Wie Tesla mit dem North American Charging Standard (NACS) das Laden von E-Autos revolutioniert

Immer mehr Hersteller von Elektroautos, Motorrädern sowie Betreiber von Ladenetzwerken schließen sich Teslas NACS an.

Immer mehr Menschen erkennen die Vorteile der Elektromobilität– und entscheiden sich für den Umstieg. Damit einher geht die Herausforderung für die Auto- oder Motorradhersteller, zuverlässige und leistungsstarke Ladeinfrastruktur bereitzustellen. Um dieses Problem zu lösen, schließen sich immer mehr Hersteller von Elektroautos und sogar Elektromotorrädern dem North American Charging Standards NACS von Tesla an – aber was verbirgt sich dahinter?

Beinahe täglich kommen derzeit Meldungen von Herstellern von Elektromobilität oder Ladeinfrastruktur, die sich dem North American Charging Standard von Tesla anschließen. Den Anfang machte vor einigen Wochen Ford – kurz darauf folgten GM, Rivian, Polestar, Lucid und Anfang Juli schließlich Mercedes-Benz, während Volkswagen, Honda oder Hyundai noch in Verhandlungen sind.

Sie alle wollen ihren Kunden den Zugang zu Tesla’s Supercharger-Netzwerk ermöglichen, weil dieses durch Verbreitung, Komfort und Zuverlässigkeit einen Standard gesetzt hat, den andere Ladenetze nicht annähernd erreichen. Tesla betreibt ein Viertel der Schnellladeinfrastruktur in den USA. „Wer seinen amerikanischen Kunden flächendeckendes Schnellladen versprechen will, kommt um einen Deal mit Tesla derzeit also schlichtweg nicht herum“, schreibt die WirtschaftsWoche.

Bislang galt die Amerika-Version des CCS-Steckers als Standard für Ladeinfrastruktur, aber Tesla verändert gerade alles. Für die traditionellen Autohersteller, die einerseits ihr Verbrenner-Geschäft vorantreiben müssen und zeitgleich in Elektroautos investieren müssen, ist das Andocken an NACS schlicht eine Kostenfrage.

NACS Stecker von Tesla im Detail.

Für Tesla ist der Hype ein kleines, zusätzliches Geschäftsmodell einerseits und andererseits eine Chance, Fahrer anderer Elektroauto-Marken an die Marke Tesla heranzuführen. Denn beim Laden von Elektroautos kommen die Wartenden in der Regel miteinander ins Gespräch – welch eine Gelegenheit für Marketing. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass innerhalb weniger Wochen alle relevanten Autobauer den NACS übernehmen werden.

Doch neben den Autoherstellern sind auch andere Ladenetzbetreiber dabei, den Tesla Charging Connector zu integrieren: So unterstützen Blink und Electrify America bereits NACS. Electrify America plant konkret, den NACS-Anschluss bis 2025 in ihre Ladesäulen in den USA und Kanada zu integrieren, während Blink angekündigt hat, den NACS-Anschluss rasch in seine Ladesäulen einzubauen.

Der North American Charging Standard ist bald Teil von Electrify America.

Erster Motorradhersteller tritt bei

Das NACS AC Charging gewinnt auch bei anderen Akteuren in der Elektromobilitätsbranche Unterstützung. Der Motorradhersteller Verge Motorcycles hat den North American Charging Standard als erster Zweiradhersteller übernommen. Dadurch haben auch Motorradfahrer einfachen Zugang zum Ladenetzwerk.

Insgesamt trägt der North American Charging Standard von Tesla erheblich zur Verbreitung der Elektromobilität in Nordamerika bei, indem er die Ladeinfrastruktur vereinheitlicht und das Laden von Elektrofahrzeugen einfacher und bequemer macht. Tesla revolutioniert somit das Laden von Elektroautos in Nordamerika – und zieht wieder einmal die gesamte Branche mit.

NACS vs CCS – was sind die Unterschiede?

NACS und CCS sind zwei verschiedene Ladestandards für Elektrofahrzeuge. NACS steht für den North American Charging Standard und ist der proprietäre Ladestecker, der von Tesla-Fahrzeugen in Nordamerika verwendet wird. Er wurde von mehreren Automobilherstellern übernommen, einschließlich Ford, Rivian und Lucid, was einen Wandel weg von CCS in Nordamerika signalisiert. CCS hingegen steht für Combined Charging System, das ein offener, universeller Standard ist und in Europa weit verbreitet ist und sich zunehmend in anderen Teilen der Welt etabliert.

Von Anfang an hat sich Tesla für einen einzigartigen Standard entschieden – den NACS-Stecker (North American Charging Standard). Dieser Stecker vereint AC- und DC-Lademöglichkeiten und ermöglicht es den Tesla-Fahrzeugen, von Anfang an beispiellos einfach geladen zu werden. Im Einklang mit der typisch amerikanischen Philosophie, das Leben der Verbraucher so einfach wie möglich zu gestalten, musste man weder ein Display am Ladegerät bedienen noch verschiedene Stecker zu Hause oder unterwegs verwenden. Tesla wollte sicherstellen, dass dieser konkurrenzlose Standardstecker überall zum Einsatz kommen sollte.

