Tesla-Robotaxi im Livestream: Musk lässt sich 45 Minuten chauffieren

Elon Musks Konzern ist viel mehr als ein Automobilunternehmen. Kommt das Tesla-Robotaxi noch 2023? Ein Livestream verrät, wie weit die Technologie ist.

Tesla geht kontinuierlich einen Weg, der entscheidend zur Zerstörung der fossilen Industrie beiträgt. Während dieses Jahr fast zwei Millionen Elektroautos aus den Gigafactories in den USA, China und Deutschland kommen, werden es in wenigen Jahren zehn oder 20 Millionen sein – das Tesla-Robotaxi ist an der Schwelle zum Durchbruch. Die sich im Wandel verheddernde Automobilindustrie ist der Geschwindigkeit des Pioniers nicht gewachsen. Doch das Cleantech-Unternehmen ist weit mehr als ein Autobauer: die Analysten von ARK Invest rechnen mit einer Verzehnfachung der Tesla-Aktie bis 2027, während die Deutsche Bank die Anteilsscheine zum Kauf empfiehlt. Was steckt dahinter?

Tesla-CEO Elon Musk (hier Tesla-News lesen) hat bei der Jahreshauptversammlung seines Unternehmens (mal wieder) die baldige Verfügbarkeit des selbstfahrenden Autos verkündet. Während aus heutiger Sicht ein Tesla-Robotaxi in größeren Stückzahlen ab 2024 in Aussicht steht, könnte die auf den Straßen befindliche Tesla-Flotte in den USA sogar schon 2023 aus der FSD Beta-Phase in den echten Betrieb starten.

Es gibt viele Indizien dafür, dass der Konzern wirklich kurz vor dem Durchbruch beim autonomen Fahren und dem Tesla-Robotaxi auf Basis seiner Technologie stehen könnte. Denn Tesla ist weit mehr als ein Automobilunternehmen, das dieses Jahre annähernd zwei Millionen Fahrzeuge und bis Ende der Dekade zwischen 10 und 20 Millionen Autos auf die Straßen bringt. Das selbst fahrende Auto wird nicht ohne Grund als Robotaxi bezeichnet: Das Wort steht bereits im Duden als Abkürzung für Robotertaxi.

Die FSD-Lösung von Tesla auf Basis der Computer Vision-Technologie, künstliche Intelligenz und neuronaler Netze ist viel eher ein Roboter, der eine Aufgabe löst, als ein Auto. Umso bedeutsamer ist daher das Indiz, das Musk beim jährlichen Aktionärstreffen per Video zeigte: Der Tesla Bot läuft inzwischen wesentlich menschenähnlicher, wie das Video zeigt. Und die Teams für Künstliche Intelligenz, die für das Tesla-Robotaxi und den Roboter selbst zuständig sind, arbeiten Hand in Hand an der Zukunftstechnologie.

Mit dem Tesla-Robotaxi von Tesla zu Twitter

In einem Interview hat Musk dieser Tage seinen „pathologischen Optimismus“ beinahe selbst ins Lächerliche gezogen. Denn das, was er auch dieses Mal wieder verkündete, ist das, was das Unternehmen seit 2020 immer wieder versprochen hat. Doch ständig tauchten neue Probleme auf, musste der Algorithmus für das Tesla-Robotaxi wieder neu generiert werden. Aber die Fortschritte beim Tesla Bot zeigen, dass nun offensichtlich der richtige Weg eingeschlagen worden ist.

Ein kleines Signal ist auch, dass sich Musk selbst mit dem Tesla-Robotaxi von Twitter zum Tesla-Hauptquartier fahren lässt – und mittlerweile dabei nach seiner Aussage kein menschliches Eingreifen mehr nötig ist.

Livestream: Elon Musk lässt sich 45 Minuten vom Tesla-Robotaxi chauffieren

Elon Musk lässt sich 40 Minuten chauffieren vom Tesla-Robotaxi – und ist dabei Live mit einem Millionenpublikum verbunden

Tesla-CEO Elon Musk hat einen mutigen wie erfolgreichen PR-Stunt rund um das Tesla-Robotaxi hingelegt. Am 26. August 2023 ließ er sich von einem Tesla Model S mit der Entwicklung befindlichen Software-Version FSD Beta 12 50 Minuten lang chauffieren – und zeigte die historische Fahrt im Livestream in seinem Social Network X (früher Twitter).

