NordLink: Ökostrom-Autobahn von Deutschland nach Norwegen für die europäische Energiewende

Das NordLink genannte „grüne Stromkabel“ ist ein bedeutender Baustein der europäischen Energiewende. Es verbindet die Strommärkte Deutschlands und Norwegens miteinander. Aus deutscher Sicht sorgt die Trasse dafür, dass Windenergieanlagen im Norden seltener abgeregelt werden müssen. Norwegen profitiert vom Stromhandel, dient mit seinen Wasserkraftwerken als „Batterie Europas“. Insgesamt wird die Versorgungssicherheit durch die Stromautobahn von Norwegen nach Deutschland in beiden Ländern verbessert.

Wie funktioniert Nordlink? Der NordLink-Mechanismus, der das Projekt zum Win-Win-Stromkabel für beide Seiten macht, ist einfach: In erster Linie, soll die Leitung Schwankungen der Stromerzeugung durch Windenergie im Norden Deutschlands abfedern. Gibt es überschüssigen Strom aus Windenergie, wird er nach Norwegen übertragen – dort kann er direkt verbraucht werden. In diesen Momenten können die bestehenden Wasserkraftwerke abgeschaltet, und das Wasser für spätere Zeitpunkte aufgespart werden.

Die Entscheidung, in welche Richtung Ökostrom transportiert wird, hängt eng mit den aktuellen Preisen zusammen: Sind die Börsenstrompreise in Deutschland wegen niedrigem Angebot hoch, fließt Strom aus Norwegen nach Deutschland. Sind sie niedrig oder rutschen sogar ins Negative, wird Strom nach Norwegen geleitet.

Es ist zu erwarten, dass sich die Verbesserung der Versorgungssicherheit durch die neue Stromautobahn positiv auf die Energiepreise auf beiden Seiten auswirken wird. In Norwegen profitiert der Staatshaushalt direkt vom Stromhandel mit Deutschland. Hierzulande wiederum werden die Netzentgelte reduziert, wenn zusätzliche Einnahmen generiert werden. Da die bezahlte Abregelung von Windkraftanlagen in Norddeutschland seltener wird, ist von Zusatzeinnahmen auszugehen.

Da es in Norwegen reichlich Diskussionen um den Ausbau der Windenergie gibt, ist die NordLink Stromtrasse eine sehr gute Möglichkeit, mehr Windstrom zu verwenden, ohne eigene Anlagen errichten zu müssen. Umgekehrt ist der Zweck anders: Hat Deutschland Strombedarf, kann dieser aus norwegischen Wasserkraftwerken gedeckt werden. Das nordeuropäische Land deckt seinen Energiebedarf zu 97 Prozent mit Wasserkraft – und verfügt über mehrere Speicherseen. Diese dienen dann in diesem Fall als virtuelle Batterie.

Gewaltiges Potenzial norwegischer Wasserkraft

Norwegen ist eine Region mit reichlich Regen – dementsprechend ist das Potenzial für Wasserkraft in Norwegen sehr günstig. Norwegen profitiert von steilen Fjordwänden und Seen in den Hochebenen darüber, die quasi menschenleer sind. Sind die Wasserreservoirs vollständig gefüllt, können sie in der Theorie bis zu 82 Terawattstunden Strom liefern. Zum Vergleich: Der deutsche Bruttostromverbrauch lag 2020 bei 544 Terawattstunden.

Aufgrund der Streckenlänge wird zur Stromübertragung durch die beiden Kabel (Plus- und Minuspol), die mit Konverterstationen an jedem Ende verbunden sind, Gleichstrom verwendet. Gleichstrom bietet sich vor allem bei langen Entfernungen und für große Übertragungsleistungen an.

NOKA und Statnett kooperieren

NordLink ist ein Stromautobahn-Projekt vom norwegischen Unternehmen Statnett und der deutschen DC Nordseekabel GmbH & Co. KG aus Arnhem. Es liefert Strom aus Norwegen nach Deutschland – und umgekehrt. Die kurz NOKA genannte Gesellschaft wird vom Übertragungsnetzbetreiber TenneT und der KfW-Bank zu gleichen Teilen finanziert. Die Verbindung führt durch die Nordsee und verbindet die Stromnetze Norwegens und Deutschlands miteinander. Die Kosten für NordLink liegen bei zwei Milliarden Euro.

Über Stromkabel übertragen wird Gleichstrom, um Verluste auf der 623 Kilometer langen Strecke zu minimieren. Dabei handelt es sich um eine bipolare Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung zwischen ±450 und ±525 Kilovolt. Je nach Bedarf kann Ökostrom aus Norwegen importiert oder Windstrom aus Deutschland exportiert werden. Die Umstellung der Richtung des Stromflusses dauert etwa eine Stunde.

Das Seekabel zwischen Deutschland und Norwegen liegt auf dem norwegischen, dänischen sowie deutschen Festlandsockel in der östlichen Nordsee.