Die anderen Autohersteller winkten jedoch höflich ab und entschieden sich für ihre eigenen Lösungen. In Japan war das CHAdeMO, in den USA CCS1 und in Europa CCS2 der Standard. Jeder Standard verwendete unterschiedliche Stecker für AC- und DC-Ladung und erforderte komplexere Bedienungsabläufe.

Mit mehr als einem Jahrzehnt Einsatz und 20 Milliarden EV-Ladekilometern ist der Tesla-Ladestecker der bewährteste in Nordamerika und bietet AC-Laden und bis zu 1 MW DC-Laden in einem schlanken Paket. Er hat keine beweglichen Teile, ist etwa halb so groß und doppelt so leistungsfähig wie Combined Charging System (CCS)-Stecker.

Der NACS-Stecker bietet eine Vielzahl von Vorteilen, die ihn zu einer intelligenten und durchdachten Lösung machen. Zunächst einmal ist der Stecker selbst klein und kompakt. Darüber hinaus verfügt er über einen Software-Button, der die Ladeklappe am Tesla-Fahrzeug automatisch öffnet, was den Ladevorgang noch bequemer macht.

Ein weiterer Vorteil des NACS-Steckers liegt in seiner cleveren Elektronik. Das System erkennt automatisch, ob es sich um Wechselstrom oder Gleichstrom handelt. Dadurch ist das Fahrzeug in der Lage, den On-Board-Gleichrichter einzusetzen oder die Ladung direkt in die Batterie zu leiten. Diese automatische Unterscheidung ermöglicht eine effiziente Nutzung der Ladeleistung und optimiert den Ladevorgang.

NACS-Stecker: Kommunikation mit Fahrzeug

Darüber hinaus ist der NACS-Stecker mit allen wichtigen PINs ausgestattet, die für die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladestation benötigt werden. Diese Kommunikation ist keineswegs trivial. Fahrzeugdaten, wie zum Beispiel Informationen für die Abrechnung, der aktuelle Ladestand und die Ladegeschwindigkeit basierend auf dem SOC (State of Charge), werden zwischen Fahrzeug und Ladestation ausgetauscht. Diese intelligente Abstimmung ermöglicht ein reibungsloses Laden und eine genaue Erfassung der Ladedaten.

Die Ladestation selbst spielt ebenfalls eine wichtige Rolle im Ladevorgang. Sie regelt den Stromfluss und kann diesen sogar variieren, abhängig von der Anzahl der anderen Fahrzeuge, die gerade am Ladepark angeschlossen sind, und der verfügbaren Stromkapazität.

Insgesamt bietet der NACS-Stecker eine effiziente und intuitive Lösung für das Laden von Tesla-Fahrzeugen. Durch seine clevere Elektronik, die nahtlose Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladestation und die flexible Regulierung des Stromflusses sorgt er für einen reibungslosen und effizienten Ladevorgang.

Die Öffnung für andere Anbieter von Elektromobilität durch Tesla begann im November 2022. Anschließend dauerte es Monate, bis der erste Autobauer mit Ford aktiv wurde – und seitdem geht es Schlag auf Schlag.

Obwohl beide Standards in der Lage sind, Schnellladungen durchzuführen und mit einer wachsenden Anzahl von Elektrofahrzeugmodellen kompatibel sind, unterscheiden sich NACS und CCS in ihrer Hardware- und Software-Spezifikation. Das bedeutet, dass sie unterschiedliche Steckertypen und verschiedene Kommunikationsprotokolle aufweisen. Dies kann es für EV-Besitzer herausfordernd machen, von einem Standard zum anderen einfach zu wechseln.

Update vom 6. Juli 2023:

Das Umfallen der Dominosteine in Sachen Ladestandard in Nordamerika geht munter weiter. Während Mercedes-Benz offiziell verkündete, sich ebenfalls dem Standard anschließen zu wollen, gibt es auch Gespräche mit Honda, Volkswagen und BMW. Das zeigt: Tesla hat sich durchgesetzt mit einem schlicht funktionierenden Ladenetzwerk.

Gerade die Strategie-Umkehr von Mercedes ist ein ganz klares Signal, dass niemand an Tesla vorbeikommt. „Wir wollen nicht zusehen und abwarten, bis es gebaut ist. Daher errichten wir selbst ein globales Schnellladenetzwerk“, sagte Ola Källenius noch im Januar. Mercedes steigt mit dem seit jeher größten Konkurrenten ins Boot – für die einst stolze Vorzeige-Automarke schlicht ein Debakel auf Basis des eigenen Selbstverständnisses. Aber: BMW zögert noch, wird aber auch sehr bald nachziehen müssen. Die deutsche Autoindustrie gibt global nicht mehr den Ton an – diese Rolle hat längst der verlachte Konkurrent Tesla übernommen.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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