Was ist der Klimaclub von Olaf Scholz?

Der Bundeskanzler gab den Startschuss für den Klimaclub im Rahmen von COP28 im Dezember 2023.

Die Klimakrise zwingt insbesondere die Industriestaaten dazu, ihre energieintensive Industrie zu dekarbonisieren. Bedeutet: Stahl-, Zement- oder Chemie-Industrie muss den Ausstoß von Treibhausgas-Emissionen im Idealfall auf Null senken. Doch damit sind milliardenschwere Investitionen etwa in die Direktreduktions-Route der Stahlherstellung verbunden. Das macht „saubere“ Produkte teurer – und verschafft den Ländern mit den entsprechenden Vorreitern Wettbewerbsnachteile. Eine Idee, um dieses Dilemma zu beseitigen, ist ein sogenannter Klimaclub – eine Lösung, die Bundeskanzler Olaf Scholz stark vorantreibt. Aber was verbirgt sich dahinter?

Bundeskanzler Olaf Scholz nutzt die große Bühne wie bei G7- oder G20-Gipfeln oder eben bei der Weltklimakonferenz COP27 in Ägypten, um für seine Idee zu einem Klimaclub zu werben. Damit verbindet der Kanzler insbesondere die Erwartung, die Dekarbonisierung der deutschen und europäischen Industrie entscheidend vorantreiben zu können.

Carbon Leakage vermeiden

Durch das Setzen gemeinsamer Regeln und Standards oder beispielsweise identischer CO2-Steuern unter den Mitgliedern vom Klimaclub soll das Problem des Carbon Leakage vermieden werden. Damit ist gemeint, dass diejenigen, die als Vorreiter bei der Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen, Wettbewerbsnachteile erleiden, die staatlich ausgeglichen werden müssen. Passiert das nicht, kann das dazu führen, dass die Industrie dorthin abwandert, wo die Umweltrichtlinien weniger streng sind.

Eine Deindustrialisierung Deutschlands ist aber natürlich weder wünschens- noch erstrebenswert. Aus Klimasicht bringt es keinen Nutzen, wenn Industrie von Ländern mit hohen Vorgaben in Länder mit niedrigeren Vorgaben abwandert.

Eigentlich möchte die Europäische Union die europäische Industrie als Vorreiter etwa für grünen Stahl durch eine Art Grenzsteuer schützen. Kommen also chinesische Hersteller mit günstigerem Stahl auf die Idee, diesen in Europa zu verkaufen, muss die Steuer so hoch sein, dass der nach Umweltmaßstäben schlechtere Stahl mindestens genauso viel kostet.

Doch an diesem Verfahren haben Bundeskanzler Scholz und Wissenschaftler Zweifel: Denn die Grenzsteuer ist ein bürokratisches Monstrum und könnte aufgrund ihrer Komplexität realistisch nur für sehr wenige Güter eingeführt werden.

Eine Idee von William D. Nordhaus

Die Idee stammt ursprünglich aus der Wissenschaft. Letztlich geht es um ein multinationales Handelsabkommen in der Klimapolitik. Ein solches Konzept entwarf einst der Wirtschaftswissenschaftler William D. Nordhaus. Der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz brachte den Vorschlag noch als Finanzminister in die Politik ein. Erste Eckpunkte legte Scholz im August 2021 vor.

Leitgedanke des Klimaclubs ist es, dass sich Staaten in einem multinationalen Handelsabkommen gegenseitig wirtschaftlich fördern und gemeinsame politische Rahmenbedingungen definieren, um so die globale Erwärmung zu reduzieren. So werden etwa Mindeststandards für die Einhaltung der Klimaziele vereinbart. Daneben soll auch die Transformation der Wirtschaft vorangetrieben und Handelsbeschränkungen abgebaut werden.

Strafzölle gegenüber Nicht-Mitgliedsstaaten sind aber ebenso möglich. Hierdurch sollen Anreize geschaffen werden, sich ebenfalls in Richtung einer Mitgliedschaft zu bewegen. Der Club in seiner wissenschaftlichen Grundidee ist als Ergänzung zum Übereinkommen von Paris in 2015 und zur Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen angelegt.

