Methan-Pyrolyse: C-Zero sammelt Kapital für Produktion von türkisem Wasserstoff aus Erdgas

AP Ventures, Mitsubishi Heavy Industries, Enix Next und Breakthrough Energy Ventures investieren in kalifornisches Cleantech-Startup C-Zero.

Türkiser Wasserstoff aus Erdgas – was klingt, wie der verzweifelte Versuch das fossile Zeitalter zu verlängern, könnte eine hilfreiche Lösung zur Dekarbonisierung der Industrie weltweit werden. Der Fonds von Bill Gates, Breakthrough Energy Ventures, hat jetzt in ein Cleantech-Startup namens C-Zero aus Kalifornien investiert, das eine entsprechende Technologie kommerzialisieren will: Die sogenannte Methan-Pyrolyse. Was steckt dahinter?

Bislang wird Wasserstoff vor allem durch Steam-Reformierung aus Erdgas gewonnen. Dieser Prozess hat mehrere Nachteile: Einerseits muss dafür Erdgas gefördert und transportiert werden, was zu erheblichen Emissionen des Treibhausgases Methan als wichtigstem Bestandteil von Erdgas führt. Wird das Erdgas verflüssigt als LNG transportiert, entstehen in diesem Prozess zusätzliche Methan-Emissionen (siehe energate).

Andererseits werden bei der Dampfreformierung zu grauem Wasserstoff erhebliche Mengen Kohlendioxid freigesetzt: Heutzutage ungefähr zehn Tonnen Kohlendioxid pro Tonne Wasserstoff (Quelle BMBF). Auf Basis der Wasserstoff-Farbenlehre kann dieser „blau“ werden, wenn das im Prozess freigesetzte Kohlendioxid aufgefangen und gespeichert wird. Für die Gewinnung von einer Tonne grauem Wasserstoff werden etwa sechs Megawattstunden aufgewendet.

Auf Deutschland bezogen ist das jedoch ein schwieriges Unterfangen, da gesetzliche Regelungen das sogenannte CCS beinahe unmöglich machen. Auch deshalb wird über eine CO2-Pipeline von Deutschland nach Norwegen nachgedacht – denn dort gibt es die weltgrößten Aktivitäten für die Einlagerung von CO2 im Meer. In der Wasserstoffstrategie spielt blauer Wasserstoff eine kleine Nebenrolle.

Das Ziel ist klar: Grüner Wasserstoff (aus dem Ausland) muss her. Doch, so schätzt es auch das Forschungsinstitut EWI ein, kann grüner Wasserstoff aus dem Ausland nur dann kostengünstiger sein als heimischer Wasserstoff, wenn entsprechend umgerüstete Leitungen zur Verfügung stehen (EWI Studie).

Die heute beste Möglichkeit zur Gewinnung von grünem Wasserstoff ist die Wasser- oder Wasserdampf-Elektrolyse, die das Gas mithilfe von Ökostrom in seine Bestandteile zerlegt. Überall auf der Welt wird derzeit an großen Elektrolyseuren gearbeitet – hervorzuheben ist etwa das Projekt in der saudi-arabischen Stadt Neom oder ein Vorhaben in Norwegen oder etwa in Salzgitter oder Leuna in Mitteldeutschland.

Die Schwierigkeit bei der Skalierung dieser unterschiedlichen Elektrolyse-Technologien (PEM, Alkali, Hochtemperatur SOEC) liegen derzeit im unterschiedlichen Reifegrad und dem hohen Ênergieverbrauch. Die Hochtemperatur-Wasserdampf-Elektrolyse bietet hier die höchsten Effizienzgrade – es ist die jüngste der drei Elektrolyse-Technologien.

Im Vergleich zur Dampfreformierung ist das Verfahren teurer, weil deutlich mehr Erneuerbare Energie benötigt wird (55 Megawattstunden Energie pro Tonne Wasserstoff). Der Einsatz macht vor allem dort Sinn, wo Prozessabwärme etwa aus Industrieprozessen zur fortlaufenden Wasserdampf-Produktion genutzt werden kann – und dort, wo – wie in Norwegen – rund um die Uhr günstig Erneuerbare Energie zur Verfügung steht.

Methan-Pyrolyse rückt in den Fokus

Mit der Finanzierungsrunde des kalifornischen Cleantech-Startups C-Zero über 11,5 Millionen US-Dollar durch AP Ventures und Breakthrough Energy Ventures gerät eine andere Technologie zur Wasserstoffgewinnung in den Fokus: Die sogenannte Methan-Pyrolyse. Auch dieses Verfahren setzt auf Erdgas bzw. Methan als Basis-Rohstoff, sorgt aber prozessbedingt dafür, dass keine CO2-Emissionen freigesetzt werden.

Neben C-Zero arbeiten beispielsweise auch der deutsche Chemiekonzern BASF (über die Tochter Wintershall), das Cleantech-Startup Monolith Materials, die australische Hazer Group oder das Karlsruhe Institut für Technologie an Methan-Pyrolyse-Technologien. Laut BASF ist der Energiebedarf in diesem Verfahren deutlich geringer im Vergleich zu Elektrolysen: Pro Tonne Wasserstoff werden 10 Megawattstunden elektrische Energie benötigt.

