Solmove und Co.: Solarstraßen halten (bislang) nicht, was sie versprechen

Solar-Radweg von Solmove in Erftstadt außer Betrieb / Probleme auch mit Solarstraßen in Frankreich

Solarstraßen sind weltweit bislang keine Erfolgsgeschichten. Zwar versuchen sich Cleantech-Startups wie Solmove aus Deutschland, Solar Roadways aus den USA oder Wattway aus Frankreich seit mehreren Jahren, die Probleme in den Griff zu bekommen. Doch zu technischen Schwierigkeiten bleiben zunehmend Fragezeichen bei der Wirtschaftlichkeit. Das Potsdamer Unternehmen Solmove, das mit seinem ersten Solar-Radweg Schiffbruch erlitt, versucht nun, über Crowdinvesting weiteres Eigenkapital zu bekommen.

Die Bilder, ja die Euphorie der Vertreter von Startups und Politik ähneln sich: Als Bundesumweltministerin Svenja Schulze am 12. November 2018 Deutschlands ersten Solarradweg in Erftstadt bei Köln einweihte, war die Hoffnung groß, ein Projekt finanziell massiv zu unterstützen, das Zukunftscharakter hat. Die 200 Quadratmeter große Solarfläche mit den Modulen von Solmove sollte 12 Megawattstunden elektrische Energie pro Jahr erzeugen – und damit nicht nur reichlich Energie ins Netz einspeisen, sondern beispielsweise auch einen Winterdienst überflüssig machen. (Cleanthinking.de berichtete)

Schon Ende 2016 hatte sich die damalige französische Umweltministerin Ségolène Royal über die Eröffnung einer Solarstraße in der nordwestfranzösischen Gemeinde Tourouvre-au-Perche gefreut (wie Les Echos berichtete). Das Wattway genannte Projekt von Colas, einer Tochter des Baukonzerns Bouygues, sollten eigentlich 280.000 Kilowattstunden Energie pro Jahr durch Solarstraßen liefern. Im ersten Jahr brachte es Wattway auf 149.459 Kilowattstunden, im Jahr 2018 nur noch auf 78.397. Ursprünglich veranschlagt waren 280.000 Kilowattstunden saubererer Energie. Heute gilt das Projekt in doppelter Hinsicht als gescheitert: Es war weder energieeffizient noch wirtschaftlich rentabel.

Grund für die Probleme: Französische Medien (u.a. Le Monde) berichten von großflächigen Rissen und Modulen, die sich ablösten. Zusätzlich zu Schäden durch Unwetter und LKW-Verkehr kämen starke Fahrbahnverschmutzungen und eine zu hohe Verschattung durch Fahrzeuge hinzu. Wegen erhöhten Lärms wurde die Höchstgeschwindigkeit auf dem Straßenabschnitt auf 70 Kilometer pro Stunde abgesenkt.

Das mit 5 Millionen Euro Fördergeld unterstützte Projekt Wattway wurde 2019 erneuert – die Solarstraße wurde verkürzt, die defekten Paneele gegen eine neue Generation ausgetauscht wie energate berichtet. Unklar derzeit, ob das Projekt damit gerettet und tatsächlich als weltweite Innovation aus Frankreich weiter angepriesen werden kann.

Solar Roadways angeblich auf dem Weg zur Massenfertigung

In den USA ließ schon ein anderes Cleantech-Startup aufhorchen. Solar Roadways sammelte mit einer, freundlich ausgedrückt, eigenwilligen Crowdfunding-Kampagne zu Solarstraßen reichlich Kapital.

Mehr als zwei Millionen Euro sammelte Solar Roadways bei Indiegogo ein. Sechs Jahre später verkündet Solar Roadways nun, reif für den Massenmarkt zu sein. Zuletzt gelang immerhin die Installation einige Parkplatzflächen mit LEDs, die bestimmte Parkzonen abgrenzen sollen. Generell versucht Solar-Roadways dort mit seinen Modulen hinzugehen, wo die Belastung eingeschränkt ist: Tanzflächen in Clubs, Flächen in Stadien oder eben Parkplätze.

