Remilk zu Käse: Israelisches Startup hat die Formel für tierfreie Milchproteine

Milchalternative auf Basis mikrobieller Fermentation kann wie gewöhnliche Milch verarbeitet werden – Hochland beteiligt sich an Finanzierungsrunde.

Dem Cleantech-Startup Remilk aus Israel, das Milch auf Basis tierfreier Proteine herstellt, hat im April 2023 die erste Genehmigung zum Verkauf kultivierter Milch in Israel erhalten. Das Verfahren der mikrobiellen Fermentation ähnelt der Möglichkeit, Fleisch im Bioreaktor auf Basis von Stammzellen zu züchten. Vorteil der Fake-Milch: Im Gegensatz zu pflanzlichen Milchalternativen etwa von Oatly aus Schweden, kann die Milch aus Israel wie gewöhnliche Kuhmilch verarbeitet werden – genau deshalb hat sich eine deutsche Familienkäserei an Remilk beteiligt. Die Vergabe der Genehmigung durch den israelischen Gesundheitsminister im April 2023 ist ein bedeutender Meilenstein für die gesamte Branche.

Denn das historische Ereignis ebnet den Weg für die Vermarktung und den Verkauf von nicht-tierischen Milchprodukten, die mit Remilk für israelische Verbraucher hergestellt werden. Es etabliert das Land auch als eines der ersten der Welt, das den Menschen Zugang zu nachhaltigen, echten Milchprodukten bietet, die ohne Kühe hergestellt werden und frei von Laktose, Cholesterin, Antibiotika und Wachstumshormonen sind.

Mit der erteilten Genehmigung steht die Produkteinführung gemeinsam mit der Central Bottling Company durch Remilk unmittelbar bevor. Vision des Cleantech-Unternehmens ist es, neue Lebensmittelsysteme zu schaffen, die nahrhafte und qualitativ hochwertige Lösungen für die wachsende Weltbevölkerung bieten können.

Vor einem Jahr, im April 2022, hatte sich Remilk mit einer Finanzierungsrunde von ca. zehn Millionen Euro auf die globale Markteinführung der eigenen Produkte vorbereitet. Das Cleantech-Unternehmen gibt Milchverarbeitern wie der traditionsreichen Familienmolkerei Hochland aus dem Allgäu ganz neue Möglichkeiten: Sie können plötzlich neben der Milch vom Erzeuger auch die Alternative aus dem Fermenter verarbeiten – und so viel leichter vegane Produkte schaffen, die etwa ganz natürlich laktosefrei sind.

Das Unternehmen hat bis heute mehr als 130 Millionen US-Dollar eingesammelt.

Das Erste, im Labor hergestellte Milchprodukt von Remilk auf Basis der Formel für tierfreie Milchproteine, ist nach Unternehmensangaben von natürlichen Milchprodukten nicht zu unterscheiden. Das ist die entscheidende Voraussetzung dafür, den authentischen Geschmack und die Textur von Milchprodukten wie Käse, Joghurt und Sahne ohne tierische Proteine zu ermöglichen. Das von den Israelis entwickelte Verfahren ist patentiert, und in der Lage, die Eigenschaften von Milchproteinen zu replizieren.

„Unsere proprietäre Technologie liefert das authentischste tierfreie Milchprodukt auf dem Markt und ist identisch mit natürlichen Milchprodukten. Mit unseren neuen Partnerschaften für Produktion und Vertrieb werden wir bald bereit sein, diese Multimilliarden-Dollar-Industrie neu zu erfinden.“

Aviv Wolff, Mitgründer und CEO von Remilk

Finanzierungsrunde für Remilk

Die im Dezember abgeschlossene Finanzierungsrunde in Höhe von ca. 10 Millionen Euro wurde von fresh.fund angeführt. Beteiligt haben sich OurCrowd, CPT Capital, ProVeg sowie die Lebensmittelhersteller Hochland, Tnuva und Tempo. Außerdem trugen einige Serienunternehmer (wie Bradley Bloom oder Sake Bosch) bei. Die Runde war sogar größer als vorgesehen – es ist davon auszugehen, dass 2021 eine weitere folgen wird.

