Lageenergiespeicher: 2.000 GWh in einem Felsblock

Gastbeitrag. Mit dem Wechsel zu erneuerbaren Energien wie Windkraft und Solarenergie müssen ausreichend Speicher bereitgestellt werden. Ausreichend bedeutet, dass die Kapazität der bestehenden Energiespeicher um 28.000 Prozent vergrößert wird. Das erscheint praktisch unmöglich, doch das Konzept des Lageenergiespeichers bietet diese Möglichkeit zu einem günstigen Preis. Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Eduard Heindl von der Hochschule Furtwangen, der auch die Webseite www.heindl-energy.com betreibt.

Die Umstellung auf erneuerbare Energien ist kein Problem, das in den Energiequellen liegt. Wir haben tatsächlich ausreichend Wind und Sonne, um den gesamten Bedarf in Deutschland zu einem vertretbaren Preis zu erzeugen. Strom ist eine wunderbare Energieform, sie kann praktisch ohne Verlust in andere mechanische Energieformen umgewandelt werden, ganz im Gegensatz zu Kohle, Öl oder Gas. Leider hat aber Strom die unangenehme Eigenschaft, dass er nur sehr schlecht, ein anderes Wort für sehr teuer, zu speichern ist.

Wir sind es gewohnt, Strom dann zu verwenden, wenn wir ihn benötigen. Die Fabriken können nicht einfach geschlossen werden, weil gerade ein Hochdruckgebiet keinen Wind liefert und die Sonne über dem Nebel versteckt ist. Daher benötigt man Speicher unbekannter Kapazität. Alle bestehenden Pumpspeicher in Deutschland können zusammengenommen 40 GWh speichern. Das reicht für 30 Minuten Stromversorgung. Benötigt werden Speicher für sieben Tage, das ist das 280 fache der bisherigen Kapazität. Liefertermin für die Speicher: bis 2020 müssen die ersten Speicher gebaut sein, 2050 muss das Projekt abgeschlossen sein.

Lageenergiespeicher als logische Fortentwicklung

Grundprinzip des Lageenergiespeichers (Zum Vergrößern auf das Bild klicken!)

Der Lageenergiespeicher ist eine logische Fortentwicklung des Pumpspeicherkraftwerks, der mit einem Hundertstel der Fläche auskommt. Das ist ein wichtiger Punkt, da es (politisch) unmöglich ist, riesige Regionen in den Mittelgebirgen zu überfluten. Das Arbeitsprinzip des Lageenergiespeichers beruht auf einem sehr großen, Felszylinder der direkt aus dem umgebenden Gestein mit bergmännischen Techniken freigelegt wird. Gegenüber der Umgebung wird der Felszylinder wasserdicht abgedichtet. Starke, elektrisch angetriebene Pumpen pressen Wasser unter den Fels, wodurch dieser hydraulisch angehoben wird.

Fortsetzung: Lageenergiespeicher: 2.000 GWh in einem Felsblock — Berechnet man die Speicherkapazität, sieht man, dass diese zum einem von der Masse des Zylinders abhängt aber auch von der Höhe, um die der Zylinder angehoben werden kann. Ist der Zylinder genauso hoch wie sein Durchmesser, ergibt sich, dass die Kapazität mit der vierten Potenz des Zylinderradius wächst. Daher sind mit dem Lageenergiespeicher sehr große Speicherkapazitäten möglich. Noch interessanter ist aber die Tatsache, dass der Arbeitsaufwand um den Zylinder herzustellen im Wesentlichen durch die freizulegende Oberfläche bestimmt ist. Das bedeutet, die Kosten wachsen nur mit der zweiten Potenz des Zylinderradius.

Mit anderen Worten, bei entsprechend großem Zylinder, sinken die Speicherkosten praktisch gegen Null!

