Energiegipfel zur Energiewende: Von der Kakophonie zum Konsens?

Bundesumweltminister Peter Altmaier: Mit Freude an die Arbeit in Sachen Energiewende (Quelle: BMU/Thomas Imo/photothek.net)

Cleantech & Energie News / Berlin. Vor dem „Energiegipfel“ im Bundeskanzleramt, zu dem u.a. die Ministerpräsidenten der Bundesländer eingeladen sind, gibt einen kaum überschaubaren, vielstimmigen Chor von Forderungen und Drohungen in Bezug auf die Energiewende. Es ist eine selten dagewesene Kakophonie der Mächtigen, die zeigt: Die Energiewende wurde in den vergangenen zwölf Monaten regelrecht verschlafen – viele Punkte blieben ungeklärt, wurden auf Umsetzungsebene nicht konkretisiert und können daher nicht in die Tat umgesetzt werden. Kraftwerksneubau, Standards für Elektromobilität oder Smart Metering sind neben dem Stromnetzausbau nur einige der Punkte, die hier zu bedenken sind. Ob der „Energiegipfel“ nun aus der Kakophonie einen nationalen Konsens machen kann? Mächtige Zweifel sind angebracht.

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Erste Amtshandlung: Es darf getwittert werden

Deutschland hat einen neuen Bundesumweltminister: Peter Altmaiers erste Amtshandlung war es, einen Twitter-Account für das Bundesumweltministerium anzukündigen. Diese Entscheidung mutet seltsam an, ist es doch nicht ansatzweise möglich, das komplizierte Thema der Energiewende über 160 Zeichen zu diskutieren und zu erklären. Wichtiger wäre eine regelmäßige Kommunikation der zuständigen Minister miteinander – und im Anschluss mit der Bevölkerung. Mit einer Stimme.

Altmaiers zweite Amtshandlung: Im Bundestag zog er sich nach Bild-Informationen eine halbe Stunde mit Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler zurück – gemeinsam „machten die Minister den Energiewende-Schwur“. Bundesumweltminister Peter Altmaier forderte dabei einen „nationalen Konsens für die Energiewende“ – immerhin, ein erstes Anzeichen von Gemeinsamkeit.

Mit der Beschaulichkeit dürfte es hingegen vorbei sein, wenn sich Bundesregierung und Länderchefs heute Vormittag im Bundeskanzleramt zum so genannten Energiegipfel treffen. Die Bundesländer haben einen Forderungskatalog für den Energiegipfel vorbereitet, in dem sie u.a. einen „Masterplan Energiewende und Energiemonitoring“ fordern. Ein Konzept also, das Ausbau von Erneuerbaren Energien und Stromnetzen, von Lösungen für Netzschwankungen oder die Anbindung der Offshore-Windenergie bundesländerübergreifend in Einklang bringt. Außerdem solle noch in diesem Jahr ein Gesetzentwurf für Investitionsanreize zum Bau neuer Kraftwerke vorgelegt werden.

Weiterhin soll – nach Informationen des Handelsblatts – ein Konzept vorgelegt werden „für die Schaffung von technologieneutralen Kapazitätsmärkten“. Damit sollen Betreiber von Kraftwerken honoriert werden, die Kapazitäten vorhalten. Hintergrund ist die Unterversorgung mit konventionellen Kraftwerken, die besonders in Süddeutschland ein Problem darstellt. Federführend bei der Ausarbeitung des Konzepts waren die Länder Schleswig-Holstein udn Rheinland-Pfalz.

Vorwürfe bestimmen das Geschehen

Unterdessen gibt es immer härtere Vorwürfe gegeneinander: Zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium, zwischen Bund und Ländern – gegenseitig schiebt man sich die Schuld dafür in die Schuhe, dass das Projekt Energiewende nicht vorangekommen sei. Auch Baden-Württembergs MInisterpräsident Kretschmann betonte, die Verantwortung liege klar beim Bund. Röttgen und Rösler hätten sich monatelang gestritten – und Merkel habe untätig zugesehen. „Die Energiewende muss man zur Chefsache machen“, so Ministerpräsident Kretschmann.

