. Die Reservierungszahlen der 1ST Edition sind erfreulich, im April soll das Elektroauto auch regulär bestellt werden können. Derzeit laufen 50 Autos pro Tag in Zwickau vom Band – und werden zwischen geparkt. Ab März könnten die Fahrzeuge zu den ersten Händlern in unterschiedlichen Märkten gebracht werden.

Aber: An der Software klemmt es. Insider bemängeln, die Grundarchitektur sei zu hastig entwickelt worden, jetzt würden sich die Systeme untereinander oft nicht verstehen. Die Rädchen greifen sozusagen nicht ineinander. Bei Probefahrten, die jede Nacht in Sachsen und Sachsen-Anhalt stattfinden, werden die Probleme zu Tage gefördert: Bis zu 300 neue Probleme kommen täglich dazu.

Im Sommer soll der ID.3 eigentlich ausgeliefert werden – die Zweifel, dass das Ziel erreicht wird, werden ständig größer. „Horrorszenarien“ gehen davon aus, dass die Verzögerung zwischen 3 und 12 Monate betragen könnte. In der Automobilwoche wird ein VW-Manager vor wenigen Tagen hingegen noch mit der Aussage zitiert, es werde plangemäß im Sommer ausgeliefert.

Die Folge der Probleme sind gravierend: Einerseits werden die Absatzziele für den ID.3 von 100.000 auf 80.000 Fahrzeuge reduziert. Bedeutet: Andere, eher halbherzige Elektroautos wie der E-Golf oder der E-Up müssen mit aller Macht in den Markt gebracht werden. Aktuell gibt es auf diese Fahrzeuge hohe Rabatte.

Dazu kommt: Die Belastung der Mitarbeiter, die die Probleme beheben sollen und von Experten von Porsche oder Audi unterstützt werden, ist enorm. Eigentlich sollten sie sich längst mit dem nächsten Elektroauto befassen: Dem ID.4. Aber dazu müssen sie zuerst die Produktionshölle verlassen.

Auch Taycan und e-tron bereiten Probleme

Doch Audi und Porsche haben ebenfalls eigene Schwierigkeiten. Das Absatzziele für den Audi e-tron sind von einst 70.000 auf heute 40.000 Stück reduziert worden. Der Grund: Zuliefer LG Chem hat Produktionsprobleme und kann nicht so schnell liefern, wie erwartet. Ähnliche Akkus verwendet Porsche für den Taycan. Als zweiter Zulieferer dient Samsung, aber – so das manager-magazin – noch stimmt die Qualität der Samsung-Zellen noch nicht.

Im konzerninternen Machtkampf um die Batteriekapazitäten setzte sich Porsche demnach gegen Audi durch. Doch auch die Auslieferung des elektrischen Sportwagens der Zuffenhausener hat sich schon verzögert.

Folgen für Herbert Diess als Chef vom großen Ganzen wird die Krise rund um die Zukunftstechnologien zunächst nicht haben. Aber: Es wird in Wolfsburg davon ausgegangen, dass der eine oder andere Vorstand seinen Hut nehmen muss. Auch, um die Patriarchen aus den Familien Piech und Porsche zu besänftigen. Denn glücklich scheinen sie mit der Elektromobilitäts-Offensive des Konzerns nicht zu sein.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

Elektroauto NewsElektromobilität