Die kommerziellen Herstellungs- und Vertriebspartner von Remilk nutzen die funktionale tierfreie Milch als Ausgangsmaterial für die großtechnische Milchproduktion. Die Hochland Gruppe, die jährlich rund 380.000 Tonnen Käse, herstellt – und dabei bereits intensiv auf Nachhaltigkeit achtet – sieht in der Technologie eine „interessante Möglichkeit, innovative und nachhaltige Produkte zu entwickeln.“

„Sich auf Tiere zu verlassen, um unsere Nahrung zu produzieren, ist nicht mehr nachhaltig. Dieses Modell der Lebensmittelproduktion hat seine Grenzen in Bezug auf Umfang, Reichweite und Effizienz fast erreicht, und die Folgen sind verheerend für unseren Planeten. Remilk verändert die Art und Weise, wie wir Lebensmittel auf der ganzen Welt produzieren, und, was noch wichtiger ist, es schafft ein nachhaltiges und umweltfreundliches Lebensmittelsystem, das nicht mehr verbraucht, als unser Planet geben kann“, so Aviv Wolff.

Die Produkte sind cholesterinfrei und enthalten keine Laktose, Antibiotika oder Wachstumshormone. Dazu ist Remilk nachhaltiger und umweltfreundlicher als herkömmliche Molkereiprodukte. Für die Herstellung wird ein Prozent der Fläche, vier Prozent der Rohstoffe und zehn Prozent des Wassers benötigt.

Zum Vergleich: Traditionelle Milchwirtschaft benötigt mehr als 1.000 Liter Wasser, um einen Liter Milch zu produzieren. Die Tierhaltung verursacht ca. 14,5-18 Prozent der Treibhausgasemissionen – mehr als die gesamte globale Automobilindustrie. 91 Prozent der Regenwaldflächen, die abgeholzt werden, soll Platz für Rinderzucht und Soja-Anbau schaffen.

Am 7. Januar 2022 machte Remilk den nächsten Schritt in Richtung Finanzierung: In der Series-B-Kapitalrunde sicherte sich das Unternehmen frisches Kapital in Höhe von 120 Millionen US-Dollar. Die Runde wurde von Hanaco Ventures angeführt. Der Milchproteinhersteller soll ein Hauptakteur der Branche für kultivierte Milchprodukte werden.

Europäische Produktion in Dänemark

Im April 2022 gab Remilk die Pläne zum Bau seiner ersten eigenen Anlage zur Produktion von tierversuchsfreier Milchprodukte bekannt. Es ist die weltweit größte Anlage ihrer Art – und sie soll in Dänemark entstehen. Damit kommt das Unternehmen der großtechnologischen Produktion von Milchproteine, gewonnen durch Präzisionsfermentation, wieder einen Schritt näher. Entstehen soll die großer Produktionsstätte auf einem Grundstück in Kalundborg. Eine gute Standortwahl: Denn dort befindet sich ein nachhaltiges, industrielles Ökosystem, das öffentliche und private Unternehmen umfasst – künftige Nachbarn sind etwa Novozymes oder Novo Nordisk.

Insbesondere produziert der auf Hefe basierende Fermentationsprozess nicht-tierische Milchproteine wie Kasein oder Molke ​​zur Verwendung in Milchprodukten. Laut den Unternehmensangaben ist das Ergebnis die Herstellung von Produkten, die in Geschmack und Funktion nicht von traditionellen Milchprodukten zu unterscheiden sind. Konkret möchte Remilk sowohl Beta-Lactoglobulin, das wichtigste Molkenprotein von Kuh- und Schafsmilch, wie auch Kaseinproteine ​​Alpha 1, Alpha 2, Beta und Kappa herstellen.

Auch Alpha-Lactalbumin – das wichtigste Serumprotein der Muttermilch, das auch in Kuhmilch vorkommt – ist ebenfalls auf dem Radar von Remilk. Das israelische Unternehmen konzentriert sich auf den B2B-Markt und sucht Partnerschaften mit Unternehmen, die Fertigprodukte auf dem Milchmarkt herstellen.

(Dieser Artikel erschien zunächst am 23. Dezember 2020, wurde im am 27. April 2023 zuletzt erweitert)

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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