Millionen Zuschauer verfolgten unmittelbar, wie geschmeidig das Auto mit nur einem Eingriff durch den Fahrer unterwegs war. Derzeit geht das Video und unzählige Reaction-Videos viral um die Welt. Es ist ein historischer Moment, der erstmals Einblick in das liefert, was Tesla mit seiner auf neuronalen Netzen basierenden Technologie für selbstfahrende Autos und somit das Tesla-Robotaxi leistet.

Entscheidend für die Einschätzung, wie weit das Tesla-Robotaxi schon ist, ist das Verständnis dafür, wie die Technologie des Technologiekonzerns funktioniert. Über neuronale Netze, Künstliche Intelligenz und Computer Vision wird eine menschenähnliche, selbstlernende Technologe etabliert, die mit jedem Trainingskilometer besser wird. Während andere Systeme für autonomes Fahren Code für Code programmiert sind – und somit sämtliche Eventualitäten einbeziehen müssen – lernt das Tesla-System kontinuierlich dazu.

Dazu braucht es neben der geeigneten Hardware im Auto (Kameras, Rechenpower) vor allem Daten ohne Ende. Mit diesen Daten werden die Dojo genannten Supercomputer von Tesla gefüttert, um das System besser und menschenähnlicher zu machen. „Trainieren statt programmieren“ lautet die Überschrift für das, was Tesla beim autonomen Fahren wie kein zweites Unternehmen weltweit etabliert.

Tesla baut Exaflop-Supercomputer Dojo

Im Juli 2023 verkündete Tesla den Start des Baus des eigenen Exaflop-Supercomputers DOJO. Der Computer soll dazu dienen, die gigantischen Datenmengen, die Tesla mit vier Millionen Fahrzeugen auf den Straßen der Welt erhält, zu verarbeiten. Leistungsfähigkeit ist Trumpf. Die bisherigen Rechencluster, die der Konzern für den Autopilot nutzt, genügen offenbar nicht mehr den Anforderungen.

Zum Vergleich: Schon das heute genutzt Cluster arbeitet mit 5.760 Nvidia-A100-Grafikprozessoren. Mit Dojo kommen eigene Prozessoren ins Spiel. Doch auch die Nvidia-Rechenleistung wird weiterhin gebraucht. Im Livestream kündigte Elon Musk an, Tesla werde dieses und kommendes Jahr jeweils 2 Milliarden Dollar für Rechenleistung investieren. Hierzu zählt auch die Integration eines neuen Nvidia-Clusters, das alleine 250 Millionen Dollar kosten soll (10.000 H100-Einheiten).

Dojo soll dann Exaflops verarbeiten können und der ganzen Geschichte nochmal einen gewaltigen Schub verleihen. Das entspricht einer Quintillion Floating Point Operations pro Sekunde. Eine Quintillion ist eine Eins mit 18 Nullen. Dojo soll ab Anfang 2024 einer der fünf leistungsstärksten Supercomputer der Welt sein. Ende 2024 soll er bereits 100 Exaflops bewerkstelligen können, um autonomes Fahren und Robotaxis zu ermöglichen.

Was sind neuronale Netze?

Neuronale Netze versuchen, das menschliche Gehirn nachzuahmen, und kombinieren Informatik und Statistik, um gängige Probleme im Bereich der KI zu lösen.

Der Grund für das Trainieren neuronaler Netze für autonomes Fahren ist simpel: Es geht schlicht um Effizienz. Neuronale Netze bestehen aus miteinander verbundenen Knotenpunkten, genannt Neuronen, die Informationen auf Basis mathematischer Algorithmen verarbeiten und übertragen. Neuronale Netze sind darauf ausgelegt, Muster in Daten zu erkennen und Vorhersagen und Entscheidungen auf der Basis der erhaltenen Eingaben zu treffen.

