Dekarbonisierung: Übernimmt ein australischer Milliardär die Kohlekraftwerke von AGL Energy?

Atlassian-Gründer Cannon-Brooks bietet gemeinsam mit Brookfield für das australische Energie-Unternehmen AGL Energy.

Es ist ein wirklich außergewöhnlicher Vorgang. der für die Dekarbonisierung des Energiesektors beispielgebend sein könnte: Brookfield und Grok Ventures haben sich zu einem Konsortium zusammengeschlossen, um den größten CO2-Emitennten Australiens, den Kohlekraftwerksbetreiber AGL Energy, zu übernehmen, und dessen schmutzige Kraftwerke bis 2035 stillzulegen. Hinter dem Angebot steckt Mike Cannon-Brookes, Mitgründer des Software-Giganten Atlassian und einer der reichsten Australier.

Das Konsortium hat am vergangenen Samstag ein Übernahmeangebot für AGL (ASX:AGL) unterbreitet, das aber vom Vorstand des Unternehmens abgelehnt wurde. Es lag bei 7,50 Australischen Dollar je Aktie, was ungefähr 5,44 Euro und einem Eigenkapitalwert von 3,2 Milliarden Euro entspricht. Am gestrige Montag hat der AGL-Vorstand das Angebot zurückgewiesen, sich aber offen für höhere Gebote gezeigt.

Das Bieter-Konsortium kündigte an, mit einzelnen Anteilseignern sprechen zu wollen, um anschließend über ein eventuell weiteres Angebot zu beraten. Das aktuelle Gebot entspricht einem Aufschlag auf den aktuellen Aktienkurs von 18 Prozent – der AGL-Vorstand machte aber deutlich, dass ein Premium um mindestens 30 Prozent auf den aktuellen Kurs notwendig sei. Nach Bekanntwerden der Ablehnung des ersten Angebots, sprang der Aktienkurs ein Stück nach oben.

Was haben Grok Ventures und Brookfield vor?

Brookfield ist eine in Europa wenig bekannte Investmentgesellschaft, die gerade dabei ist den weltgrößten Transformations-Fonds aufzulegen. Der Brookfield Global Transition Fund soll ein Volumen von 15 Milliarden US-Dollar haben. Die Investition in den australischen Energiekonzern AGL wäre die bisher größte Investition des Fonds, sowohl im Hinblick auf das investierte Kapital als auch in Bezug auf den eingeplanten Ausbau der erneuerbaren Energien und die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen.

Das Konsortium strebt an, die Umstellung des AGL-Portfolios im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel von Paris zu finanzieren. Hierfür sind mehr als 12,5 Milliarden Euro eingeplant. Konkret sollen sieben Gigawatt Kohlekraftwerks-Kapazität durch den Ausbau von mindestens acht Gigawatt sauberer Energie sowie von Speicherkapazitäten ersetzt werden.

Hierfür habe das Konsortium den notwendigen Zugang zu Kapital, zur Fähigkeit zur Entwicklung erneuerbarer Energien sowie die umfassende Erfahrung im Besitz und Betrieb hochwertiger Infrastrukturen. Der Plan sieht vor, AGL bis zum Jahr 2035 Netto-Null-unternehmen umzubauen.

„Die Energiewende wird eine der größten Investitionsmöglichkeiten unseres Lebens sein. Wir schätzen, dass bis 2050 weltweit mehr als 150 Billionen US-Dollar investiert werden müssen, um die Dekarbonisierung der Energiemärkte und unserer Wirtschaft voranzutreiben – das sind etwa 5 Billionen US-Dollar pro Jahr.
Die Zeit zum Handeln ist jetzt gekommen.

Mark Carney, stellvertretender Vorsitzender von Brookfield Asset Management und Leiter des Bereichs Transition Investing

Wer ist AGL Energy?

AGL Energy ist ein australisches Energie-Unternehmen, das Endkunden mit Gas und Strom beliefert. Es gilt als einer der größten Anbieter mit sechs Millionen Kunden. AGL Energy ist ein Traditionsunternehmen, das ursprünglich als Australian Gas Light Company gegründet wurde – und zwar schon im Jahr 1837. Nach zahlreichen Änderungen und Umfirmierungen ist das Unternehmen heute als AGL Energy bekannt.

