Reverion: Reversible Brennstoffzellen für die Energiewende

Cleantech-Unternehmen Reverion aus Bayern will Biogas-BHKWs mit effizienter und flexibler Technologie ersetzen.

Nach dem Atomausstieg müssen die erneuerbaren Energien erwachsen werden. Das bedeutet den Einsatz von Technologien zur Digitalisierung und Flexibilisierung ebenso wie die verstärkte Nutzung von Speichern. Und: Bislang nicht optimal genutzte erneuerbare Energien wie etwa Biogasanlagen werden im Hinblick auf Strom- und Wärmeerzeugung sowie Energiespeicherung an Bedeutung gewinnen. Das Cleantech-Unternehmen Reverion hat hierfür eine besonders elegante Lösung entwickelt, die besonders Landwirten, die auch als Energiewirte unterwegs sind, deutlich mehr Ertrag versprechen.

Reverion hat in den vergangenen Jahren die Technologie der Hochtemperatur-Brennstoffzelle entwickelt und patentiert. Es ist eine Lösung, auf die beispielsweise auch das Cleantech-Unternehmen Sunfire Fuel Cells setzt. Reverion bezeichnet sein System als „erste Komplettlösung mit einem reversiblen Systemdesign.“ Es soll Biogas und Wasserstoff mit einem Wirkungsgrad von 80 Prozent elektrochemisch in Strom umwandeln und in den Elektrolyse-Modus wechseln können. In diesem Modus – das macht die Reversibilität aus – kann dann grüner Wasserstoff oder in Verbindung mit Kohlendioxid Methan erzeugt werden.

Konventionelle Blockheizkraftwerke (BHKW) arbeiten in der Regel mit Gasmotoren, die einen Wirkungsgrad von maximal 40 Prozent aufweisen. Heutige Brennstoffzellensysteme schaffen eine etwas höhere Effizienz bei 50-60 Prozent. Sie haben aber den Nachteil, dass sie nur zirka 70 Prozent des eingesetzten Biogases nutzen können. Der Grund: Das Gas muss zum Schutz der Brennstoffzellen im Überschuss zugeführt werden. Und genau dieses Überschussgas muss verbrannt werden.

Die Reverion-Anlagen bieten hingegen den Vorteil, dass sie das verbrauchte Biogas „regenerieren“ können und es so der Brennstoffzelle wieder zuführen können. Durch diesen Wirkungskreislauf wird das Biogas vollständig genutzt – und der Wirkungsgrad steigt auf 80 Prozent. Die Nachbehandlung des Abgases wie bei Blockheizkraftwerken entfällt.

Das einzige Abfallprodukt einer Reverion-Anlage ist reines, biogenes CO2, das etwa zur Methanisierung genutzt oder gespeichert werden kann. Je mehr Strom erzeugt wird, desto mehr Kohlenstoff wird gebunden.

Mission: konventionelle Kraftwerk weltweit ersetzen

Reverion will perspektivisch konventionelle Kraftwerke sogar weltweit ersetzen. Der erste Markt sind aber bestehende Biogasanlagen. Hier verspricht das Cleantech-Unternehmen nicht nur Emissionsreduzierungen, sondern eine Verdopplung des Wirkungsgrades der Stromerzeugung von 40 auf 80 Prozent.

Besonders relevant ist auch die Nutzung des Rückwärts-Modus des Kleinkraftwerks. Ist etwa zur Mittagszeit (viel Sonne) oder in der Nacht (viel Wind) viel erneuerbarer Strom im Netz, kann mit dem Elektrolysemodus grüner Wasserstoff oder ein erneuerbares Erdgassubstitut gewonnen werden. Das schafft Flexibilität. Ein weiterer Vorteil ist, dass Reverions Kraftwerke (Brennstoffzellen-Modus) bei Verwendung von Biogas sogar CO2-negativ betrieben werden können. 

Als Ausgründung der Technischen Universität München begann die unternehmerische Reise von Reverion 2018. Die Mission: den Weg zu 100% erneuerbarer Energie ebnen, indem das Beste aus Biogas herausgeholt wird. Seitdem ist das Team gewachsen und bereit, alle potenziellen Markteintrittsbarrieren zu überwinden.

Die Gründer von Reverion sind Stephan Herrmann (CEO & Geschäftsführer), Felix Fischer (COO & Geschäftsführer), Maximilian Hauck (CTO), Jeremias Weinrich (CPO) und Luis Poblotzki (CDO).

Wie Land- und Energiewirte profitieren

Die Reverion-Technologie will die bisherigen Probleme von Biogas-Blockheizkraftwerken aus der Welt schaffen und Land- und Energiewirten damit höhere Erlöse bescheren. Denn bislang kann es trotz EEG-Vergütung zu Unwirtschaftlichkeit kommen. Mit dem neuen System soll sich der Umsatz um den Faktor 5 steigern lassen – und das auf Basis der identischen Menge Biomasse.

Bisherige Biogasanlagen nutzen nur 40 Prozent des Energiepotenzials und stoßen mehr als 90 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus. Zum Vergleich: Reverion-Anlagen ermöglichen die Verdopplung der Stromproduktion aus Biogas und erzeugen sogar negative Emissionen von bis zu 170 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich.

Reverion sammelt 8,5 Millionen Venture Capital

Im April 2023 hat Reverion eine Finanzierungsrunde über 8,5 Millionen Euro abgeschlossen. Beteiligt haben sich UVC Partners, Green Generation Fund, Extantia Capital, Coral Energy-Tech Ventures und die Landwärme GmbH. Mit dem frischen Geld soll die Produktion der ersten Biogaskraftwerke mit Reverion-Technologie vorangetrieben werden: Die ersten 100 Kilowatt- und 500-Kilowatt-Systeme im Standard-Container werden noch dieses Jahr ausgeliefert – heutige Bestellungen aber erst ab Sommer 2024 bedient. Die Nachfrage – das zeigt auch die illustre Runde der Investoren – ist beträchtlich.

Zudem erhielt Reverion 12 Millionen Euro Forschungsmittel, die für die weitere Anlagen-Entwicklung eingesetzt werden. Mit einer neuen Technologie können Betreiber von Biogasanlagen ihre Einnahmen durch dieselbe Menge Biomasse sogar um bis zu 400 Prozent steigern.

Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking.de:

Mit seiner flexiblen Technologie wertet Reverion Biogasanlagen erheblich auf. Gerade die Stromproduktion dann, wenn die Sonne nicht scheint (tagsüber) oder der Wind nicht so kräftig weht, ist wichtig, damit die erneuerbaren Energien erwachsen werden können. der Ansatz der Kombination mit Biogasanlagen macht Sinn und unterstützt das dezentrale Energiesystem der Zukunft.

Generell gibt es aber zahlreiche Konzepte, wie das Potenzial von Biogasanlagen genutzt werden kann – der Kraftstoffhersteller Caphenia etwa interessiert sich für das dort hergestellte Methan. Auf der anderen Seite hört das Geschäftsmodell des bayerischen Cleantech-Unternehmens Reverion bei Biogasanlagen nicht auf: Auch die ersten Industrieunternehmen greifen bereits auf die Technologie in Containerbauweise zurück, und interessieren sich vor allem für deren Skalierbarkeit.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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