Startups wollen mit Pyrolyse die Klimakrise stoppen

Unterschiedlichste Pyrolyse-Technologien helfen, Energie zu produzieren, wertvolle Rohstoffe wie Dünger oder Carbon Black zu gewinnen und dabei gleichzeitig Abfälle zu entsorgen.

Es gibt eine neuen Trend zur sogenannten Pyrolyse-Technologie. Dahinter verbergen sich ganz unterschiedliche Reaktoren, die Ausgangsstoffe wie Holzreste, Plastik oder Elefantengras in wertvolle Rohstoffe wie Dünger, Carbon Black, Biogrillkohle oder gar Verpackungsmaterialien verwandeln. Der Prozess findet dabei zumeist unter Ausschluss von zusätzlichem Sauerstoff statt. Können die Pyrolyse-Techniken die Klimakrise stoppen?

Lange war Vorsicht geboten, wenn man von Pyrolyse-Technologien hörte, die wahre Wunderdinge vollbringen sollten: Ganz gleich, welche Reststoffe man in einen Reaktor geben wollte, ganz gleich in welcher Form – am Ende sollten immer hochwertiger Kraftstoff oder etwa Öl und Kohle herauskommen. Teilweise verdienten sich findige Möchtegern-Ingenieure eine goldene Nase daran, angeblich funktionierende Anlagen, zahlenden Interessenten vorzustellen.

Aber: Einen Pyrolyse-Reaktor kontinuierlich zu betreiben, noch dazu mit sehr unterschiedlichen Eingangsstoffen, ist eine Herkules-Aufgabe. Daher scheiterten bis vor kurzem die allermeisten Projekte, obwohl sie oft groß angekündigt, gut finanziert und von pfiffigen Ingenieuren vorangetrieben werden. Mindestens in Deutschland gibt es daher eine gesunde Skepsis gegenüber neuen Pyrolyse-Technologien und großspurigen Ankündigungen.

Doch in den letzten Monaten hat sich etwas getan im Hinblick bei der Vorstellung solcher Technologien. Die Versprechungen der Cleantech-Unternehmen sind konkreter geworden, häufiger ist von kontinuierlich laufenden Prototypen die Rede, dabei wird zunehmend auf wechselnde Eingangsstoffe verzichtet. Damit einher geht die Ankündigung erster kommerzieller Anlagen innerhalb der kommenden zwei Jahre.

NextFuel macht aus Elefantengras saubere Kohle für die Energiegewinnung

Einer der Hoffnungsträger für die Bekämpfung der Klimakrise ist beispielsweise das Cleantech-Startup NextFuel. Die Reaktortechnologie des Unternehmens mit Hauptsitz in Stockholm ist patentiert und die erste Anlage läuft nach Angaben von NextFuel auf Vollast. Sie steht in Österreich, weil eines der großen Ingenieurunternehmen des Landes, Andritz Hydro, mitentwickelt und finanziert hat. CTO ist passenderweise der Österreicher Wolfgang Moser, der sich laut Lebenslauf seit 8 Jahren und sieben Monaten mit der Pilotanlage von NextFuel in Österreich beschäftigt.

Das Cleantech-Unternehmen macht sich mit seiner Technologie die besonderen Eigenschaften von Elefantengras, oft auch als China-Schilf bezeichnet, zunutze. Dieses Gewächs wird bis zu vier Meter hoch und wächst in rasantem Tempo – innerhalb weniger Wochen kann ein Feld mit Elefantengras geerntet werden. Dabei bleibt ein Teil der Pflanze im Boden – das Wurzelwerk speichert ungefähr 20 Prozent des CO2, das das Schilf-Gewächs zum Wachsen brauchte. Somit wird mit jedem Ernte-Durchgang mehr Kohlenstoff als Dünger im Boden verbleiben – und weniger CO2 in der Atmosphäre sein.

Aus dem Elefantengras macht NextFuel in seinem Pyrolyse-Reaktor eine Art Brikett – dieser Brennstoff kann beispielsweise in Kohlekraftwerken direkt Steinkohle ersetzen und damit einen unmittelbaren Effekt auf die direkten und indirekten CO2-Emissionen auslösen. Denn bei der Verbrennung wird nur das CO2 freigesetzt, das im oberen Teil der Pflanze gespeichert war. Nimmt man den Speicheranteil des Wurzelwerks hinzu, handelt es sich um eine CO2-negative Art der Energieerzeugung.

Und: die indirekten Effekte sollten nicht unterschätzt werden – schließlich importiert Deutschland jedes Jahr fossile Roh- und Brennstoffe nur für die Energieversorgung im Wert von 100 Milliarden Euro. Dazu gehört beispielsweise australische Steinkohle, die einmal um den halben Planeten verschifft wird, anschließend über Züge und Förderbänder zu einem Kraftwerk gebracht wird, das den Brennstoff schließlich innerhalb weniger Minuten zur Energiegewinnnung mit miserablem Wirkungsgrad und schlechter Umweltbilanz verbrennt.

Elefantengras als Klimakrisen-Killer?

Das Potenzial der NextFuel-Technologie scheint enorm zu sein. Bei der Klimakonferenz COP24 im vergangenen Jahr tauchte die Pyrolyse-Technologie zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auf – und weckte offenbar bereits Interesse von großen Energieversorgern und Finanzinvestoren.

Zuletzt berichtete Cleanthinking über das Thema Aufforstung zum Kampf gegen die Klimakrise – angesichts der Vorteile, die Elefantengras bietet, könnte es auch ratsam sein, Flächen dafür freizuhalten.

