Netzausbau: TenneT im Kreuzfeuer der Kritik – zu Recht?

Die Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW haben die Ergebnisse der öffentlichen Konsultationen in den Netzentwicklungsplan 2012 integriert und den neuerlichen Entwurf an die Bundesnetzagentur übergeben. Mehrere Veränderungen der erstmaligen Einbeziehung der breiten Öffentlichkeit wurden eingearbeitet: U.a. wurden Startnetz und Ergebnisnetz stärker voneinander abgegrenzt und die Kennzahlen angepasst. Auf das Gesamtvolumen hatte dies jedoch keinen Einfluss – dennoch oder vielleicht gerade deshalb, werten die Übertragungsnetzbetreiber das neue Verfahren als Erfolg.
Cleantech, Netzausbau News / Berlin.Für 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW ist die aktuelle Debatte über die Netzanbindung der Offshore-Windparks beispielsweise eine ungewohnte Situation: Bislang trat etwa TenneT abseits der Wirtschaftsmedien kaum in Erscheinung. Seit das Handelsblatt aber kürzlich berichtete, die Bundesregierung wolle TenneT das Vertrauen entziehen und die Versicherungskonzerne Munich Re und Allianz zur Übernahme der TenneT-Netze bewegen, ist der öffentliche Druck auf das niederländische Unternehmen kontinuierlich gewachsen.
TenneT im Kreuzfeuer der Kritik
Doch der Netzbetreiber setzt sich allmählich zur Wehr: Der Netzbetreiber übernahm 2010 die Höchstspannungsnetze des Energiekonzerns E.ON und muss genehmigte Windparks in der Nordsee innerhalb von 30 Monaten ans Netz anschließen. Dass dies nicht ansatzweise gelingt – in der öffentlichen Debatte wird hierbei stets angeführt, TenneT könne die Investitionskosten von 15 Milliarden Euro nicht aufbringen. Oder andersrum gedacht: der niederländische Staat, denn TenneT ist ein staatliches Unternehmen aus unserem Nachbarland, will das Geld nicht in die deutsche Energiewende investieren.
Angeblicher Grund: Zum Zeitpunkt des Kaufs des Stromnetzes, sei der massive Offshore-Ausbau nicht klar gewesen, behauptet TenneT in der FTD. Indes: Insider berichten, TenneT habe von den geforderten Investitionen gewusst. Eine staatliche Intervention misslingt derzeit: In den Niederlanden herrscht Wahlkampf.
Lange Lieferzeiten von ABB und Siemens
Ein anderer Aspekt kommt hierbei jedoch stets zur kurz. Ein Aspekt, den Alexander Hartman, Geschäftsführer der TenneT TSO GmbH, nun öffentlich thematisierte: Hartman schiebt die Verzögerungen auch auf die Zulieferer, die die Stromleitungen produzieren. Die Weltkonzerne ABB oder Siemens hätten teilweise Lieferzeiten von 50 Monaten, so Hartman. Die Zeitpläne sind demnach – abseits jeglicher Finanzierungsproblematik – nicht einzuhalten. Dennoch wird TenneT öffentlich als „Sündenbock“ hingestellt – ist ja auch ein Leichtes, weil es sich um ein niederländisches Unternehmen handelt.
Aber die Kritik an TenneT kommt nicht nur aus der Politik, sondern auch von einstmals engen Verbündeten: Jetzt hat der Projektierer von Offshore-Windparks, Windreich, ein Missbrauchsverfahren gegen TenneT eingeleitet. TenneT kooperiere nicht, zitiert die FTD Windreich-Chef Willi Balz. Balz möchte seinen Windpark Deutsche Bucht in der Nordsee gern an ein Kabel anschließen, das Tennet schon für den Nachbarwindpark Veja Mate verlegt hat, statt noch Jahre auf ein neues zu warten. Denn Veja Mate geht frühestens 2017 ans Netz, Deutsche Bucht könnte es schon 2015 schaffen. Doch zwischen Windreich und TenneT herrscht kommunikative Funkstille.
Doch so einfach, wie die Bundesregierung den Plan B mit Allianz und Munich Re andeutet, wird das Ganze nicht werden: Aus rechtlicher Sicht gelten die beiden Konzerne als „Stromerzeuger“ – Stromerzeugung und Netzübertragung sind in Deutschland aber voneinander getrennt. Fraglich, ob ein großes Engagement der beiden Versicherungskonzerne, zumindest ein direktes Engagement, überhaupt möglich wird. Neue Szenarien werden gebraucht – realistische Szenarien, zumal TenneT betont, man wolle sein deutsches Stromnetz gar nicht verkaufen.
Öffentliche Akzeptanz für den Netzausbau
Für die Übertragungsnetzbetreiber ist öffentliche Akzeptanz für den Netzausbau zu einem entscheidenden Kriterium geworden. Wenn Bevölkerung und Politik die Ausbaupläne torpedieren, ist das Geschäftsmodell der vier Dienstleister in Frage gestellt. Umso bedeutender ist, dass sie sich für die öffentliche Debatte über den Netzentwicklungsplan geöffnet haben. Dies sei nur ein erster Schritt zur frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit, heißt es. Dieser erste Schritt schaffe Transparenz in Hinblick auf getroffene Annahmen zur Erzeugungs- und Verbrauchsstruktur, den verwendeten Berechnungsmethoden und dem sich daraus ergebenden Netzausbaubedarf.
Die Netzbetreiber begrüßen den daraus resultierenden öffentlichen Dialog, weil er der nächste von vielen Schritten auf dem Weg zu einer steigenden Akzeptanz sei. Daher unterstützen sie diesen Prozess mit transparenten Methoden zur Darstellung, Vorgehensweise und Begründung der einzelnen Maßnahmen. Er kann nur mit Unterstützung der Politik, sowohl auf Bundesebene als auch regional und lokal, bewältigt werden. Dies bedeutet vor allem einen breiten politischen Konsens über das „Ob“ und das „Wie“ des Netzausbaus. Es verlangt auch schnelle und transparente Genehmigungsprozesse, denn diese erhöhen die Überschaubarkeit des jeweiligen Prozesses und fördern dadurch Akzeptanz.
Für die Übertragungsnetzbetreiber folgt aus den Erfahrungen dieses Konsultationsprozesses, dass sich die Prozedur der regelmäßigen Erstellung des NEP erst einspielen muss. So mussten bei diesem ersten Mal verschiedene Themen berücksichtigt und festgelegt werden, die in den folgenden Jahren routinemäßig abgearbeitet werden können. Gleichzeitig hat der erste NEP gezeigt, dass mit Ansatz und Methodik einer frühzeitigen und umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung der richtige Weg eingeschlagen wurde, um die Energiewende mit einem erfolgreichen Netzausbau begleiten zu können.
Der Artikel : Netzausbau im Kreuzfeuer der Kritik von M Jendrischek ist wirklich vom 13.9.2019?
Nein, der Artikel ist vom 15. August 2012.
Viele Grüße, Martin Jendrischik