G7-Staaten geben Scholz Rückhalt

Die Etablierung des Clubs ist seit Sommer 2022 realistischer geworden. Die G7-Staaten haben am 28. Juni 2022 ein gemeinsame Erklärung verabschiedet. Darin heißt es, der Klimaclub solle auf folgenden Säulen beruhen:

  1. Förderung ehrgeiziger und transparenter Klimaschutzmaßnahmen zur Reduzierung der Emissionsintensität teilnehmender Volkswirtschaften auf dem Weg hin zu Klimaneutralität, indem Maßnahmen und Ergebnisse in Einklang mit unserer Zielsetzung gebracht werden, die Emissionsmessung und Emissionsberichterstattung gestärkt werden und der Verlagerung von CO2-Emissionen (Carbon Leakage) auf internationaler Ebene entgegengewirkt wird. In diesem Sinne tauschen die Mitglieder bewährte Verfahren aus und arbeiten an einem gemeinsamen Verständnis, wie sowohl die Wirksamkeit als auch die wirtschaftlichen Auswirkungen unserer Klimaschutzmaßnahmen in Übereinstimmung mit unserem Ziel der Verringerung von Emissionen bewertet werden können, etwa durch eine explizite CO2-Bepreisung oder andere Ansätze zur CO2-Minderung und Reduzierung der Kohlendioxidintensität.
  2. Gemeinsamer Umbau von Industriezweigen, um die Dekarbonisierung voranzutreiben, auch unter Berücksichtigung der Agenda für industrielle Dekarbonisierung (G7 Industrial Decarbonisation Agenda) und des Wasserstoff-Aktionspakts (G7 Hydrogen Action Pact) sowie durch Ausbau von Märkten für grüne Industrieprodukte.
  3. Verstärkung internationaler Bemühungen durch Partnerschaften und Kooperation, um Klimaschutzmaßnahmen zu fördern und zu erleichtern und die sozioökonomischen Vorteile einer Zusammenarbeit beim Klimaschutz auszuschöpfen sowie eine gerechte Energiewende zu fördern. In Ergänzung dazu haben Partnerschaften für eine gerechte Energiewende (Just Energy Transition Partnerships – JETP) das Potenzial, als Hebel für die Unterstützung und Hilfe für Entwicklungsländer bei der Dekarbonisierung von Energie- und Industriesektoren sowie für Transparenz zu wirken, unter anderem durch Entwicklung und Einsatz von finanzieller Hilfe, Unterstützung für technische Fähigkeiten und Technologietransfer in Abhängigkeit vom jeweiligen Niveau ihrer klimapolitischen Zielsetzungen.

Internationaler Klimaclub startet mit 36 Mitgliedern

Seit der offiziellen Bekanntgabe haben Scholz und das Kanzleramt unauffällig am Club gearbeitet. Doch die Bühne für den offiziellen Start und das Signal an die Welt, wie wichtig die Lösung des Klimaproblems ist, war Anfang Dezember 2023 in Dubai, bei der COP28.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, nämlich am 1. Dezember 2023, besteht der Club der Staaten aus 36 Mitgliedern. Der Vorsitz wird zunächst von Deutschland und Chile gemeinsam übernommen. Das Hauptziel besteht darin, Entwicklungsländern bei der Umstellung auf umweltfreundliche Produktionsverfahren, insbesondere in den Bereichen Stahl- und Zementherstellung, zu unterstützen und Handelsstreitigkeiten zwischen den Industriestaaten zu vermeiden. Zusätzlich zielt die Organisation darauf ab, Standards zur Messung und Bewertung verschiedener Klimaschutzmaßnahmen festzulegen.

Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler

Nach den erfolgreichen Klagen zum Klimaschutzgesetz sind COP28 und die neue Organisation sowie der Klimaschäden-Fonds entscheidende Weichenstellungen für die Bekämpfung des Klimawandels.

Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking.de

Die Idee nach dem Vorbild des Wirtschaftswissenschaftlers Nordhaus kann durchaus eine vernünftige Lösung sein, um die deutsche oder europäische Wirtschaft zu schützen. Die Frage ist, ob die damit verbundenen Mechanismen noch schnell genug greifen, bis etwa Schweden oder Deutschland mit grünem Stahl auf den Markt drängen – voraussichtlich ab 2025.

Olaf Scholz genießt mit seinem Club offenbar sowohl in der Gruppe der G7 wie auch in der Gruppe der G20-Staaten großen Respekt und entsprechendes Vertrauen. Dass er solche Projekt zum Erfolg führen kann, hat er bei der Finanztransaktionssteuer durch Hartnäckigkeit unter Beweis gestellt.

(Dieser Artikel von Martin Jendrischik erschien zuerst im November 2022. Letzte Überarbeitung am 2. Dezember 2023)

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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