Zu den Themen bei denen Tempo erforderlich ist, gehören auch zwei im Vermittlungsverfahren steckende Gesetze: Einerseits das Gesetz zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung und andererseits die Novelle des EEG, in dem eine weitere Kürzung der Solarförderung beschlossen werden soll. Hierbei gibt es einen Vorschlag des Solarvalley Mitteldeutschland, der in eine ähnliche Richtung geht wie die Strafzölle für chinesische Solarprodukte in den USA.

„Wir wollen, dass die Aufteilung der Solaranlagen in Klassen geändert wird, zugunsten kleinerer Anlagen mit einer Leistung von 10 bis Megawattpeak“, sagte Hubert Aulich, Vorstandschef des Branchenclusters Solarvalley Mitteldeutschland. Die Branche will nun ein europäisches Bonus-Modell: Demnach sollten künftig nur noch Anlagen mit einem Anteil von mehr als 70 Prozent in Europa gefertigter Teile in den Genuss der Einspeisevergütung kommen.

Die norddeutschen Bundesländer Niedersachsen und Bremen verlangten unterdessen gar einen Masterplan Offshore, um die Probleme der Offshore-Windenergie in der Nord- und Ostsee in den Griff zu bekommen.

Bouffier fordert „Sorgfalt“ bei Energiewende

Während die meisten Ländervertreter wie etwa Heiko Maas und Matthias Machnig und Verbände wie WWF und Germanwatch aufs Tempo drücken, schlägt Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier gegenteilige Töne an: Man müsse bei der Energiewende mit mehr Sorgfalt vorgehen und sich mehr Zeit lassen, sagte Bouffier. „Wir brauchen nicht den schnellsten Weg, sondern den klügsten bei der Energiewende“, sagte Bouffier der Tageszeitung „Die Welt“. Bouffier wolle dafür eintreten, die Industrien, die viel Energie benötigen, in Zukunft nicht stärker zu belasten. „Motor des Wohlstands ist nicht der Staat, sondern die Wirtschaft“, sagte er. Dieser Wohlstand dürfe nicht dadurch gefährdet werden, dass sich die Unternehmen gezwungen sehen, aus Deutschland abzuwandern. Das habe Folgen für die einzelnen Bürger. „Der Verbraucher wird sich aber auf Mehrkosten einstellen müssen“, sagte der hessische Ministerpräsident.

Der Bundesverband Windenergie schließlich verlangte eine regelmäßigere Zusammenkunft zum Thema Energiewende: „Dieses Treffen war längst überfällig. Derartige Gipfel müssen in Zukunft regelmäßig stattfinden“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE), Hermann Albers. „Wir brauchen dringend eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern im Bereich der Energiepolitik.“

Forderungen, Ausflüchte, Vorwürfe: Die Kakophonie in einen nationalen Konsens, zumindest auf politischer Ebene, zu verwandeln, wird eine Herkulesaufgabe. Ein 90-minütiger „Energiegipfel“ mit 16 Ministerpräsidenten, Bundeskanzlerin und Bundesministern, hat kaum Aussicht auf Erfolg. Eine Aufgabe die Zeit kostet, aber mit Augenmaß erfolgen muss. Bis zur Sommerpause hat der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier nicht Zeit, liegen gebliebene Aufgaben anzupacken. Wie lange die zur Schau gestellte Einigkeit zwischen Bundesumweltminister und Bundeswirtschaftsminister halten wird, ist mehr als fraglich. Es ist ein Gremium nötig, das die Fäden in der Hand hält und die Interessen von Bund, Ländern und Kommunen berücksichtigt. Nur dann kann aus der Kakophonie ein nationaler Konsens werden. Zu befürchten ist, dass nach dem Energiegipfel die Chor der Vielstimmigkeit lange nicht verstummen wird.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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