Solar Roadways: Solar-Parkplatz mit LEDs

Rechtsstreit um Solar-Radweg in Erftstadt

Solarstraßen oder Solar-Radwege oder Solar-Parkplätze sind mit Sicherheit eine bestechende Idee – wenn sie technisch funktionieren und wirtschaft rentabel sind. Nicht zufällig gewinnen die genannten Cleantech-Startups derzeit eine Vielzahl von Innovationswettbewerben – jetzt wurde Solmove für sein Smart Solar Street-Konzept mit dem – der Cleanthinking-Redaktion bislang unbekannten – Green Product Award ausgezeichnet. Und das, obwohl die bedeutendste Teststrecke von Solmove in Erftstadt nicht mehr in Betrieb ist.

Im März 2019 sorgten Regenfälle dafür, dass 10 von 520 Anschlussdosen, die auf gleicher Höhe wie die Fahrbahn-Module montiert waren, heiß wurden und durchschmorten. Das Ergebnis waren Schwelbrände und Rauchentwicklung. Donald Müller-Judex, Geschäftsführer von Solmove, gibt der Stadt Erftstadt die Schuld an den Problemen. Diese habe ein versprochenes Kiesbett nicht gebaut, mit dem das Regenwasser entlang des Weges hätte abgeführt werden sollen.

Streit um Nachbesserungen, Erftstadt kündigt den Vertrag

Anschließend, zwischen März und Oktober gab die Stadt Müller-Judex und seinem Team die Gelegenheit, nachzubessern – und zwar unter Aufsicht des TÜV. Dies gelang aus mehreren Gründen nicht fristgerecht, weshalb die Stadt den Vertrag mit Solmove kündigte und den Rückbau des Solar-Radweges verlangt. Die Kündigung will Solmove nicht akzeptieren und lässt sie daher richterlich überprüfen. Ausgang offen. Bisheriger Höhepunkt: Am 1. Februar 2020 berichtete das ZDF über den Schildbürgerstreich als Hammer der Woche.

Bemerkenswert sind allerdings die Aussagen des Solmove-Geschäftsführers in der Öffentlichkeit: „Das bei der Anlage in Erfstadt Fehler aufträten, sei kein Versehen, sondern sogar provoziert gewesen“, zitieren die Potsdamer Neuesten Nachrichten Müller-Judex. Aus Sicht eines Ingenieurs ist die Aussage womöglich nachvollziehbar, aber mit Sicherheit gehört sie nicht in die Öffentlichkeit, die für das Projekt einen Zuschuss von 70.000 bis 100.000 Euro geleistet hat. Es fehlt am Gespür für den Umgang mit der für alle Seiten schlechten Situation.

Solmove will Crowdinvesting bei Fundernation starten

Doch Solmove lässt sich davon nicht unterkriegen. Das Unternehmen meldet, andere Installationen von Solarstraßen würden funktionieren, wenngleich sie noch nicht perfekt seien. Und: Am 23. März will das Cleantech-Startup eine Crowdinvesting-Kampagne beim Portal Fundernation starten, um genügend Eigenkapital einzusammeln, an zwei Fördertöpfe zu gelangen. Insgesamt geht es um zwei Millionen Euro.

Ob das Cleantech-Startup tatsächlich 750.000 Euro bei Fundernation wird einsammeln können? Ein wenig Skepsis ist angebracht. Denn: Bei der Plattform hat in den letzten Jahren exakt ein anderes Unternehmen mehr als den genannten Betrag eingesammelt. Viele andere „Erfolgsgeschichten“ mussten sich mit kleinen fünf- oder sechsstelligen Beträgen zufrieden geben.

Klar ist: Solarstraßen halten (bislang) nicht, was ihre Entwickler versprechen. Es bleibt zu hoffen, dass es sich dabei tatsächlich nur um Kinderkrankheiten handelt, die nur im Alltagstest bemerkt und ausgemerzt werden können. Eine Anschlussdose wasserdicht zu machen und andere, eher kleine Fehler zu beheben, ist natürlich möglich. Es geht jetzt aber insbesondere für Solmove darum, zu einer glaubwürdigen Außendarstellung zu finden. Die Crowdinvesting-Kampagne ist dazu vielleicht die entscheidende Chance.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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