Notfallkraftwerk Leipheim: Siemens Energy baut digital steuerbares netztechnisches Betriebsmittel

Beauftragt wurde das Notfallkraftwerk vom Energieversorger LEAG auf Anforderung des Übertragungsnetzbetreibers Amprion.

Für Flexibilität und Versorgungssicherheit: Siemens Energy baut in Leipheim im südwestlichen Bayern ein Notfallkraftwerk, das rein digital vom Siemens-Standort in Erlangen gesteuert werden kann. Es ist das Erste seiner Art, das aus der Ferne betrieben wird. Der Bau des Gaskraftwerks, das ein sogenanntes „besonderes netztechnisches Betriebsmittel“ wird, ist vom ostdeutschen Energieunternehmen LEAG beauftragt worden. Das künftige Notfallkraftwerk soll auf Anforderung des Übertragungsnetzbetreibers Amprion in Notfallsituationen die Netzstabilität sicherstellen. Das soll zur Versorgungssicherheit im gesamten süddeutschen Raum beitragen.

Bayern ist zunehmend auf Stromimporte aus anderen Bundesländern bzw. dem europäischen Verbundnetz angewiesen. Doch die Trassen von der Nordsee oder aus ostdeutschen Windregionen Richtung Süddeutschland sind nicht fertig. Ergebnis: Schon im Jahr 2019 musste Bayern 10,8 Terawattstunden seines Strombedarfs importieren – das entspricht 12,5 Prozent. Eine Zahl für 2020 liegt noch nicht vor.

Doch klar ist: Angesichts des komplett stockendenden Ausbaus der Windkraft in Bayern und des Atomausstiegs werden die Stromimporte in den kommenden Jahren zunehmen. Ende 2021 geht das AKW Gundremmingen in Günzburg vom Netz, Ende 2022 dann Isar 2 in der Nähe von Landshut. So gehen weitere 22 Terawattstunden elektrischer Energieerzeugung vor Ort verloren. Die Situation wird dadurch verschärft, dass der elektrische Gesamtverbrauch von heute 85 bis 86 Terawattstunden durch Wärmepumpen, Elektroautos und ggf. Produktion von Wasserstoff zusätzlich zunehmen wird.

Umso bedeutsamer ist angesichts dieser Lage die Planung von Siemens Energy für ein sogenanntes „besonderes netztechnisches Betriebsmittel“ (bnBm), das in Leipheim im Auftrag der LEAG und auf Anforderung des Übertragungsnetzbetreibers Amprion entstehen soll. Diese künftige Netzstabilitätsanlage ist ein Gaskraftwerk, das dem freien Strommarkt laut Energiewirtschaftsgesetz nicht zur Verfügung steht. Das bnBm Leipheim kann jederzeit innerhalb von maximal 30 Minuten eine elektrische Leistung von bis zu 300 Megawatt bereitstellen können.

Siemens Energy und LEAG steuern Notfallkraftwerk

Das Notfallkraftwerk Leipheim soll also dann einspringen, wenn Betriebsmittel im Netz wie beispielsweise Leitungen ausfallen. Gesteuert wird das Kraftwerk von Siemens Energy zusammen mit der LEAG. Dafür gibt es ein sogenanntes O&M Support Center (ROMSC) in Erlangen. Die Anlage ist damit eine der ersten weltweit, die rein digital aus der Ferne betrieben wird.

Der Lieferumfang von Siemens Energy umfasst neben der schlüsselfertigen Errichtung und dem O&M-Vertrag eine Gasturbine vom Typ SGT5-4000F, einen SGen-2000P-Generator sowie das Leittechniksystem SPPA-T3000. Hinzu kommt ein System zur Kühlung der Ansaugluft und ein System zur Eindüsung von vollentsalztem Wasser in die Gasturbine. Diese Systeme stellen sicher, dass die Anlage auch an heißen Tagen in maximal 30 Minuten bis zu 300 Megawatt erzeugen kann. 

„Das Gaskraftwerk Leipheim ist ein wichtiger Baustein für die Energiewende in der Stromerzeugung“, sagte Karim Amin, Executive Vice President Generation bei Siemens Energy. „Wir freuen uns sehr über die erfolgreiche Projektentwicklung vom Notfallkraftwerk Leipheim und dass wir dazu beitragen können, die Versorgungssicherheit in Deutschland zu verbessern.“ 

Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm und STEAG beteiligt

Das Energieunternehmen hat das Projekt gemeinsam mit den Stadtwerken Ulm/Neu-Ulm und der STEAG erfolgreich entwickelt. Die für die Errichtung und Betrieb der Anlage benötigte Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) liegt vor. Im Februar 2021 wurde die Projektgesellschaft Gaskraftwerk Leipheim GmbH & Co. KG (GKL) an das Energieunternehmen LEAG übertragen und im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens der Zuschlag für die Errichtung des Gaskraftwerks am Standort Leipheim von Amprion an die GKL erteilt. 

„Mit dieser Investition übernehmen wir als erfahrener Kraftwerksbetreiber auch im Süden Deutschlands Verantwortung für eine sichere Energieversorgung“, sagte Hubertus Altmann, LEAG-Vorstand Kraftwerke. „Wie auch die beiden bereits von der LEAG betriebenen Gasturbinenkraftwerke Thyrow und Ahrensfelde bei Berlin wird das Gaskraftwerk Leipheim nach seiner Fertigstellung der Netzstabilisierung dienen. Für den stabilen Netzbetrieb und damit für das Gelingen der Energiewende sind derartige Anlagen dringend erforderlich.“

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Das ROMSC hat die ISO-Zertifizierung 27001 erlangt und ist in der Lage, Kraftwerke aus der Ferne zu betreiben. Dies ermöglicht den Betrieb der Anlage mit einer zweiköpfigen Tagesschicht vor Ort, während die Steuerung und die Überwachung von Erlangen aus erfolgen. Moderne Softwarelösungen mit Spracherkennung, künstlicher Intelligenz und Augmented Reality-Funktionen unterstützten dabei. Diese Kombination aus Onsite- und Remote-Spezialisten garantiert, dass das Kraftwerk rund um die Uhr verfügbar ist.

Um die Erzeugungsproblematik in Bayerns Energieversorgung zu lösen, genügt dieses Notfallkraftwerk natürlich nicht. Es ist aber ein gutes Signal, dass nun flexible Gaskraftwerke offenbar wieder wirtschaftlich betrieben werden können. Zudem gibt es einen Trend, die Zahl der Batteriespeicher in Bayern rasch auszubauen – damit könnte dann zumindest mehr Überschussstrom, der vielleicht sonst in einen Pumpspeicher nach Österreich gehen würde, zwischengespeichert werden.

Am raschen Ausbau der Windenergie sowie der Photovoltaik führt in Bayern aber kein Weg vorbei – die CSU wird, je näher die AKW-Abschaltungen rücken – ihre Blockadehaltung aufgeben müssen. An entsprechenden Forderungen war zuletzt sogar der Koalitionspartner Freie Wähler gescheitert.

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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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