Im Zusammenhang mit autonomem Fahren spielen neuronale Netze eine entscheidende Rolle. Sie werden in verschiedenen Aspekten des autonomen Fahrzeugsystems eingesetzt, wie z.B. der Wahrnehmung, der Entscheidungsfindung und der Steuerung. Insbesondere im Bereich Computer Vision, der die Verarbeitung und Interpretation visueller Daten aus Kameras und Sensoren umfasst, sind neuronale Netze von großer Bedeutung. Durch umfangreiches Training können neuronale Netze lernen, Objekte, Fußgänger, Verkehrszeichen und andere relevante Elemente der Fahrumgebung zu erkennen und zu klassifizieren.

Die Bedeutung neuronaler Netze beim autonomen Fahren liegt in ihrer Fähigkeit, komplexe visuelle Daten schnell und genau zu analysieren. Sie ermöglichen es Fahrzeugen, die Umgebung in Echtzeit wahrzunehmen und zu verstehen, was zu sichereren und effizienteren Entscheidungen beim autonomen Fahren führt. Durch die Nutzung der von Unternehmen wie Tesla gesammelten großen Datenmenge können neuronale Netze ihre Leistung kontinuierlich verbessern und sich an verschiedene Fahrszenarien anpassen.

Was bedeutet Computer Vision?

Die Erkennung von Objekten ist eine bedeutende Funktion innerhalb der „Computer Vision“ und spielt beim Tesla-Robotaxi eine bedeutende Rolle. Allerdings gibt es einige Objekte, die selten auf Straßen anzutreffen sind. Hierbei hat Tesla einen erheblichen Vorteil, da das Unternehmen über eine Flotte von Fahrzeugen verfügt, die jedes Jahr Milliarden von Kilometern zurücklegen und somit eine große Anzahl an seltenen Objekten und Situationen erfassen können. Dies ermöglicht es Tesla, seine Fahrzeuge unter jeder erdenklichen Bedingung auf der Straße sicher autonom fahren zu lassen.

Benötigt Robotaxi-Software FSD 12 eine besonders gute Internetverbindung?

Nein, auch das stellte Elon Musk im Livestream klar: Das System der neuronalen Netze funktioniert lokal – und benötigt keine aktive Internetverbindung. Für Telekommunikations-Konzerne, die auf autonomes Fahren als Big Business gehofft hatten, ist das eine verdammt schlechte Nachricht. Mit FSD 12 werden sie kein zusätzliches Geld verdienen können.

Interessant ist auch, dass die genutzte FSD 12-Version des sogenannten Autopilot für das Tesla-Robotaxi beinahe vollständig von der künstlichen Intelligenz selbst entwickelt wurde. Im Vergleich zur vorherigen Version FSD 11 ist die AI-Version schneller und effizienter. „It is all NET, baby“, sagte Musk im Livestream, der am Twitter-Hauptquartier begann.

Es gibt also beispielsweise keine Zeile Code, die programmiert wurde, damit das System einen Kreisverkehr erkennt. Es braucht viel Training-Hardware, um dem System über das Zeigen von Videos zu verdeutlichen, wie es sich im Kreisverkehr verhalten soll.

Das zeigt: Tesla bietet hier gerade einen ChatGPT-Moment. In wenigen Monaten werden viele Millionen Menschen quasi auf einen Schlag autonomes Fahren hautnah erleben – ganz gleich, ob in San Francisco, Los Angeles oder Texas.

Konkurrenz für Tesla-Robotaxi? Cruise bietet Service in San Francisco

Am 25. April 2023 hatte Kyle Vogt, der CEO von Cruise, dem autonomen Fahrdienst von General Motors GM verkündet, dass sein Unternehmen jetzt rund um die Uhr durch San Francisco fährt und als kommerzielle Dienstleistung Menschen von A nach B transportiert. Während die Technologie von Cruise (oder analog Waymo) Stadt für Stadt für Robotaxi-Dienste erobert, hat mit seinem Ansatz laut Kathie Wood und Tasha Keeney von Arkinvest einen entscheidenden Vorsprung: Millionen Tesla-Fahrzeuge sammeln Daten, überall auf der Welt.

