Ist Olivin-Sand ein entscheidender Klimakrisen-Impfstoff?

Gemeinnütziges Projekt Vesta mit Crowdfunding für Pilotprojekt mit Olivin-Sand an karibischem Strand.

Im Mai 2020 berichtete Cleanthinking.de zum ersten Mal über das Non-Profit-Vorhaben Vesta, das durch Beschleunigung natürlicher Prozesse eine Art Impfstoff zur Bekämpfung der Klimakrise sein könnte. Jetzt gibt es Fortschritte zu vermelden: Die Organisation hat ein Crowdfunding gestartet, um ein erstes Pilotprojekt zu starten, dass die im Labor erreichten Effekte auch in der realen Welt nachweisen soll. Das Potenzial ist gewaltig: Die jährlichen, vom Menschen verursachten CO2-Emissionen könnten mithilfe von Olivin-Sand im Meer versenkt werden.

Für das Vesta-Demonstrationsprojekt sucht das Wissenschaftler-Team um Francesc Montserrat (Meeresbiologe), Shanee Stopnitzsky (Meeresökologin), Pol Knops (Physiker), das sechsköpfige Projektteam sowie aus der niederländischen Forschungseinrichtung Deltares im ersten Schritt 2,5 Millionen US-Dollar über ein Crowdfunding auf der eigenen Webseite. Mehr als ein Viertel, fast 400.000 US-Dollar, haben die Forscher schon eingeworben.

Mineralische Verwitterung: Der natürliche Prozess

Die sogenannte mineralische Verwitterung ist ein natürlicher Prozess, den der Planet durchführt, um CO2 wiederverwertbar zu machen – allerdings in geologischen Zeitskalen. Dabei löst das im Regenwasser als Kohlensäure gebundene Kohlendioxid Gesteine und Mineralien auf – insbesondere die, die einen besonders großen Anteil Silikat, Kalzium und Magnesium enthalten. Hierzu zählt das vom Vesta-Team ausgewählte Mineral Olivin.#

Bei den folgenden Prozessen entstehen Bikarbonat und andere Verbindungen, die in die Ozeane sickern, wo sie von Meeresorganismen verdaut und in das stabile, feste Kalziumkarbonat umgewandelt werden. Letztlich entstehen daraus Schalen und Skelette der Meeresorganismen.

Im Meer werden durch chemische Reaktionen Wasserstoff und Sauerstoff freigesetzt, um mehr Kohlendioxid aus der Luft zu ziehen. Sterben Korallen und Mollusken, setzen sich ihre Überreste am Meeresboden ab und bilden Schichten aus Kalkstein und ähnlichen Gesteinsarten. Der Kohlenstoff bleibt dort für Millionen bis Hunderte von Millionen von Jahren eingeschlossen, bis er durch vulkanische Aktivität wieder freigesetzt wird.

Dieser natürliche Mechanismus zieht jährlich mindestens eine halbe Milliarde Tonnen Kohlendioxid ab. Die vom Menschen verursachten CO2-Emissionen sind aber 35-mal höher. Um also einen echten Impact für die Bekämpfung der Klimakrise zu haben, muss der natürliche Prozess radikal beschleunigt und ausgeweitet werden.

Vesta will Nachweis unter realen Bedingungen

Gelingt der Nachweis, dass signifikant CO2 durch die Methode gespeichert wird, und sich keine Nachteile im Meer ergeben, dürfte es in Stufen zur Skalierung der Lösung kommen. Das wird nicht günstig, aber günstiger als viele andere, vergleichbare Methoden: Etwa Bäume pflanzen oder das CO2 mit Maschinen aus der Umgebungsluft holen und – wie in Island demonstriert – unter der Erde speichern.

Bei großer Skalierung, so die Initiatoren des Vesta-Projekts, könnte es 10 Dollar pro Tonne gespeichertes Kohlendioxid kosten – zum Vergleich: Climeworks und Carbon Engineering arbeiten mit Direct Air Capture-Verfahren auf Kosten von 100 Dollar pro gespeicherte Tonne Kohlendioxid hin. Auch deren Verfahren wird die Menschheit zweifelsohne brauchen – aber nicht als alleine Antwort auf die Notwendigkeit, negative Emissionen zu erreichen.