In den vergangenen Jahren hat AGL begonnen, in erneuerbare Energien zu investieren – wie etwa Windkraftanlagen oder das Wasserkraftwerk in Victoria’s High Country.

Derzeit liegen Pläne vor, das Unternehmen im Juni aufzuspalten, und die Kohlesparte als Accell Energy eigenständig fortzuführen. Es bestehen aber Zweifel, welche Auswirkungen dies auf die Strompreise für Endkunden haben wird. Während das Bieterkonsortium davon überzeugt ist, dass erneuerbare Energien preissenkend wirken werden, hält das auch der australische Ministerpräsident Morrisson für unwahrscheinlich.

AGL emittiert mehr als Schweden

Welchen Impact die Übernahme durch Grok Ventures und Brookfield haben könte, wir mit dieser Zahl deutlich: AGL ist für acht Prozent der australischen Emissionen verantwortlich. Das ist mehr (!) als die derzeitigen Emissionen des australischen Inlands- und internationalen Luftverkehrs zusammen oder bezogen auf Länder mehr als Schweden, Irland oder Neuseeland. Würde das Projekt gelingen, wäre es eines der größten Dekarbonisierungsprojekte der Welt. Es würde zeigen, dass Australien in der Lage ist, Projekte von globaler Bedeutung durchzuführen.

Das Konsortium hat sich nach eigener Aussage verpflichtet, mit allen Interessengruppen und Regulierungsbehörden zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass der Übergang erreichbar ist. Die Versorgung der Kunden des Unternehmens wird weiterhin im Vordergrund stehen. Daher werden thermische Kapazitäten erst dann vom Netz genommen, wenn sie durch erneuerbare Energien und Speicher ersetzt wurden, um Netz- und Preisstabilität sowie Zuverlässigkeit zu gewährleisten.

Dieser Vorschlag bedeutet billigere, sauberere und zuverlässigere Energie für die Kunden. Er wird über 10.000 australische Arbeitsplätze schaffen und sicherstellen, dass die Kunden nicht die Hauptlast der höheren Strompreise tragen müssen – ein wahrscheinliches Szenario, wenn die vorgeschlagene Aufspaltung stattfindet.

Mike Cannon-Brookes, CEO Grok Ventures

Mike Cannon-Brookes ist Mit-Gründer und Co-CEO des Software-Riesen Atlassian. Mit Grok Ventures investiert Cannon-Brookes seit Jahren in Unternehmen, die die Transformation vorantreiben. Einige von ihnen sind:

  • SunDrive Solar
  • Fable Food
  • Vow Food
  • Zoox
  • Brighte
  • HST Clean Energy

Zusammengefasst investiert das Unternehmen in Clean Food-Alternativen, autonomes Fahren, Elektromobilität und Erneuerbare Energien.

Cannon-Brookes motivierte Elon Musk

Cannon-Brookes hat bereits einige Erfahrung im Bereich der erneuerbaren Energien. Im Jahr 2019 tat er sich mit Australiens zweitreichster Person – dem Bergbaumogul Andrew Forrest – zusammen, um ein Projekt namens Sun Cable zu finanzieren, das Strom von einer riesigen Solarfarm in Nordaustralien über ein Unterseekabel nach Singapur liefern soll.

Im Jahr 2017 überzeugte er auch Elon Musk, eine riesige Batterie zur Speicherung von Windenergie in Südaustralien zu bauen, nachdem er mit ihm eine Wette auf Twitter abgeschlossen hatte.

Gelingt der Coup des Konsortiums, könnten sich weitere Milliardäre angespornt fühlen, ähnliche Husarenstücke zu vollbringen. Klar ist aber auch, dass Brookfield nicht aus Nächstenliebe handelt, sondern Rendite erwirtschaften muss. Wird es gelingen?

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

Cleantech-UnternehmenElektromobilitätEnergie News bei CleanthinkingErneuerbare EnergieKlimaTesla News - Übersicht über den Konzern bei Cleanthinking