Wieso Montpellier statt auf Wasserstoff- nun auf Elektro-Busse setzt

Mobilitäts-Vorzeigeprojekt Montpellier Horizon Hydrogène wird vorerst nicht realisiert.

Die Entscheidung der französischen Küstenstadt Montpellier, auf die Anschaffung von 51 Wasserstoffbussen im Vorzeigeprojekt Montpellier Horizon Hydrogène aus ökonomischen Gründen zu verzichten, ist bemerkenswert. Die Abkehr von den ursprünglichen Plänen dürfte auch für andere europäische Städte Signalwirkung haben und bei Stadtplanern und Bürgermeistern den Fokus darauf verstärken, dass neben den Anschaffungskosten auch die operativen Betriebskosten von wasserstoffbetriebenen Bussen zu hoch sind.

Montpellier ist eine französische Küstenstadt mit 300.000 Einwohnern. Seit 2019 läuft das Projekt Montpellier Horizon Hydrogène neben dem Kauf von 51 Wasserstoff-Bussen des belgischen Herstellers van Hool auch den Aufbau einer Wasserstoffproduktionsanlage mit einer Kapazität von 800 Kilogramm pro Tag sowie einer Photovoltaikanlage (2,8 MWp) vorsah. Beteiligt sollten u.a. der Solarenergieausrüster Energies du Sud und Hynamics, eine Tochter von EDF, sein.

Montpellier Horizon Hydrogène entstand einst auf Initiative des früheren Bürgermeisters Philippe Saurel. Ab 2023 sollten 21 Wasserstoffbusse durch die Hafenstadt fahren – 30 weitere dann ab 2025. Damit sollten vier Linien betrieben werden. Eingesetzt werden sollten Niederflurbusse, die optisch eher Straßenbahnen ähneln, vom Typ Van Hool ExquiCity 18.

Die Kosten für das Projekt waren auf 29 Millionen Euro geschätzt worden – durch die Teilnahme an mehreren Ausschreibungen gelang es Montpellier aber, Förderung von 18 Millionen Euro zu erhalten. In Frankreich galt Montpellier Horizon Hydrogène als Vorzeigeprojekt für die Nutzung von Wasserstoff in der Mobilität.

Doch vor wenigen Tagen erklärte der amtierende Bürgermeister Montpelliers, Michaël Delafosse, die Betriebskosten der Wasserstoffbusse lägen sechsmal höher als die von Elektrobussen. „Wir verzichten also vorerst auf Wasserstoffbusse und werden 2030 sehen, ob Wasserstoff günstiger ist“, so Delafosse. Die neue Regierung der Stadt Montpellier will den öffentlichen Nahverkehr für die Einwohner kostenlos machen.

Für seine Stadt macht die Entscheidung einen gewaltigen Unterschied: Die Betriebskosten für Elektrobusse sind 2,5 Millionen Euro geringer. Während die Elektrobusse lediglich 500.000 Euro pro Jahr kosten, liegen die Kosten bei wasserstoffbetriebenen Bussen bei drei Millionen Euro. Oder umgerechnet auf den Kilometer: 15 Cent pro Kilometer gegenüber 95 Cent pro Kilometer.

Neben den operativen Betriebskosten unterscheiden sich die Busse auch bei den Anschaffungskosten: Brennstoffzellen-Busse, die mit Wasserstoff betrieben werden kosten 150.000 bis 200.000 Euro mehr. ein weiteres Problem: Der Wasserstoff aus der eigenen Erzeugungsanlage hätte für die Busse nicht ausgereicht – die Kosten für den externen Kauf von Wasserstoff waren dann zu hoch, um das Projekt wirtschaftlich weitertreiben zu können.

Um die zugesagten Fördergelder in Höhe von 18 Millionen Euro nicht zu verlieren, will sich die Regierung von Montpellier mit Hynamics zusammensetzen, um zu überlegen, ob die Wasserstoffproduktion trotzdem gebaut und sinnvoll betrieben werden kann. Über die Entwicklung in Montpellier hatte zunächst die französische Zeitung La Tribune berichtet.

Was bedeutet Montpellier für andere Städte?

Montpellier zeigt, dass wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Busse heute nicht konkurrenzfähig sind, wenn aufgrund der geographischen Bedingungen auch Elektro-Busse eingesetzt werden können. Verfügbarkeit und Preis von grünem Wasserstoff sind das entscheidende Handicap, um in größerem Maßstab entsprechende Busse zu betreiben. Anders könnte es auf der Langstrecke aussehen – aber im Stadtverkehr gibt es in dieser Dekade keine Chance, weil sowohl Betriebs- als auch Anschaffungkosten viel höher sind.

Zu dieser Erkenntnis passt auch das, was der neue Bundesverkehrsminister Volker Wissing im Deutschen Bundestag sagte: Der FDP-Minister sagte sinngemäß, es gebe auf absehbare Zeit nicht genügend E-Fuels (hergestellt auf Basis von Wasserstoff und Kohlendioxid), um PKW damit zu betreiben. Hier habe sich der reine Elektroantrieb mit Batterien als effizienteste Lösung erwiesen. Zwar schränkte Wissing noch ein, auch strombasierte Kraftstoffe würden gebraucht, etwa für Nutzfahrzeuge.

Klar ist aber: In erster Linie werden grüner Wasserstoff oder darauf basierende E-Fuels für andere Sektoren gebraucht, die schwieriger oder gar nicht elektrifiziert werden können – beispielsweise in Form von E-Methanol für Schiffsantriebe oder E-Kerosin für den Flugverkehr.

Mehr zu synthetischen Kraftstoffen gibt es auch hier. Gut, dass Volker Wissing hier im Gegensatz zur Parteilinie nun eine realistische Position eingenommen hat. Busse mit elektrischem Antrieb sind heute die wahrscheinlichste Option auch für deutsche Städte.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.