Transparenz und Risiko: Entscheidende Phase für Tesla Gigafactory 4 beginnt

Genehmigungsunterlagen liegen laut MLUK ab morgen vor Ort und im Internet aus / Einwendungen bis 3. September 2020 möglich

Das Genehmigungsverfahren für die Tesla Gigafactory 4 in Grünheide (Mark) geht in die entscheidende Phase. Ab dem morgigen Donnerstag liegen die Unterlagen für die Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz sowohl zur Einsicht direkt vor Ort als auch über ein Internetportal auf digitalem Wege aus. Tesla hat Änderungen vorgenommen – unter anderem wurde der maximale Wasserbedarf reduziert und die Pfahlbauweise ergänzt.

Seit im November 2019 bekannt wurde, dass Tesla den Bau der Gigafactory 4 in Grünheide bei Berlin plant, ist so einiges rund um das Grundstück passiert. Im Dezember wurde das Grundstück verkauft. Zwischenzeitliche Proteste von Umweltschützern sind ebenso im Sande verlaufen wie Bedenken von Tier- und Naturschützern. Für die Rodung des Nutzwaldes auf dem von Tesla erworbenen Grundstück wurde schon begonnen, neuen Mischwald zu pflanzen.

Ameisenhaufen und andere Tiere wurden erfolgreich umgesiedelt, so dass auch diese Bedenken durch die Tatsachen oder gerichtliche Entscheidungen verstreut wurden. Immer klarer wird aber, wie schnell die Unterlagen für die Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erstellt werden mussten. Tesla hat seitdem – auch teilweise auf direktes Betreiben von Elon Musk – deutlich nachgebessert.

So kam beispielsweise eine Lackierer zu den Plänen hinzu. Das Dach der Gigafactory 4 ziert jetzt in den Plänen eine Photovoltaikanlage (Lesen Sie hier: Was sind Vorteile und Nachteile einer solchen Anlage?). Und: Aufgrund der Proteste zum Wasserbedarf des Fahrzeugwerks wurde nun entschieden, Teile der wasserintensiven Produktion an einem anderen Ort vorzunehmen. Dadurch wurde der maximale Wasserbedarf um ein Drittel reduziert, was die Genehmigung erleichtert.

Dieser Screenshot aus dem örtlichen Amtsblatt zeigt, wie viele Veränderungen zwischen Januar und heute vorgenommen wurden:

Erweiterungen der Genehmigungsunterlagen von Tesla – erster Hinweis.

Überraschend ist dabei vor allem, dass die Batteriepacks nicht mehr auf dem Gelände gebaut werden sollen. Eine Kunststofffertigung entfällt. Die Schienenanbindung soll verbessert und damit die Verkehrsbelastung reduziert werden. Dazu wird die Antriebs-Fertigung ausgelagert in ein eigenes Gebäude. Das Gelände bekommt ein Gebäude für eine Werksfeuerwehr und ein Gefahrstofflager. Statt 154,54 Hektar Wald sollen nun 193,27 Hektar gerodet werden

Bei der jetzt ab morgen möglichen Einsichtnahme in die aktuellen Genehmigungsunterlagen sind nur noch Einwendungen zu genau solchen Veränderungen möglich, die bei der ursprünglichen Auslage noch nicht integriert waren. Damals, im Januar 2020, folgten bis März rund 300 Kommentare und Forderungen. Die öffentliche Erörterung wurde im Verfahren wegen der Corona-Krise verschoben.

Öffentliche Erörterung im September 2020 geplant

Am 23. September ist die öffentliche Erörterung nun geplant – dabei geht es dann um alle Einwände, die insgesamt vorgebracht wurden. Doch bis dahin möchte Tesla bereits mit dem Bau weiter fortgeschritten sein. Mittlerweile werden die Fundamente auf dem Grundstück gesetzt, die Pfähle im Boden verankert. Gleichzeitig hat Tesla beantragt, auch mit dem Rohbau beginnen zu dürfen.

Klar ist: Bis 23. September bzw. zur endgültigen Entscheidung über die Genehmigung macht Tesla alle Baumaßnahmen auf eigenes Risiko. Im Falle einer – unwahrscheinlichen – Nicht-Erteilung der Genehmigung müsste Tesla den ursprünglichen Zustand wieder herstellen. Angesichts der Zeitplanung, unbedingt bis Mitte kommenden Jahres produktionsbereit zu sein, wäre ein Abwarten bis Ende September kontraproduktiv.

Dennoch wandelt Tesla zwischen Transparenz und Risiko: Umweltschutzverbände haben die Kalifornier dafür gelobt, sehr auf Vorschläge einzugehen. Gleichzeitig monieren die beteiligten Ministerien, dass bei Tesla außer Elon Musk via Twitter kaum jemand sprechen würde. Präsenz vor Ort ist nur sehr eingeschränkt vorhanden. Durch die Corona-Pandemie hat es bislang auch keinen weiteren Besuch des CEO in Grünheide gegeben – es ist aber davon auszugehen, dass sich das in den kommenden Wochen ändern wird.

Wie können Bürger Einsicht nehmen?

Die geänderten Unterlagen werden ab morgen und bis Anfang August ausgelegt, tweetete das zuständige Ministerium heute:

Das Wälzen der Ordner ist während der Dienstzeiten im Landesamt für Umwelt (Frankfurt/Oder(), im Rathaus der Gemeinde Grünheide, im Rathaus Erkner sowie im Amt Spreenhagen möglich. Wegen der Pandemie-Vorschriften allerdings nur nach vorheriger telefonischer Anmeldung. Damit soll die Personenzahl begrenzt werden.

Für volle Transparenz trotz Risiko sorgt auch diese Maßnahme: „Das Landesamt für Umwelt hat in Abstimmung mit Tesla entschieden, dass aufgrund des großen Interesses der Öffentlichkeit alle vom Vorhabenträger eingereichten, umfangeichen Unterlagen veröffentlicht werden – über die gesetzliche Pflicht hinaus.

Das betrifft neben den Unterlagen, die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt und die Allgemeinheit erkennen lassen (Auslegung gesetzlich vorgeschrieben), auch bautechnische Unterlagen, Bauzeichnungen, detaillierte Beschreibungen der einzelnen Betriebseinheiten sowie von Lageranlagen und Logistik.“

All diese Unterlagen des Antrags sind bis zum 3. August 2020 im zentralen Portal zur Umweltverträglichkeitsprüfung des Landes Brandenburg (kurz: UVP-Portal) veröffentlicht. Die ursprünglichen Unterlagen sind unter der Registrierungsnummer G07819 auch weiterhin abrufbar. Bei der Eingabe von Tesla in die Suchmaske werden morgen die vollständigen Genehmigungsunterlagen hinzukommen. Das Formular für Einwendungen ist hier zu finden.

Die öffentliche Erörterung schließlich wird – aus heutiger Sicht – am 23. September ab 10 Uhr in Erkner stattfinden. Schon bis Ende dieser Woche werden Tesla-Quartalszahlen erwartet – hier mehr dazu in der Analyse der Aktie.

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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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