Solar Geoengineering: Was hat das Cleantech-Startup Make Sunsets vor?

Make Sunsets will reflektierende Wolken in der Stratosphäre erzeugen und natürliche Prozesse nachahmen, um die Temperatur auf der Erde zu senken.

Bisher sind Projekte, die als Solar Geoengineering verstanden werden, in der Regel gescheitert. So beispielsweise der Versuch von Harvard-Forschern wie Frank Keutsch, Kalziumkarbonat von Schweden aus per Ballon in die Stratosphäre zu bringen. Die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Widerstände waren zu groß. Jetzt prescht ein amerikanisches Cleantech-Startup namens Make Sunsets vor, das einen ähnlichen Ansatz vorantreibt – bisher unter dem Radar der Öffentlichkeit. Was hat Make Sunsets vor?

Unter Solar Geoengineering versteht man die gezielte Beeinflussung des Klimas, indem mehr Sonnenlicht in den Weltraum zurück reflektiert und ein natürlicher Prozess nachgeahmt wird, der nach großen Vulkanausbrüchen auftritt. Theoretisch könnte das Versprühen von Schwefel und ähnlichen Partikeln in ausreichenden Mengen die globale Erwärmung abschwächen. Auf diesen, wissenschaftlich kaum praktisch erforschten Effekt, setzt Make Sunsets.

Die Behauptungen von Make Sunsets auf der eigenen Webseite sind überraschend bis abenteuerlich. Das Cleantech-Startup behauptet, das Ausbringen von einem Gramm Schwefel in 20 Kilometer Höhe erzeuge so viel Strahlungsantrieb wie eine Tonne Kohlendioxid, die in die Atmosphäre gelange. Bedeutet: Für 10 Dollar für ein Gramm Schwefel soll der wärmende Effekt von einer Tonne CO2 ausgeglichen werden. Entsprechende Kälte-Zertifikate verkauft Make Sunsets bereits, um zukünftige Flüge mit den Ballons in 20 Kilometer Höhe finanzieren zu können.

Hinter dem umstrittenen Vorhaben steckt Luke Iseman. Er ist Mitbegründer und Geschäftsführer von Make Sunsets – und hatte vorher eine führende Rolle bei Y Combinator inne. Liest man seine Blogbeiträge wird klar: Iseman will die verbleibenden Jahre, in der die Welt das errechnete CO2-Budget aufbraucht, nutzen, um die Technik des Solar Geoengineering konsequent zu erforschen. Dabei gibt ihm durchaus Auftrieb, dass auch das Weiße Haus auf Geoengineering setzt – und das in einem fünfjährigen Forschungsplan niedergeschrieben hat.

Die Partikel sollen zwischen sechs Monaten und drei Jahren in der Atmosphäre verbleiben und sich anschließend wieder auf der Erde absetzen. Dort werden sie nach Angaben des Cleantech-Startups biologisch abgebaut. Es handele sich um die günstigste und am Besten skalierbare Technologie zur Reduktion der globalen Temperatur. Die Behauptung 50 Milliarden Dollar pro Jahr würde ausreichen, die Temperatur wieder auf vorindustrielles Niveau zu reduzieren.

Um die Provokation perfekt zu machen, behauptet Luke Iseman bereits im April diesen Jahres von Mexiko aus zwei Testballons in die Stratosphäre gebracht zu haben – ohne Sensorik und Überwachung an Bord. Stattdessen haben die beiden Probeläufe jeweils 10 Gramm Schwefel in die Atmosphäre gebracht.

Iseman ist sich bewusst, dass er sowohl von Kritikern des Solar Geoengineering als auch von Forschern auf diesem Gebiet für diesen Schritt an den Pranger gestellt werden wird. Aber er sagt, der Klimawandel sei eine so ernste Bedrohung und die Welt habe sich so langsam bewegt, dass jetzt radikalere Eingriffe erforderlich seien. Eine These, die nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist. Aber das im Alleingang zu tun, ohne wissenschaftliche Begleitung und Beobachtung von Konsequenzen?