Gemessen am Stand der Elektrolyse-Technologien, die mittlerweile im Megawatt-Maßstab gebaut werden, steht C-Zero ganz am Anfang seiner Geschichte. Derzeit verfügt das Cleantech-Unternehmen über eine Pilotanlage, in der 10 Kilogramm Wasserstoff am Tag erzeugt werden. Mit dem frischen Kapital der Investoren soll eine um den Faktor 10 größere Demonstrationsanlage folgen. Das Ziel der ersten, kommerziellen Anlage sind 1.000 Kilogramm Wasserstoffproduktion pro Tag (vgl. Präsentation von 2018).

Durch die Umwandlung von Erdgas in sauberen Wasserstoff, ein Molekül mit enormem Potenzial, hoffen wir, die Brücke zwischen der bestehenden Erdgasinfrastruktur und einer kohlenstoffarmen Zukunft zu sein.

Zach Jones, CEO von C-Zero

Beim Verfahren der Methan-Pyrolyse wird CH4, also Methan, von unten in einen Zylinder gebracht, der beispielsweise mit flüssigem Zinn (BASF) oder flüssigen Salzen (C-Zero) bei einer Temperatur von jeweils 1.000 Grad Celsius gefüllt ist. Durch das Erhitzen des Methans bilden sich Blasen, an denen sich eine Kohlenstoffkruste bildet. Im Inneren sammelt sich zudem Wasserstoff.

C-Zero Methan-Pyrolyse: sechs Tonnen Wasserstoff pro Tag. (Quelle: Unternehmen)

Die Blasen steigen auf und platzen, wenn sie oben angekommen sind. Anschließend wird der Wasserstoff aufgefangen und der feste Kohlenstoff, in dem das CO2 gebunden ist, das bei der Dampfreformierung freigesetzt wird, abgeschöpft. Dieser feste Kohlenstoff kann vielfältig genutzt werden: etwa im Betonbau (Reduzierung des Stahlanteils), dem Straßenbau oder der Kunststoffindustrie.

Methanlecks reduzieren

Die Methan-Pyrolse zu türkisem Wasserstoff (als Mischung aus blauem und grünem) gilt als CO2-frei, was für die Erreichung der Klimaziele vorteilhaft ist im Vergleich zum Steam Reforming. Allerdings schadet Erdgas nicht nur bei der Verbrennung der Umwelt, sondern auch bei Gewinnung (Schiefergas, Fracking) und dem Transport durch Leitungslecks. In der Atmosphäre richtet Methan aber deutlich mehr Schaden an als Kohlendioxid.

C-Zero sieht es daher als einen der entscheidenden Vorteile der eigenen Technologie an, dass diese direkt am Bohrlochkopf eingesetzt werden kann, so dass das Entweichen von Methan deutlich reduziert werden kann. Aber: Die entsprechenden Pipelines zum Erdgas-Transport sind heute in aller Regel nicht dafür ausgelegt, 100 Prozent Wasserstoff zu transportieren – hier ergeben sich auf Infrastruktur-Seite zusätzliche Investitionen, die den Preisvorteil gegenüber der Hochtemperatur-Elektrolyse relativieren.

Türkiser Wasserstoff als Teil der H2-Strategie?

In einem Artikel in DIE WELT plädiert der Sozialdemokrat und Publizist Nils Heisterhagen dafür, auch die Option türkiser Wasserstoff im Rahmen der H2-Strategie zu berücksichtigen. „Konsens großer Studien scheint zu sein: Grüner Wasserstoff ist noch sehr lange nicht wettbewerbsfähig“, schreibt Heisterhagen. Heute lägen die Preise bei etwa sechs Euro (grün) im Vergleich zu 3 Euro bei Dampfreformierung (grau).

„Weniger Strom, weniger Stromkosten bei der Produktion von Wasserstoff. Methan ist schlicht sehr viel leichter zu spalten als Wasserstoff. Das spricht für das Verfahren mit Erdgas als Fundament. Und damit für türkisen Wasserstoff“, so Heisterhagen. Der Haken sei lediglich, dass es noch etwa fünf Jahre dauern werde, bis die Methan-Pyrolyse großskalig einsetzbar sei. „Mit etwas politischem Willen wäre es vielleicht schneller denkbar.“

Warum Eni und MSI auf C-Zero setzen

Neben den auf Energie- und Klimathemen spezialisierten Fonds Breakthrough Energy Ventures und AP Ventures haben auch zwei Energiekonzerne in C-Zero investiert. Mitsubishi Heavy Industries entwickelt Wasserstoffturbinen, die künftig immer dann für Energieversorgung sorgen können, wenn Solar oder Wind zu wenig Kraft haben.

Außerdem arbeitet das Unternehmen daran, existierende Kohlekraftwerke auf eine Kombination aus Erdgas und Wasserstoff umzustellen. Auch hier kann die Methan-Pyrolyse eine wichtige Rolle spielen.

Übergangslösung oder Perspektive mit Biogas?

Derzeit betrachtet auch C-Zero seine Technologie als Übergangslösung, bis der Ausstieg aus Erdgas geglückt ist. Allerdings gibt es eine Hintertür dafür, dass die Lösung auch in 100 Jahren noch einsatzfähig sein könnte: Wenn statt Erdgas Biogas etwa aus Abfällen verwendet würde. Dann könnte aus der Übergangslösung eine Perspektive werden.

Laut einer Aussage bei Greentechmedia strebt C-Zero einen Preis von 1,50 Dollar pro Kilogramm – günstiger als Steam-Reforming und CO2-Filterung. Man sehe sich als Brücke von der heutigen Nutzung von Erdgas in eine Zukunft mit niedrigen Emissionen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob das Kalkül aufgeht.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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