Holz-Windkraft: Schwedisches Cleantech-Startup Modvion will hoch hinaus

Ziel von Modvion ist es, Stahltürme zu ersetzen. Partner sind Vattenfall und RWE – Investoren Vestas und Enel.

Das schwedische Cleantech-Startup Modvion macht etwas, woran das deutsche Unternehmen Timber Tower einst scheiterte: Es baut Windkraftanlagen mit Holz- statt Stahltürmen. Mit dieser Idee haben die Schweden etwa Vattenfall und RWE als Partner gewonnen – und Vestas Ventures sowie Enel als Investoren. Der Clou der Lösung für die Energiewende: Holz muss nicht verschraubt werden, sondern hält durch Leim sicher und stabil. Daher ist es einfacher, höhere Windtürme zu bauen.

Es sind aufregende Wochen für das 2016 gegründete Startup-Unternehmen Modvion: Im vierten Quartal ging das bis dato größte Windkraftanlage auf einem Holzturm ans schwedische Stromnetz. Der Holzturm ist 105 Meter (nicht 150!) hoch und hält eine 2-Megawatt-Windturbine fest. Das Holz, aus dem der Turm gebaut wird, ist vergleichbar mit dem Holz von Weihnachtsbäumen – wobei das durchaus ein PR-Gag sein könnte. Wichtiger ist: Eine spezielle Leim-Verbindung hält die einzelnen Turmteile zusammen.

Der Clou dieser sauberen Technologie ist dann auch genau mit diesem Fakt verbunden: Statt Stahlbauteile aufwändig vor Ort miteinander zu verschrauben, ist es wesentlich leichter, Holz zu verleimen. Dadurch wird es kostengünstig möglich, Windkrafttürme nicht nur 200, sondern auch 300 Meter hoch zu bauen. Und dort oben können stetigere Winde und höhere Windkraftgeschwindigkeiten geerntet und für die elektrische Energieerzeugung verwendet werden.

Weiterer Vorteil: Holz ist leichter als Stahl und kann sogar zu einem negativen CO2-Fußabdruck führen. Modvion setzt auf Holz aus nachhaltigem Anbau – bedeutet u.a. dass mehr Wald nachgepflanzt wird. Im Holz wird das während des Baumwachstums gespeicherte Kohlendioxid gesichert – nur bei Verwitterung oder Verbrennung wird es freigesetzt. Rechnerisch kann ein solcher Windkraftturm aus Holz dadurch kohlenstoffnegativ sein.

Errichtet hat Modvion das bislang größte Windrad seiner Art in der Nähe von Göteborg. Der Turm besteht konkret aus laminiertem Furniersperrholz aus insgesamt 144 Schichten. Derzeit entstehen zirka 20.000 Windkraftanlagen pro Jahr – Modvion-CEO Otto Lundman hofft, im Jahr 2032 einen Marktanteil von etwa zehn Prozent zu haben. Ab 2027 entsteht eine Anlage, die 100 modulare Holztürme pro Jahr produzieren soll.

Modvion-Investoren: Vestas Ventures und Enel

In der Energiebranche wird sehr genau verfolgt, wie erfolgreich Modvion bei der Entwicklung seiner Holz-Windkraft ist. Anfang 2021 war Vestas Ventures so überzeugt von einer kleinen Pilotanlage, dass es sich mit 15 Prozent der Anteile am Cleantech-Startup beteiligte. Ein früher Ritterschlag für das Unternehmen, dem es damit gelang, die Marktakzeptanz für Holztürme von Windkraftanlagen zu beschleunigen.

Vestas ist daran interessiert, die Holztürme in seinen Vertrieb als Teil eines nachhaltigeren Produktangebots aufzunehmen. Das geringere Gewicht der Modvion-Türme in Kombination mit ihrer Fähigkeit, sich an die modulare Produktarchitektur von Vestas anzupassen, könnte den Transport in logistisch anspruchsvollen Märkten erleichtern, sagt Bo Svoldgaard, Senior Vice President bei Vestas.

Doch neben Vestas hat Otto Lundman, der CEO, auch Enel überzeugt, frisches Kapital zum Aufbau der Produktion und der ersten Anlagen zur Verfügung zu stellen.

Im ersten Quartal 2024 steht für Modvion die nächste Finanzierungsrunde an – mit dem Erfolg der größten Holz-Windturbine der Welt im Rücken, dürfte einem erfolgreichen Abschluss wenig im Wege stehen.

Vattenfall und RWE zeigen als Partner Interesse

Neben den namhaften Investoren und öffentlicher Förderung profitiert das Jung-Unternehmen auch von den Partnerschaften mit Vattenfall und RWE – beide ehemals fossilen Energiekonzerne sind kräftig im Windgeschäft aktiv und natürlich stets bestrebt, den eigenen CO2-Fußabdruck und vor allem die Kosten zu senken.

Etwas skeptischer ist man bei der Siemens Energy-Tochter Gamesa: Dr. Maximilian Schnippering, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung bei Siemens Gamesa – einem der größten Turbinenhersteller der Welt – sagt, dass mehr Teile wahrscheinlich mehr Lastwagen, mehr Menschen und mehr Zeit für die Fertigstellung der Installation bedeuten werden. Er hält das modulare System für „einen Vorteil“ und dass Holztürme Stahltürme „gut ergänzen“ können. Die Bemühungen von Siemens Gamesa konzentrieren sich darauf, den CO2-Fußabdruck des verwendeten Stahls zu reduzieren, wie hier am Beispiel GreenerTower nachzulesen ist.

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In Schweden wird Holz seit langem in verschiedenen Bereichen genutzt, wie beispielsweise bei Windmühlen, jahrhundertealten Kirchen, Holzschuhen, dekorativen Dala-Pferden und sogar einem Wolkenkratzer. Modvion nutzt dieses Handwerk, um die Turmindustrie zu revolutionieren, die bisher auf umweltschädlichen Materialien wie Stahl und Zement basierte und dadurch die Umweltvorteile der Turbinen einschränkte. Diese Industrie wird auf 40 Milliarden Dollar geschätzt.

Obwohl die Windindustrie mit Kostensteigerungen, Lieferengpässen und Finanzierungsproblemen aufgrund höherer Zinsen zu kämpfen hat, sind die Wachstumsprognosen immer noch enorm. Dies liegt daran, dass die Länder ehrgeizige Pläne zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen in Eile umsetzen. Laut BloombergNEF wird die Anzahl der jährlichen Onshore-Installationen in Europa bis 2030 voraussichtlich um fast 25 Prozent steigen.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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