Konverterstation bei Wilster (Bilder: TenneT)

Konverterstationen: Wechsel- wird zu Gleichstrom

Da sowohl in Deutschland als auch in Norwegen Wechselstrom Standard ist, hat ABB („Energieallianz über die Nordsee“) auf beiden Seiten – in Nortorf bei Wilster und in Tonstad – entsprechende Konverterstationen für das „grüne Kabel“ genannte NordLink errichtet. Beide Umspannwerke dienen als Netzverknüpfungspunkte. Die Größe der Einrichtung zur Wandlung von Gleichstrom und Wechselstrom ist gewaltig und erstreckt sich über 16 Fußballfelder.

Das deutsche Seekabel endet in Büsum. Von dort wird die Leitung nach Nortorf (Wilstermarsch) als Erdkabel über 54 Kilometer Länge fortgeführt. Das Erdkabel unterquert den Nord-Ostsee-Kanal.

Zahlreiche Industriepartner beteiligt

Neben Statnett und NOKA sind zahlreiche weitere Industriepartner am Bau der Stromautobahn zwischen Deutschland und Norwegen beteiligt. Hier gibt es die wichtigsten NordLink-Partner im Überblick:

  • Statnett: Norwegischer Netzbetreiber
  • TenneT: Deutscher Netzbetreiber und Anteilseigner NOKA
  • KfW-Bank: Anteilseigner NOKA
  • Nexans: Kabelproduzent und zuständig für die Kabelverlegung auf norwegischer Seite
  • NKT: Deutscher Kabelhersteller – übernahm die Kabelsparte von ABB für 840 Millionen Euro, einschließlich des Auftrags zur Verlegung des Seekabels auf deutscher Seite
  • ABB: Energiekonzern errichtet u.a. die Konverterstationen in Nortorf bei Wilder sowie in Tonstad
  • Mai 2011: Antrag zum Bau und Betrieb des Kabels auf dem Gebiet der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ)
  • Juli 2014: Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt vom schleswig-holsteinischen Wilster zur Grenze der deutschen Hoheitsgewässer
  • Oktober 2014: Genehmigung zur Verlegen in der ASW durch das BSH
  • Oktober 2014: Vergabe der Lizenz durch die norwegische Genehmigungsbehörde
  • Februar 2015: Investitionsentscheidung und Beauftragung von ABB (Konverterstation / Kabelverlegung) und Nexans Norway (Kabelverlegung Norwegen, Dänemark)
  • September 2016: Offizieller Baubeginn
  • Oktober 2017: Richtfest an der Konverterstation bei Wilster.
  • Dezember 2017: Installation von sieben Transformatoren in Tonstad – jeweils 225 Tonnen schwer
  • September 2020: Erste Tests zeigen, dass die Stromübertragung funktioniert
  • Dezember 2020: Start des Probebetriebes
  • 27. Mai 2021: Offizielle Inbetriebnahme der Stromverbindung

Rahmendaten des Energiewende-Projekts

  • Gesamtlänge: 623 Kilometer
  • Länge des Seekabels: 516 Kilometer
  • Kapazität des Stromkabels: 1,4 Gigawatt (rechnerisch ausreichend für 3,6 Millionen deutsche oder 600.000 norwegische Haushalte
  • Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Technik (HGÜ) mit bipolarer Betriebsspannung (±450 Kilovolt bis ±525 Kilovolt)
  • Das Stromkabel wiegt 35 bis 50 Kilogramm pro Meter

Weitere Seekabel im europäischen Stromnetz

Um die europäische Energiewende zu realisieren, sind weitere Projekte geplant oder umgesetzt. Ein weiterer Interkonnektor zwischen Norwegen und Deutschland ist das Projekt NorGer. Mit NorNed gibt es schon seit 2008 ein HGÜ-Seekabel von Norwegen nach Eemshaven in die Niederlande. Weitere Verbindungen nach Großbritannien sind im Bau. Bislang wurden die Seekabel im Verhältnis 80:20 genutzt – also in erster Linie zum Export norwegischer Wasserkraft in andere Regionen Europas.

Gibt es weitere Interkonnektoren wie NordLink von Norwegen ins restliche Europa? Ja. Statnett kümmert sich um Interkonnektoren von Norwegen mit den Niederlanden – bekannt als NordNed sowie vier weiteren zwischen Norwegen und Dänemark (SK1-4). Für Norwegen, aber auch die anderen Länder, ist dieser Austausch elektrischer, erneuerbarer Energie essentiell.

Gerade auch vor dem Hintergrund, dass bis 2030 die Kohleverstromung in Europa enden dürfte, weil der Emissionshandel mit hohem CO2-Preis von bis zu 200 Euro pro Tonne (Deckel) zuschlagen wird (vgl. Kohleausstieg in Deutschland). Wichtig dabei ist aber stets: Das Verschieben der Energie folgt in beide Richtungen – und ist für beide jeweils beteiligten Länder von Vorteil.

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Dieser Artikel entstand im Jahr 2021 – letzte Aktualisierung am 25. März 2024.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.