COP26: Letzte Chance für das 1.5-Grad-Ziel in Glasgow

Weltklimakonferenz COP25 endet ohne Fortschritt, weil Brasilien, Australien und USA konsequent blockieren.

Die Klimakonferenz COP25 in Madrid hat ohne greifbare Durchbrüche am Sonntag geendet. Die Reaktion von Umwelt- und Klimaexperten sind verheerend. Auch António Guterres, UNO-Generalsektretär, ist enttäuscht und sendet Durchhalteparolen. Die Klimakonferenz COP26 kommenden November in Glasgow wird für die internatonale Staatengemeinschaft die letzte Chance sein, den Willen zu zeigen, das Pariser Klimaabkommen von 2015 zu erfüllen.

Der Druck der Zivilgesellschaft weltweit auf die handelnden Akteure muss nun noch weiter zunehmen. Das betrifft auch die Verhinderung der Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump am 3. November 2020. Sollte ein neuer amerikanischer Präsident vom 9. bis 19. November 2020 zu COP26 nach Glasgow reisen, könnte das ein entscheidendes Aufbruchsignal bringen, das in diesem Jahr definitiv gefehlt hat – trotz eindeutiger Proteste und Signale der Zivilgesellschaft für mehr Klimaschutz.

In Madrid blieben die großen Themen ungelöst, obwohl das Motto „Zeit zu Handeln“ lautete. So konnte das Regelbuch des Pariser Abkommen nicht fertiggestellt werden, die Finanzierung klimabedingter Schäden und Verluste wurde nicht zufriedenstellend gelöst und die Achtung der Menschenrechte bei der Umsetzung wurde nicht sichergestellt. Die Abschlusserklärung bleibt ein einziger Appell: Das Plenum erinnerte darin alle rund 200 Staaten an ihre Zusage, im nächsten Jahr ihre Klimaschutzziele für 2030 möglichst zu verschärfen. 

Die Konsequenz kann nur sein: Die zukunftsorientierten Menschen auf der ganzen Welt müssen jetzt aufstehen und noch viel entschlossener handeln. Auf Entscheidungsträger ist kein Verlass. Im Grunde müsste man sich in vielen Einzelgruppen zusammenzuschließen, um viele, viele Einzelentscheidungen zu beeinflussen. Beispielsweise den Bau neuer Kohlekraftwerke wie Datteln 4. Greta Thunberg hat es richtig formuliert: In Madrid in den Räumlichkeiten des COP25 habe sie keine Hoffnung gesehen – aber draußen auf den Straßen schon.

Greta Thunberg während ihrer Rede in Madrid bei COP25 (Quelle: Youtube / Extinction Rebellion)

In Madrid haben Australien, Brasilien oder die USA die nötigen Beschlüsse blockiert. Alle Staaten sind von tendenziell rechten Präsidenten geführt. „Surreal Madrid, eine Weltklimakonferenz wie von einem anderen Stern: Viele Regierungen ignorierten die weltweiten Klimaschutzproteste ebenso wie die Realität der Erderhitzung, die schon heute durch die Zunahme von Dürren, Überflutungen und den Anstieg des Meeresspiegels die Existenzgrundlagen vieler Millionen Menschen zerstört“, so Schäfer.

Reaktionen auf COP25 und Vorausblick auf COP26

Die Kommentatoren sind sich einige, unterscheiden sich nur in der Heftigkeit der Worte, die sie für das Debakel der gerade abgelaufenen Klimakonferenz COP25 finden. Greenpeace kommentiert, „diese Klimaschutzkonferenz war ein Angriff auf das Herz des Pariser Abkommens. Sie verrät all jene Menschen, die weltweit längst unter den Folgen der Klimakrise leiden und nach schnellen Fortschritten rufen.“

Der WWF meint, die „Beschlüsse der UN-Klimakonferenz von Madrid sind so müde wie die Deligierten nach zwei durchverhandelten Nächsten. Die Konferenz ist ein gruseliger Fehlstart in das für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens so entscheidende Jahr 2020.“

UNO-Generalsekretär António Guterres zeigt sich bitter enttäuscht:

„Die internationale Gemeinschaft hat eine wichtige Möglichkeit vertan, mehr Engagement zum Kampf gegen die Klimakrise zu zeigen. Aber wir dürfen nicht aufgeben und wir werden nicht aufgeben.“

Ganz ähnlich äußert sich Michael Schäfer vom WWF:

Jetzt erst recht! Jetzt kommt es darauf an, dass wir Ursula von der Leyens Mondrakete zünden, also den EU-Klimabeitrag deutlich anheben und den Funken auf andere überspringen lassen. Deshalb darf die Bundesregierung beim Klimaschutz in Europa nicht weiter auf der Bremse stehen.

Michael Schäfer, Leiter Klimapolitik und Energie beim WWF Deutschland

Dazu müsste von der Leyen aber das Ziel der EU zur Emissionsreduzierung bis 2030 auf 65 Prozent anheben – bislang geht die Kommissionschefin von lediglich maximal 55 Prozent aus. Das genügt nach Einschätzung der Experten aber nicht, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. Europa muss aber noch stärker vorangehen, um die Blockade insbesondere der USA, Brasiliens und Australiens zu durchbrechen.

Der moralische Appell der Jugend und wissenschaftliche Fakten verhallten ungehört, so Greenpeace Austria, oder wurde ignoriert. Stattdessen kämpften die PolitikerInnen um die Errichtung eines zwielichtigen Kohlenstoff-Schwarzmarkts im sogenannten „Artikel 6“, der die Rechte indigener Bevölkerungen weltweit bedroht und die Natur mit einem Preisschild versehen möchte. Die Politik hat sich erneut nicht dazu verpflichtet, die Zusagen zu Emmissionssenkungen an den Stand der Wissenschaft anzupassen. Es wurde ein schwammiger Text beschlossen, der zwar die Notwendigkeit des Handelns betont, aber die Staaten nicht verbindlich dazu auffordert.

Die Politik muss nun bis zum Frühjahr 2020 beweisen, dass sie die existenzielle Bedrohung der Klimakrise versteht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss die EU-Kommission eine klare Verschärfung ihres Klimaplans vorlegen, damit sie vor Inkrafttreten des Pariser Abkommens noch beschlossen werden kann.

Zum Blick voraus schaut Schäfer vom WWF bereits auf den September 2020 nach Leipzig: Beim EU-China-Gipfel kämen der größte und der drittgrößte Klimaverschmutzer der Welt zusammen – gemeinsam müssten sie endlich ernst machen mit dem Kampf gegen die Klimakrise.

Besonders schmerzhaft ist der miserable Ausgang des Klimagipfels für die Staaten, die die Auswirkungen der Klimakrise schon heute massiv spüren – und dadurch mit ihrem Leben bedroht sind. Deutlich macht das Ian Fry, Vertreter des Pazifik-Inselstaates Tuvalu, der die Blockadehaltung der USA als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilte. „Es gibt Millionen von Menschen in der ganzen Welt, die schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels leiden. Diesen Fakt zu bestreiten, könnte von einigen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit interpretiert werden.“

Der Kampf um das Ende des fossilen Zeitalters, um das Verbrennen fossiler Rohstoffe endlich zu beenden, wird im kommenden Jahr weitergehen. Der Druck der Zivilgesellschaft, der Protestierenden bei weltweiten Klimastreiks aber auch bei der Verhinderung einzelner Maßnahmen, muss fortgesetzt und verstärkt werden. Es gilt: Konzentration aufs Wesentliche statt Kampf um Deutungshoheit.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

CO2 News rund um Kohlendioxid bei CleanthinkingKlima