Im Video beschreiben die Forscher das Potenzial ihres Vorhabens: Würde man nur zwei Prozent der sogenannten Schelfmeere, also der Küstengebiete entlang der Kontinente in Äquator-Nähe, mit Olivin-Sand überziehen, könnten die jährlichen CO2-Emissionen, die der Mensch verursacht, ausgeglichen werden.

Wie das Vesta-Vorhaben mit Olivin-Sand funktioniert.

Ein Bericht der National Academies berechnete vergangenes Jahr ein theoretisches Potenzial für die „Verstärkte mineralische Verwitterung“ von mehreren Hundert Billionen Tonnen Kohlendioxid. Die Vision von Vesta ist es, eine Billion Tonnen CO2 der Atmosphäre zu entziehen – also quasi als Gestein im Meer zu versenken.

Lassen sich die natürlichen Prozesse gefahrlos beschleunigen?

Dennoch müssen im Pilotprojekt zunächst entscheidende Fragen geklärt werden: In der Wissenschaft herrscht Uneinigkeit darüber, wie sehr die natürlichen Prozesse, u.a. der Gesteinsverwitterung, wirklich beschleunigt werden können. Vesta plant, auf die Größe von Sandpartikeln zermahlenes grünes Olivin-Gestein an besonders geeigneten Stränden zu verstreuen.

Dazu stellt sich die Frage, wo Olivin abgebaut und zermahlen werden könnte. Unklar ist, welche Emissionen hierdurch verursacht werden, weil etwa der Energiebedarf nicht bekannt ist. Wie werden die Menschen auf grüne Strände vor der eigenen Haustür reagieren – werden sie zu einem Magnet für Menschen oder zu Widerständen führen?

Tropische Strände mit hoher Wellenaktivität

Besonders geeignet sind tropische Strände mit besonders viel Wellenaktivität. Denn die Kraft der Wellen soll dafür sorgen, dass der grüne Olivin-Sand weiter zerkleinert wird, um chemische Reaktionen zu beschleunigen. Dabei wird das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Luft gezogen und in Schalen und Skeletten etwa von Korallen und Weichtieren (Molluske) „gespeichert“. Im Idealfall entsteht daraus letztlich Kalkstein bzw. Edelstein, der sich am Meeresboden ablagert und das Kohlendioxid sicher bindet.

Auf Basis von Kohlendioxid und Olivin-Sand laufen chemische Prozesse ab – bis hin zur Entstehung von Edelsteinen.

Folgen für Ökosysteme werden untersucht

In der Theorie kann das Einbringen des zusätzlichen Olivin-Sands in die Meere auch deren Versauerung reduzieren. Das wäre ein wichtiger, positiver Effekt des Vesta-Projekts. Forscher vom Alfred-Wegener-Institut warnen allerdings vor unbekannten Folgen bei beschleunigter Verwitterung des Minerals durch höhere pH-Werte in Flüssen und mögliche Folgen für Ökosysteme.

Bei allen offenen Fragen rund um das Vesta-Projekt mit Olivin-Sand: Die Forscher gehen keineswegs blauäugig an das Vorhaben heran. Ihr Ansatz basiert auf Forschungsarbeit der letzten 30 Jahre. So wurde beispielsweise herausgefunden, welche Orte sich besonders gut eignen, und dass das Mineral Olivin das beste Mineral für den Prozess ist.

Vesta-Projektbeginn bis Ende des Jahres

Bei Vesta hoffen die Wissenschaftler, bis Ende des Jahres mit dem eigentlichen Experiment beginnen zu können. Die Auswahl von zwei Stränden ist bereits erfolgt. Dort soll an einem Strand exakt beobachtet werden, wie schnell der Olivin-Sand zerfällt und weggespült wird. Daneben wird auch der Säuregehalt, der Kohlenstoffgehalt und die Veränderung der Meereslebewesen in der Bucht untersucht. Der zweite Strand dient als Kontrollort.

Nach ein bis zwei Jahren können valide Aussagen erwartet werden, wie viel Kohlendioxid gespeichert werden kann. In fünf bis zehn Jahren könnten grüne Strände mit Olivin-Sand dann gezielt zur Kohlenstoffabscheidung genutzt und Oliving-Sand quasi zu einem Klimakrisen-Impfstoff werden. Es wäre wunderbar, wenn ohne Nachteile für die Umwelt und Ökosysteme gelingen würde.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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