ScoPEx scheitert an öffentlichem Widerstand

In den letzten Jahren ist ein vergleichbares Projekt, das von Schweden aus im Jahr 2021 bzw. 2022 starten sollte, am öffentlichen und wissenschaftlichen Widerstand gescheitert. Die Wissenschaftler um den Deutschen Frank Keutsch wollten, unterstützt von Bill Gates, mehrere Kilo Kalzium-Karbonat mit einem Ballon 20 Kilometer hoch in die Stratosphäre transportieren und dort das Kalkpulver in einer ein bis zwei Kilometer langen und mehrere 100 Meter breiten Wolke freisetzen.

Mehr dazu auf dieser Webseite. Und die taz berichtete im April 2021 unter dem Titel „Klimamanipulation abgeblasen“ über die Hintergründe. Zuvor hatte sich eine stattliche Anzahl Wissenschaftler sehr entschieden gegen Solar Geoengineering ausgesprochen.

Der Abbruch des Harvard-Experiments zeigt, wie umstritten die absichtlichen Eingriffe in die Stratosphäre sind. Beispielsweise ist kaum untersucht, welche Effekte sich aus dem Solar Geoengineering in unterschiedlichen Regionen ergeben können. Weitere Bedenken sind unter dem Artikel als Hintergrund zusammengefasst.

Solar Geoengineering braucht Regeln

Die schlechten Nachrichten der Klimawissenschaft in den vergangenen Monaten zeigen: Die Menschheit hat nicht mehr viel Zeit, um die Transformation und somit Abkehr von fossilen Brennstoffen hinzubekommen. Insofern kann Solar Geoengineering durchaus eine bedeutsame Lösung sein, vorausgesetzt diese wird nicht als Alternative, sondern als zusätzliche Notfall-Maßnahme betrachtet. Genau diese Logik ist der Antrieb von Luke Iseman provozierend durch den Verkauf von Kühl-Zertifikaten für 2023-Flüge voranzugehen.

Trotzdem kann es – so die Aussage von Wissenschaftlern in einem Beitrag des MIT Technology Review – zu einem Rückschlag für die Wissenschaft im Bereich Solar Geoengineering führen. Insbesondere stößt sauer auf, dass ein privates Startup-Unternehmen, noch dazu Venture Capital-finanziert, eine solche Lösung anbietet. Make Sunset würde dadurch dazu neigen, Risiken kleinzureden und Chancen zu übertreiben.

Letztlich kann Iseman’s mediales Vorpreschen durchaus eine Debatte um Solar Geoengineering entfachen – insbesondere aber auch über die Frage, unter welchen Bedingungen und Regeln entsprechende Projekte durchgeführt werden können.

Make Sunsets hofft, in 2023 genügend Geld durch den Verkauf der Zertifikate einzunehmen, um die Schwefelmengen, die in die Atmosphäre gebracht werden, zu erhöhen, Telemetriegeräte und Sensoren zu integrieren und letztlich wiederverwendbare Ballons zu nutzen. Das Versprechen lautet, dass die Daten rund um künftige Starts veröffentlicht werden sollen.

„Ich möchte so schnell wie möglich so viel Abkühlung wie möglich schaffen, und zwar für den Rest meines Lebens“, sagt Iseman und fügt hinzu, dass sie im Jahr 2023 so viel Schwefel freisetzen werden, wie „wir von unseren Kunden bezahlen können“. Bislang hat das Unternehmen 750.000 Dollar an Finanzmitteln von Boost VC und Pioneer Fund erhalten – zwei Partner, die übrigens ebenfalls Kühl-Zertifikate erworben haben.

Hintergrund: Was ist Solar Geoengineering?

Solar Geoengineering ist ein möglicher Ansatz zur Lösung des Problems des Klimawandels, bei dem die Energiebilanz der Erde absichtlich so verändert wird, dass mehr Sonnenlicht zurück ins All reflektiert wird, um den Planeten abzukühlen. Dazu werden in der Regel kleine Partikel in die obere Atmosphäre gesprüht, die das Sonnenlicht streuen und die Menge der Sonnenenergie, die die Erdoberfläche erreicht, verringern können.

