Climate Analytics: Deutschland muss 2030 raus aus der Kohleverstromung

Studie von Climate Analytics zeigt, dass nur der Kohleausstieg 2030 die Erreichung der 1,5-Grad-Grenze realistisch werden lässt.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte am Wochenende, bereits 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Eine Forderung, die auch Wissenschaftler und etwa Fridays for Future auf ihre Fahnen geschrieben haben. Eine Studie von Climate Analytics zeigt: Deutschland muss den Ausstieg definitiv bis 2030 bewältigen, um die 1,5-Grad-Grenze des Pariser KIima-Abkommens einzuhalten und der Klimakrise entschlossen entgegen zu treten.

Der Bericht von Climate Analytics zeigt, dass Deutschland bis 2030 die Stromerzeugung durch Kohle beenden muss, um seinen Beitrag für die Einhaltung der Ziele des Pariser Klima-Abkommens zu leisten. Dies ist Teil des globalen Kohleausstiegs bis 2050, der laut den Erkenntnissen des kürzlich erschienenen Sonderberichts zu 1.5°C des Weltklimarats IPCC notwendig ist.

Ein solcher Ausstieg wäre ohne Einschränkungen der Energiesicherheit und sozialverträglich zu gewährleisten und würde außerdem einen erheblichen Gesundheitsnutzen durch reduzierte Luftverschmutzung mit sich bringen.

„Durch den schnellen Ausstieg aus der Kohle zur Stromerzeugung bis 2030 könnte Deutschland sein Emissionsziel für 2020 erreichen, durch die Verringerung der Luftverschmutzung massive Gesundheitsgewinne im ganzen Land erzielen und dringend benötigten frischen Wind in die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende bringen“, betont Dr. Carl-Friedrich Schleußner, Leiter der Abteilung Klimafolgen bei Climate Analytics.

Der Bericht „Wissenschaftlich begründeter Kohle-Ausstiegspfad für Deutschland im Einklang mit der 1,5°C Erwärmungsgrenze des Pariser Klima-Abkommens“ (deutsche erweiterte Zusammenfassung hier) untersucht erstmals, was Deutschland in der Stromerzeugung tun muss, um dem Ziel des Pariser Klima-Abkommens, die Erwärmung deutlich unter 2°C zu halten und auf 1.5°C zu begrenzen, gerecht zu werden.

Der Sonderbericht des Weltklimarates (IPCC) zum 1,5-Grad-Ziel zeigt, dass bis 2030 weltweit erhebliche Minderungen der Kohleverstromung erforderlich sind und bis 2050 ein nahezu vollständiger Rückzug der Kohle aus dem Stromsektor erfolgen muss. Deutschland ist der größte Treibhausgasemittent der EU und erzeugt mehr als ein Drittel seines Stroms aus Kohle, dem umweltschädlichsten fossilen Brennstoff.

Eine Reihe anderer EU-Staaten haben bereits festgelegt, die Kohleverstromung innerhalb eines Jahrzehnts vollständig zu beenden. Deutschland hat sich mit 2038 für einen späten Ausstiegstermin ausgesprochen. Derzeit beginnt aber eine Debatte darüber, ob es nicht auch schneller gehen könnte.

Ein strukturierter Kohle-Ausstiegsplan für 2030 sowie die Stilllegung von Kohlekraftwerken bis 2020, um seit langem bestehende Ziele zu erreichen, würden den übrigen EU-Ländern und der internationalen Gemeinschaft signalisieren, dass Deutschland es weiterhin ernst meint mit der Bekämpfung des Klimawandels und der Umsetzung des Pariser Abkommens – und es würde Deutschlands Ruf als Klimaschutzvorreiter erneuern.

Paola Yanguas Parra, Leiterin der Studie und Analystin für Klimapolitik bei Climate Analytics

Der Bericht zeigt auch, dass die CO2-Emissionen bis 2020 um 42 Prozent unter das Niveau von 2017 gesenkt werden müssen, um das seit langem bestehende nationale Emissionsminderungsziel von 2020 zu erreichen, was einer Senkung um 60 Prozent gegenüber 1990 entspricht. „Nach dem von uns in diesem Bericht vorgeschlagenen Pfad müssten bis 2020 rund 16 Gigawatt (GW) Kohlekraftwerksleistung stillgelegt werden, was ein wichtiger Schritt zur Erreichung des deutschen Emissionsminderungsziels 2020 wäre“, so Parra.

Ein Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 in Deutschland würde großen Nutzen für die öffentlichen Gesundheit und damit auch für die Senkung der Gesundheitsausgaben bringen.

Der Bericht schlägt zwei konkrete, mit dem Pariser Abkommen vereinbare Zeitpläne für den Ausstieg aus der Kohleverstromung vor. Aus der „Sichtweise des Regulierers“ würden zunächst die klimaschädlichsten Blöcke geschlossen. Die „Sichtweise der Kraftwerksbetreiber“ würde stattdessen zuerst die am wenigsten wirtschaftlichen Blöcke schließen. Im Rahmen eines geplanten und strukturierten Kohleausstiegs werden die Herausforderungen der Versorgungssicherheit und die Zuverlässigkeit der Stromversorgung beherrschbar sein.

„Mehr als die Hälfte der Luftschadstoffemissionen aus Stickoxiden (NOx), Schwefeloxiden (SOx), Feinstaub (PM10) und Quecksilber aus deutschen Kohlekraftwerken bis 2030 könnten vermieden werden. Ebenso wären alle damit verbundenen gesundheitlichen Folgen, die wir untersucht haben, mehr als halbiert gegenüber der sonst zu erwartenden Entwicklung“, so Dr. Carl-Friedrich Schleußner, Leiter der Abteilung Klimafolgen bei Climate Analytic.

Neben den geringeren gesundheitlichen Folgen bringen beide vorgeschlagenen Ausstiegspläne zusätzliche Nutzen durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, tragen dazu bei, den Übergang zu einem Energiesystem ohne Kohlendioxidemissionen zu erleichtern und können Nutzen für die vom Kohleausstieg betroffenen Gemeinden zu bringen.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass eine Verzögerung des Kohleausstiegs über das Jahr 2030 hinaus dann zu deutlich abrupteren Veränderungen mit entsprechenden negativen sozialen und wirtschaftlichen Folgen führen würde.

Deutschlands historische Führungsrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und die Vorreiterrolle bei der Transformation des Energiesystems durch die deutsche Energiewende hat globale Wirkung gezeigt und dazu beigetragen, die Voraussetzungen für ein schnelles globales Handeln zu schaffen. Jetzt ist die nächste große Herausforderung der Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030.

Dr. Carl-Friedrich Schleußner, Leiter der Abteilung Klimafolgen bei Climate Analytics

Climate Analytics Report zum Download

Hier kann der Report „Science based coal phase-out pathway for Germany in line with the Paris Agreement 1.5°C warming limit“ von Climate Analytics heruntergeladen werden

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

Energie News bei CleanthinkingKlima