Cleantech: Aufbruch zum Erreichen der Klimaziele

Cleantech Forum Europe und Ecosummit zeigen Innovationen zur Erreichung der Klimaziele und bringen Investoren, Unternehmen und Institutionen näher zusammen.

Es herrscht Aufbruchstimmung in der europäischen Cleantech-Community, die sich diese Woche zunächst in Berlin beim Ecosummit und dann in Stockholm beim Cleantech Forum Europe getroffen hat. Während es beim Ecosummit ganz klassisch um das Zusammenbringen von Investoren und Startups ging, gab es in Stockholm tiefe Einblicke, wie Cleantech und Clean Thinking zum Erreichen der Klimaziele und der Dekarbonisierungs-Bestrebungen beitragen kann.

Die Cleantech Community profitiert derzeit davon, dass über viele ihrer Technologien und Lösungsansätze viel breiter diskutiert wird, im Vergleich zu den Jahren davor. Welche Flächen können zusätzlich für Photovoltaik und Windkraft genutzt werden? Wie kann verhindert werden, dass Erzeugungsanlagen vom Netz genommen werden, weil die Netze überlastet sind? Wie gelingt der Spagat zwischen Ultrakurz-, Kurz-, Mittel- und Langzeitspeicherung? Wie kann eine Kreislaufwirtschaft etabliert werden, in der beispielsweise Abfälle wieder zu wertvollen Ressourcen werden?

Auf viele dieser Fragen rund um die Klimaziele liefert die Cleantech-Community Antworten. Ein herauszuhebendes Beispiel stand bei beiden Events im Mittelpunkt: Sonnen, das Cleantech-Unternehmen aus dem Allgäu, das im Februar 2019 von Shell für geschätzt 500 Millionen Euro übernommen wurde. Gründer und Geschäftsführer Christoph Ostermann schilderte im Interview mit dem CEO der Cleantech Group, Richard Youngman, wie zwischen 2008 und 2013 alles begann.

2008 starteten die Sonnen-Gründer mit der Entwicklung von Speichersystemen für die eigenen Häuser. Schon 2009 waren diese installiert – und Energieversorger verlangten, diese Speicher nicht parallel zum Netz zu betreiben. „Daher haben wir Off-Grid-Wechselrichter verwendet und komplett auf Eigenerzeugung umgestellt“, so Ostermann. In 2010 entstand das Unternehmen SonnenBatterie, weil Enthusiasten aus der Stadt und dem Freundeskreis ebenfalls einen ähnlichen Weg einschlagen wollten.

„Wir hatten damals keinen Markt und kein wirtschaftlich tragfähiges Produkt. Daher haben wir uns immer sehr stark auf den schwierigen Verkauf konzentriert“, so der CEO des Unternehmens, das heute nur noch Sonnen heißt. 2013 schließlich, nach mehreren Jahren Eigenfinanzierung, stiegen die ersten Investoren mit ein. Bis heute hat Sonnen eine Erfolgsgeschichte hingelegt – weil Eigenverbrauch zunächst in Deutschland und später in anderen Ländern erlaubt wurde und die Preise sukzessive sanken.

Der Übernahme durch Shell schließlich gingen die Teil-Internationalisierung, etwa mit dem Markteinstieg in Australien und den USA, sowie der Ausbau des Angebots zum Dienstleistungsunternehmen voraus. Außerdem stiegen neben General Electric weitere Schwergewichte ein. „Shell ist aber nun der perfekte strategische Investor für uns: Sie haben das internationale Netzwerk und die Finanzkraft, um den globalen Rollout unserer Technologie schnell voranzutreiben“, so Ostermann.

Die Erfolgsgeschichte von Sonnen – von der Cleantech Group gestern ausgezeichnet als ‚Deal of the year‘ – zeigt ganz Wesentliches: Nur die altgedienten Energie- und Ölkonzerne, die sich zum Wandel bekennen, werden langfristig überleben. Shell hat dies erkannt und investiert seit 2, 3 Jahren konsequent in Cleantech-Unternehmen – und wandelt sich komplett in der öffentlichen Wahrnehmung. Es ist kein Greenwashing, sondern der dringend notwendige Versuch, zu überleben.

Und eine weitere Erkenntnis ergibt sich daraus: Für die Erreichung der Klimaziele braucht es alle Player – Unternehmen, Bürger oder Städte: Es braucht heute die Leuchttürme, die vorangehen und jeweils ihre Emissionen bis 2030 oder schneller halbieren. Dazu braucht es Finanzkraft und Technologien, die beispielsweise von Playern wie Shell oder BP kommen muss.

Klimaziele: Bewusstsein und Regulierung notwendig

Eines hört man bei Gesprächen mit der Cleantech-Community immer wieder heraus: Neben den Leuchttürmen braucht die Szene auch einen Bewusstseinswandel bei Bevölkerung und Politik, um mit mehr Dynamik die heiklen Klimaziele erreichen zu können. Und: Regulierung oder unzureichende Gesetzgebung verhindert bislang in vielen Bereichen, dass es schneller vorangeht.

Aus europäischer Sicht wäre überdies eine Abkehr von nationalstaatlichem Handeln notwendig. Denn Europa ist an der Front, die Energiewende realisieren zu können. Insbesondere Skandinavien, in diesem Jahr mit der „skandinavischen Hauptstadt“ Stockholm Gastgeber des Cleantech Forums, liefert gute Beispiele, dem andere Städte und Regionen folgen sollten.

Cleantech Forum 2020: In Luxemburg

In einem Jahr findet das Cleantech Forum Europe 2020 in Luxemburg statt.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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