Wie geschmeidig das autonome Fahren bei Tesla geworden ist, zeigt auch das Video des Youtube-Kanals „Whole Mars Catalog“. Der Filmer zeigt nicht nur eine 25-minütige Fahrt quasi ohne menschlichen Eingriff, sondern kommentiert auch, der Technologiekonzern werde volle Autonomie hinbekommen. Und all diejenigen, die sich negativ zu FSD Beta äußern würden, müssten sich bei den Tesla-Ingenieuren entschuldigen.

Das eingebundene Video ist nur eines von ganz vielen Videos, die mittlerweile einem ähnlichen Tenor folgen. Klar: Da spielt auch reichlich Fan-Enthusiasmus mit, und sicherlich wird jeder dieser Youtuber auch Aktionär des Technologieanbieters sein. Aber die Funktionalität ist im Video zu sehen – und lässt kaum noch Fragen offen.

Am 12. August 2023 hat das Robotaxi-Zeitalter auch in den USA offiziell begonnen. Denn Waymo und Cruise dürfen jetzt rund um die Uhr und ohne Einschränkungen in San Francisco entsprechende Dienstleistungen und Fahrservices anbieten. Mehr zur Zulassung und zu Bedenken gibt es in diesem Cleanthinking-Beitrag über den Beginn des Robotaxi-Zeitalters.

Robotaxi als Multi-Billionen-Marktchance

Bei der Jahreshauptversammlung zeigte das mittlerweile in Texas beheimatete Unternehmen zwei mögliche, neue Fahrzeuge. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dann, wenn der Cybertruck und der Tesla-Semi auf der Straße sind, neben einem Kleinfahrzeug, das vermutlich in Mexiko gebaut werden wird, auch ein Tesla-Robotaxi kommen wird. Vor Herbst 2023 ist damit aber eher nicht zu rechnen.

Die Beispiele Waymo und Cruise zeigen, dass längst ein Wettrennen entbrannt ist, rund um die Multi-Billionen-Marktchance, die Kathie Wood und Tasha Keeney immer wieder beschwören. In aktuellen Interviews – eines kann bei „Solving the Money Problem“ nachvollzogen werden, zeigt sich Keeney sicher, dass das Robotaxi von Tesla mittelfristig kommen – und der Tesla-Aktie zu einer Verzehnfachung bis 2027 verhelfen wird.

Ähnlich wie bei Betriebssystemen im Smartphone oder dem PC werden nicht viele „Betriebssysteme“ für autonomes Fahren nebeneinander bestehen können. Wer also das Software-Problem löst, dem steht ein gewaltiger Markt offen, wie es Keeney beschreibt.

Ob die Tesla-Aktie wirklich auf 2.000 US-Dollar in 2027 steigen wird? Steht natürlich vollkommen in den Sternen. Aber dass die Tesla-Robotaxis deutlich näherkommen, ist regelrecht spürbar, wenn man sich mit dem Thema befasst.

Auch der gewöhnlich gut unterrichtete Youtube-Kanal „Now you know“ berichtet über mehrere Gründe, warum es bei Tesla auch in Sachen Aktienkurs aufwärts gehen werde:

Große Nachfrage nach dem Megapack Batteriespeicher

Die Analyse zeigt: Tesla ist ein Technologiekonzern, der neben dem Auto-Business, das er bereits entscheidend umgekrempelt hat, auch das autonome Fahren dominieren könnte. Und daneben gibt es noch das Geschäft mit Speicherbatterien. Musk betonte beim Event, dass es eine gewaltige Nachfrage nach netzdienlichen Speichersystemen namens Megapack gebe.

Kein Wunder: Große Batteriespeicher dienen mittlerweile nicht nur in Australien und den USA, sondern auch in Bayern als Technologie, um Lastspitzen zu glätten. Damit übernehmen sie zunehmend Aufgaben, die bislang sogenannten „Gas Peaker“-Kraftwerken vorbehalten waren.

Fazit: Das Tesla-Robotaxi ist, realistisch betrachtet, nicht mehr als zwei Jahre entfernt und bietet eine gewaltige Chance für das Unternehmen und die Menschen. Denn autonomes Fahren kann als Transport as a Service nicht nur die Zahl der Fahrzeuge signifikant reduzieren, sondern auch ganz neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Es ist eine Disruption, die auch wiederum den Wandel zu Elektroautos an sich beschleunigen wird.

Und Tesla ist mittendrin im Spiel.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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