Solar Geoengineering befindet sich noch in der Versuchsphase und wurde bisher noch nicht in großem Maßstab eingesetzt. Der Ansatz ist mit vielen Unsicherheiten und potenziellen Risiken behaftet und wird nicht als Ersatz für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen angesehen. Stattdessen wird er in der Regel als ein möglicher ergänzender Ansatz betrachtet, der in Verbindung mit anderen Strategien zur Bekämpfung des Klimawandels eingesetzt werden könnte.

Zu den Vorteilen des Solar Geoengineerings gehört die Möglichkeit, die globalen Temperaturen schnell zu senken, was dazu beitragen könnte, die Auswirkungen des Klimawandels wie Hitzewellen und den Anstieg des Meeresspiegels abzuschwächen. Es gibt jedoch auch potenzielle Nachteile des solaren Geoengineerings, darunter das Risiko unbeabsichtigter Folgen und die Möglichkeit, dass es als Ersatz für die Verringerung der Treibhausgasemissionen eingesetzt werden könnte, was langfristig eine viel wirksamere Lösung für das Problem des Klimawandels wäre.

Hintergrund: Welche Bedenken gibt es?

Solar Geoengineering ist die absichtliche Manipulation des Klimasystems der Erde, um die durch Treibhausgase verursachte Erwärmung auszugleichen. Es gibt eine Reihe potenzieller Probleme, die mit dem solaren Geoengineering verbunden sind, darunter:

  • Unbeabsichtigte Folgen: Eingriffe in das solare Geoengineering könnten unbeabsichtigte Folgen für regionale oder globale Wettermuster, Ökosysteme und die Nahrungsmittelproduktion haben. So könnte beispielsweise die Verringerung der Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche die Niederschlagsmuster verändern und in einigen Gebieten zu Dürren führen, während in anderen Gebieten mehr Regen fällt.
  • Begrenzte Wirksamkeit: Solar Geoengineering ist kein Ersatz für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Es kann die durch Treibhausgase verursachte Erwärmung nur teilweise ausgleichen und würde andere Auswirkungen des Klimawandels, wie die Versauerung der Ozeane, nicht bekämpfen.
  • Abhängigkeit von der Technologie: Das solare Geoengineering ist auf den Einsatz von Technologien zur Beeinflussung des Klimasystems der Erde angewiesen, die durch eine Vielzahl von Faktoren, einschließlich technischer Fehlfunktionen oder politischer Instabilität, gestört werden könnten.
  • Ethische Bedenken: Es gibt auch ethische Bedenken gegen den Einsatz von Solar Geoengineering. So wird zum Beispiel argumentiert, dass reiche Länder auf diese Weise eine Reduzierung ihrer eigenen Treibhausgasemissionen vermeiden könnten, während ärmere Länder die Last der negativen Folgen tragen.
  • Fehlende Governance: Derzeit gibt es keinen internationalen Rahmen für die Regulierung des solaren Geoengineerings. Dies könnte dazu führen, dass ein Land oder eine Gruppe von Ländern beschließt, solares Geoengineering ohne die Zustimmung anderer Länder durchzuführen, was zu Konflikten oder unbeabsichtigten Folgen führen könnte.

Einschätzung von Martin Jendrischik, Gründer von Cleanthinking.de:

Was Make Sunsets vor hat, ist mit Recht höchst umstritten. Die Folgen des Einbringens von größeren Mengen Schwefelpartikel sind unabsehbar. Gut, dass das Unternehmen durch den Beitrag von Technology Review nun auf den öffentlichen Schirm gekommen ist – denn jetzt wird die Überwachung dessen, was Make Sunsets macht, verstärkt werden.

Es ist eine Guerilla-Taktik, die Iseman anwendet, um mehr Debatte, mehr Regeln und mehr Finanzierung in den Solar Geoengineering-Sektor zu bringen. Angesichts früherer, gescheiterter Versuche womöglich kein ganz falscher Gedanke. Die komplette Wissenschafts-Welt wird damit aber düpiert. Das ist schlecht, sollte sich nun nach dem öffentlichen Bekanntwerden schleunigst ändern. Denn eines ist klar: Zeit zu verlieren, haben wir nicht mehr.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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