Ampel-Koalition zündet mit Osterpaket den Energiewende-Turbo

Ein Paradigmenwechsel, Abschaffung von Umlagen für Eigenverbrauch, Wärmepumpen und Speicher, viele Verbesserungen für Solar- und Windkraftausbau.

Die Ampel-Koalition hat mit dem Osterpaket einen Paradigmenwechsel in der Energieversorgung eingeleitet, und den Energiewende-Turbo gezündet. Mit der EEG-Novelle 2022 sind Erneuerbare Energien, verankert in allen Rechtsbereichen, bis zur Erreichung der Klimaneutralität von “überragendem öffentlichen Interesse” und “dienen der Sicherheit”. Bedeutet: Bei Abwägungsentscheidungen wird dem Ausbau der erneuerbaren Energieversorgung in Zukunft fast immer Vorrang eingeräumt. Zugleich werden laut Gesetzestext erneuerbare Energien nun nicht mehr in ein bestehendes Energiesystem “integriert”, sondern sie sind der Kern unserer Stromversorgung.

Die Novelle 2022 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist Teil eines umfassenden Gesetzespakets (“Osterpaket”), das das Bundeskabinett Anfang April verabschiedet hat. Läuft im parlamentarischen Teil des Prozesses alles plangemäß, werden die veränderten Gesetze bis 1. Juli verabschiedet und nach beihilferechtlichen Beratungen auf EU-Ebene zum 1. Januar 2023 vollständig in Kraft treten. 

Mit dem neuen EEG legt die Bundesregierung die Grundlage für den weiteren, nun drastisch beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien: Schon 2030 sollen 80 Prozent der des Bruttostromverbrauches durch Wind-, Solar-, Wasserkraft, Geothermie und Co. gedeckt werden. Zuletzt lag der Anteil 2021 bei 42 Prozent. Und: Durch zunehmende Elektrifizierung etwa durch E-Autos, Industrieprozesse und Wärmepumpen wird der Energieverbrauch bis 2030 nach Einschätzung der Bundesregierung auf 750 Terawattstunden steigen.

Konkret bedeutet der Energiewende-Turbo Folgendes:

  • Windenergie-Ausbaurate: 10 Gigawatt (GW) pro Jahr; Ziel 2030: 115 GW
  • Solarenergie-Ausbaurate: 22 GW pro Jahr; Ziel 2030: 215 GW
  • Offshore-Wind: >30 GW bis 2030; >70 GW bis 2045 (Windenergie-auf-See-Gesetz)

Um diese Ziele zu erreichen, reformiert die Bundesregierung das EEG umfassend und dreht an unzähligen Stellschrauben. So werden etwa die Bedingungen für Dachanlagen verbessert, die vollständig ins Netz einspeisen. Entsprechende Anlagenbetreiber erhalten künftig 13,8 Cent je Kilowattstunde. Gleichzeitig wird die Degression der Vergütungssätze auch für Anlagen, die auf Eigenverbrauch ausgerichtet sind, zunächst ausgesetzt. Und: Bagatellgrenzen werden angehoben, so dass größere Anlagen ohne Ausschreibung ans Netz gebracht werden können.

Insgesamt werden im Photovoltaik-Sektor ganz neue Bereiche geschaffen: So sind künftig Photovoltaikanlagen in Mooren erlaubt, die zur Verschattung und damit zur Wiedervernässung beitragen. Das ist doppelt wichtig, weil Moorgebiete wichtige Kohlenstoffsenken sind, die sogar mehr Kohlendioxid pro Fläche speichern als Wälder. Auch die Kombination aus Landwirtschaft und Photovoltaik (“Agri-PV”), Photovoltaik auf Seen (“Floating-PV”) und überdachte Parkplätze (“Parkplatz-PV”) kommen neu hinzu.

Osterpaket: EEG-Umlage künftig steuerfinanziert

Ab Juli wird die EEG-Umlage, die bislang auf den Strompreis aller Stromkunden aufgeschlagen wird, abgeschafft. Die Einspeisevergütung, die Anlagenbetreiber erhalten, wird künftig über einen Energie- und Klimafonds (Sondervermögen) finanziert, der insbesondere aus Einnahmen aus dem nationalen Brennstoffemissionshandel, also der CO2-Bepreisung von Heiz- und Brennstoffen, gespeist wird.

Weitere Aspekte sind, dass Bürgerenergieprojekte erleichtert werden, und Kommunen stärker etwa an Windparks auf ihren Flächen profitieren können. 

Energie-Umlagen-Gesetz

Ebenfalls Teil des Osterpakets ist ein Energie-Umlagen-Gesetz, das sicherstellt, dass die KWKG-Umlage und die Offshore-Netzumlage nur noch dann erhoben wird, wenn Strom aus dem öffentlichen Netz bezogen wird. Bedeutet: Für Eigenverbräuche, ganz egal in welcher Größenordnung, und Direktbelieferungen beispielsweise von Nachbarhäusern, fallen diese Umlagen weg. Explizit ausgenommen sind auch Wärmepumpen. Dadurch werden Geschäftsmodelle wie Mieterstrom- und Speicherprojekte, die bislang teilweise einer doppelten Steuer- und Abgabenlast ausgesetzt waren, attraktiver. 

Im Zuge des Osterpakets hat die Regierung viele weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht, die zu Änderungen weiterer Gesetze wie etwa dem Energiewirtschaftsgesetz führen. Dabei geht es sowohl darum, bürokratische Hürden abzubauen, als auch um die Beschleunigung des Ausbaus etwa von Windenergieanlagen auf dem Meer durch die Zusammenlegung und Verkürzung von Planungsprozessen. 

Mit den Osterpaket zündet die Regierung den Energiewende-Turbo, und wird mit “Tesla-Geschwindigkeit” weitere Maßnahmen auf dem Weg bringen – im Mai und im Sommer kommen beispielsweise Maßnahmen zur Energieeffizienz dazu. Der Wille, Deutschlands Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten fossiler Energieträger zu reduzieren, ist definitiv vorhanden. Ab sofort geht es darum, noch viel mehr Photovoltaik-Anlagen zu planen und zu installieren, Wärmepumpen in 360-Grad-Konzepte einzubinden und Offshore-Windparks rasch ans öffentliche Stromnetz anzudocken.

Osterpaket der Bundesregierung zum Download: Unter diesem Link finden Sie die Kabinettsvorlage zum EEG 2022, den Entwurf für die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, die Novelle zum Wind-auf-See-Gesetz und ein Überblickspapier zum Solarpaket der Bundesregierung

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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