Noch dieses Jahr sollen die ersten drei kommerziellen Projekte realisiert werden – ein Hoffnungsträger ist der alternative Brennstoff der Ingenieure aus Stockholm in jedem Fall: Im ersten Projekt soll in Afrika 250.000 Tonnen Kohle durch den NextFuel-Brennstoff ersetzt und damit die Energiekosten eines Zementwerks halbiert werden.

Black Bear stellt Carbon Black ohne Öl her

Ebenfalls ein Hoffnungsträger für die Bekämpfung der Klimakrise ist die Technologie des niederländischen Cleantech-Startups Black Bear rund um CEO Martijn Lopez Cardozo. Die Firma hat nach eigenen Angaben eine Technologie entwickelt, um aus Altreifen unter anderem den wichtigen Rohstoff Carbon Black in exzellenter Qualität zurückzugewinnen. Carbon Black, oft ach als Ruß bezeichnet, sorgt in Oberflächen, Farben oder Kunststoffen für die schwarze Farbe.

Bei der Reifenproduktion wird bislang Carbon Black eingesetzt, das auf Basis von Rohöl in sehr energieintensiven Verfahren hergestellt wird. Doch Black Bear löst nicht nur das Energieproblem der Reifenindustrie: Altreifen landen allzuoft auf Müllhalden, wo es häufiger zu Bränden mit erheblicher CO2-Freisetzung kommt.

Steht auf Altreifen: Black Bear CEO Cardozo

Außerdem nisten sich in solchen Reifenbergen für die Bevölkerung gefährliche Moskito-Arten ein. All dies könnte durch die kommerzielle Verbreitung der Reifen-Pyrolyse-Technologie von Black Bear in Zukunft verhindert und eine echte Kreislaufwirtschaft rund um Carbon Black etabliert werden.

Carbonauten und Biofabrik in den Startlöchern

Neben diesen beiden Pyrolyse-Technologien stehen auch das süddeutsche Cleantech-Startup Carbonauten und das mitteldeutsche Unternehmen Biofabrik kurz vor dem Start der Kommerzialisierung ihrer Klimakrisen-Lösungen. Carbonauten nutzt Biomasse-Reststoffe, um daraus Biokohlenstoff zu machen. Dieser Biokohlenstoff kann beispielsweise als Dünger in Böden eingebracht werden und speichert dabei 3,6 Tonnen CO2 pro Tonne Biokohlenstoff.

Das entstehende Material ist extrem vielfältig einsetzbar – als Grillkohle, Futterkohle oder in Form von Granulat beispielsweise als Plastik-Ersatz in Gartengeräten oder gar für Fassaden und Verpackungen. Denkt man das Potenzial dieser technischen Lösung weiter, kann eine ganz neue Welt entstehen: Aus der angestrebten Dekarbonisierung wird dann eine Art Biokarbonisierung.

Die Dresdner Biofabrik hat sich unterdessen darauf fokussiert, mit ihrer Pyrolyse-Technologie aus Plastik neue, alternative Kraftstoffe zu machen. Mehr dazu lesen Sie in unserem früheren Beitrag über das Cleantech-Unternehmen aus Ostdeutschland. Besonders relevant ist deren Technologie, weil es möglich erscheint, sie auf Schiffen anzuwenden, die Plastik aus den Meeren fischen – so muss der Rohstoff nicht an Land gebracht werden, sondern kann direkt an Bord verwertet werden.

Maiskohle aus der Pyrolyseanlage

„Wie absurd ist es, dass in Deutschland in 64 Prozent der Holzkohle Tropenholz steckt“, sagt Valentin Schnoor. Er hat Recht und das Problem angepackt: Mit seinem Startup Maister GmbH hat er die Maiskohle erfunden. Diese ersetzt klassische Grillkohle – und sorgt für ein reineres Gewissen beim nächsten Grillabend.

Denn die Maiskohle entsteht aus Abfallprodukten der Maisernte und wird von Maister ausschließlich aus Deutschland oder dem europäischen Ausland bezogen. Sie ist komplett biologisch abbaubar. Die Maisreste finden in der Regel keine Verwendung mehr – und sind damit ein besonders gute Beispiel für das Upcycling von Produkten.

Die Maiskolben ohne Körner werden in einer von Deutschlands modernsten Pyrolyse-Anlagen verkohlt und sind ideal für’s Grillen geeignet: Sie lassen sich problemlos anzünden, entwickeln innerhalb weniger Minten Glut und große Hitze und glühen 45 Minuten. Wenn dann noch Fleisch nicht in Massen, sondern in Maßen auf den Grill kommt, steht einem nachhaltigen Fest mit Freunden nichts mehr im Weg.

Per Crowdfunding wurde die Maiskohle zum Hit.

Fazit: Pyrolyse-Technologie ist echter Problemlöser

Pyrolyse-Technologien wie die beschriebenen, unterscheiden sich technisch deutlich voneinander. Aber die technischen Details würden an dieser Stelle zu weit führen. Eindeutig scheint: Pyrolyse-Technologien, vorausgesetzt sie funktionieren wie beschrieben, können sich zu einer Art Geheimwaffe im Kampf gegen die Klimakrise entwickeln. Denn oft sind sie modular in ganz unterschiedlichem Maßstab einsetzbar – und dann nahezu unbegrenzt skalierbar.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

Cleantech-StartupKlimaNachhaltigkeit