Diese sensationelle Eigenschaft, dass beim Lageenergiespeicher die Kosten pro kWh Speicherkapazität mit 1/r² sinken, führt dazu, dass gerade große Speicher sehr wirtschaftlich werden. Umgekehrt schließt diese Gesetzmäßigkeit kleine Speicher aus. Unterhalb von 50 Meter Radius wächst der Aufwand für das Freilegen sehr stark im Vergleich zur Kapazität und führt dann zu unwirtschaftlichen Lösungen.

2.000 GWh Kapazität bei Zylinderradius von 500 Metern

Eine genaue Rechnung zeigt, dass ein Zylinderradius von 500 m bereits zu einem Lageenergiespeicher mit 2.000 GWh Kapazität führt. Das entspricht dem gesamten Stromverbrauch von Deutschland an einem Tag! Wie bereits geschrieben, benötigt man eine Speicherkapazität von sieben Tagesladungen, das wären sieben solche Speicher über Deutschland verteilt.

Als Material für sehr große Felszylinder ist Granit optimal, diesen findet man in Deutschland an der Erdoberfläche im Schwarzwald, im Bayrischen Wald, aber auch in Thüringen oder im Harz. Daneben sollte noch eine ausreichende Wasserversorgung vorhanden sein, etwa ein Fluss wie der Rhein oder die Elbe oder ein entsprechend großer See oder Stausee. Der Wasserbedarf ist gegenüber einem Pumpspeicherkraftwerk nur ein Viertel, da das Wasser als Hydraulikmedium dient und nicht als Speichermedium wie im Pumpspeicherkraftwerk.

Abdichtung des Lageenergiespeichers (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Fortsetzung: Lageenergiespeicher: 2.000 GWh in einem Felsblock — Die Abdichtung des gesamten Felszylinders und auch der äußeren Umgebung erfolgt mit Geomembranen, das sind sehr widerstandsfähige Plastikfolien, die auch im Dammbau eingesetzt werden. Als Dichtungsring verwendet man eine Lamellendichtung mit Teflon-getränkten Kevlar-Seilen. Der Dichtungsring drückt gegen eine Oberfläche aus rostfreiem Stahl. Die Belastung der Dichtungen ist erstaunlich gering, selbst bei einem 500m großem Zylinder treten nur Drücke von 200 Bar auf, vergleichbar mit einem Kärcher Hochdruckreiniger. Da die Temperatur mit 10°C nahezu konstant ist und die Bewegungsgeschwindigkeit von einem Millimeter pro Sekunde sehr gering ist, hat die Dichtung auch eine sehr lange Lebensdauer.

Zylinder-Bau kostet zwei Milliarden Euro

Die Baukosten eines großen Zylinders mit 500 m Radius werden in der Größenordnung von zwei Milliarden Euro liegen. Da alle Gewerke des Bauwerks konventioneller Natur sind, etwa Tunnelbau, Bohrlöcher und Steinsägen, lassen sich bereits die Kosten gut abschätzen. Obwohl vielleicht zwei Milliarden Euro als viel Geld erscheinen, muss man wissen, dass ein Pumpspeicherkraftwerk mit der gleichen Kapazität 100 Milliarden Euro kosten würde.

Der nächste Schritt für die Realisierung eines Lageenergiespeichers muss sein, in einer wissenschaftlichen Machbarkeitsstudie genau alle offenen Fragen zu klären. Insbesondere muss geprüft werden, welche geologischen Voraussetzungen erforderlich sind. Weiterhin muss das Konzept zur Abdichtung auf einem Prüfstand getestet werden. Für all dies gibt es einen Forschungsantrag an dem renommierte Institute wie das KIT in Karlsruhe und das Fraunhofer Institut Umsicht mitarbeiten wollen.

Danach muss der Bau eines Prototyps in Angriff genommen werden, der vielleicht mit einem Durchmesser von 100 m bereits alle wesentlichen Eigenschaften für spätere Großsysteme hat. Dabei kann man insbesondere sehr gut untersuchen, wie der Zylinder freigelegt werden kann und wie sich die große Felsmasse unter realen Bedingungen verhält.

Videos und weiterführende Informationen gibt es im Web unter www.heindl-energy.com

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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