Vulcan Energy: Stellantis investiert Millionen in Lithium aus Thermalwasser

Cleantech-Startup Vulcan Energy will ab Ende 2025 24.000 Tonnen Lithium aus Thermalwasser fördern. Investition? 1,5 Milliarden Euro.

Lithium ist ein für die Elektroauto-Industrie bislang unverzichtbarer Rohstoff. Doch der Lithium-Abbau und Weiterverarbeitung zu Li-Hydroxid ist nicht unproblematisch, wie auch dieser Hintergrund-Beitrag zeigt. Ein Problem: Lange Lieferketten. Dies will Vulcan Energy künftig ändern, und hat deshalb zwei Bohranlagen gekauft, ein Bohrunternehmen gegründet und nicht zuletzt das Geothermiekraftwerk der Pfalzwerke Geofuture GmbH in Rheinland-Pfalz übernommen, um Lithium aus Thermalwasser zu gewinnen. Im Juni 2022 stieg der Autobauer Stellantis bei der Vulcan Gruppe ein. Seit Februar 2023 ist klar: In zwei Produktionsstufen können bis zu 48.000 Tonnen Lithium pro Jahr gefördert werden.

Das Ziel des Millioneninvestments der Vulcan Energy ist klar: Hoch-qualitatives Lithiumhydroxid auf Basis von Thermalwasser im Oberrheingraben gewinnen – und ab Ende 2025 damit die europäische Automobilindustrie über extrem kurze Wege von maximal 80 Kilometern beliefern. Abnahmeverträge gibt es mit dem Volkswagen-Konzern, Stellantis und Renault – VW erwägt sogar, perspektivisch bei Vulcan Energie Ressourcen einzusteigen.

Stellantis investiert Millionen

Der Peugeot-Eigentümer Stellantis hat am 24. Juni 2022 ein 50-Millionen-Investment bekanntgegeben. Damit ist der Autobauer der Erste, der eine umfangreiche Direktinvestition in die Gewinnung von Rohstoffen für Batterien tätigt. Auch Tesla denkt darüber nach, in das Rohstoffgeschäft einzusteigen. Gerüchten zufolge sogar in das Vorhaben, Lithium im Erzgebirge abzubauen.

Die Materialpreise für Kobalt, Nickel oder Lithium sind zuletzt sehr stark angestiegen. Prognosen besagen, dass es bis 2030 nicht genügend Lithium für den Hochlauf der Elektromobilität geben wird.

Stellantis-Chef Carlos Tavares sieht das Investment in die Vulcan-Gruppe daher als strategisches Investment, um die Wertschöpfungskette für die europäische Batterieproduktion widerstandsfähiger und nachhaltiger zu machen. Der Stellantis-Konzern, zu dem die Marken Fiat und Peugeot gehören, will bis 2030 weltweit insgesamt 5 Mio. batteriebetriebene Elektroautos verkaufen.

Neben Gründer und Geschäftsführer Francis Wedin ist Stellantis nun der zweitgrößte Anteilseigner am Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Australien hat. Unterstützt wird Vulcan Energie Ressourcen auch von einer Gruppe der australischen Milliardärin Gina Rinehart.

Mittlerweile hat Vulcan Energy acht Explorationslizenzen im deutschen Oberrheintal erhalten, wo es Lithium aus geothermischen Solen zu gewinnen hofft. Außerdem verfügt es über eine Explorationslizenz für einen Standort in der Vulkanregion Monti Sabatini bei Rom.

Hohe Qualität: Lithium aus dem Oberrheingraben

Horst Kreuter, Vorstand des börsennotierten Cleantech-Startups, betont, das erste Lithiumhydroxid sei bereits getestet worden. Demnach erreicht der wichtige Rohstoff nicht nur die Qualitätskriterien der Batterieindustrie, sondern übertrifft diese. „Das Lithium aus dem Oberrheingraben ist von einer solchen Qualität, dass es für die Automobilproduktion eingesetzt werden kann“, berichtet Horst Kreuter.

Das theoretische Potenzial ist gewaltig: Das Oberrheintal bietet die größten Lithiumreserven Europas – ein Gesamtvolumen von fast 16 Millionen Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent. Aber: Bislang betreibt Vulcan Energie nur eine Pilotanlage am Geothermiekraftwerk in Landau, die ab Frühjahr kommenden Jahres in Insheim zum Einsatz kommen soll. Die wichtige Entwicklung des Verfahrens der Adsorption von Lithium unter Verwendung anorganischer Sorptionsmittel muss im industriellen Maßstab noch nachgewiesen werden.

Das Cleantech-Unternehmen dreht ein großes Rad: So hat die Vulcan-Gruppe nach eigener Aussage zwei Bohranlagen gekauft, um parallel Bohrungen durchführen zu können. Hierfür wurde ein eigenständiges Bohrunternehmen gegründet. An fünf Standorten sind aktuell Anlagen zur Förderung von Lithium aus Thermalwasser im Bau oder Betrieb. Die größte Anlage soll 5.000 Liter Tiefenwasser verarbeiten können.

Der Knackpunkt bisher: Wenn das Thermalwasser aus dem Untergrund aufsteigt, enthält es neben Lithium auch eine Vielzahl gelöster Materialien. Die Hitze von mehr als 100 Grad Celsius muss bearbeitet werden – außerdem ist das Thermalwasser sehr salzhaltig, enthält viel Natrium und Chlorid. Es zu versuchen macht aber absolut Sinn: Jeder Liter Thermalwasser aus mindestens 2.500 Meter tiefem Buntsandstein enthält 160 Milligramm Lithium. 90 Prozent dieses Lithiums wollen Kreuter und sein Team extrahieren.

In Insheim betreibt die Pfalzwerke-Tochter bislang ein Geothermikraftwerk. Seit 2013 wird aus dem Thermalwasser Strom für 8.000 Haushalte gewonnen. Die Wärme bleibt ungenutzt – genau das will der neue Eigentümer Vulcan Energy in Zukunft ändern. Seit Januar 2022 firmiert das Kraftwerk unter dem Namen Natürlich Insheim GmbH. Für die Anlage hat Vulcan nach Handelsblatt-Informationen 31,5 Millionen Euro bezahlt. Die bislang in Landau stehende Pilotanlage zur Extrahierung von Lithium aus dem Thermalwasser – dafür wird viel Wärme gebraucht – soll in Insheim genutzt werden.

Erstes Lithium ab 2024 laut Vulcan Energy

Der Weg zum Lithium-Lieferant der europäischen Automobilindustrie ist noch weit. In den kommenden Jahren muss die Vulcan-Gruppe liefern. Die Ziele sind klar formuliert:

  • 2023: Bau der ersten kommerziellen Anlage
  • 2024: Erstes Lithiumhydroxid für die Autoindustrie
  • 2025: 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr emissionsfrei aus dem Oberrheintal
  • 2026: Start der kommerziellen Belieferung des Großkunden Volkswagen

Allein Volkswagen plant den Bau von sechs Batteriefabriken in Europa – und will hierfür das nachhaltig produzierte Lithium aus Deutschland einsetzen. 48000 Tonnen Lithiumhydroxid reicht dabei für eine Million Elektroautos – vorausgesetzt der Lithium-Bedarf wird bis 2025 nicht weiter sinken. Vulcan Energie sieht sich jedenfalls in der Lage, 100 Prozent der Batterieindustrie in Deutschland zu versorgen – und 25 Prozent des erwarteten, europäischen Bedarfs.

Machbarkeitsstudie: 24.000 statt 15.000 Tonnen LHM ab 2025

Mitte Februar 2023 hat das Unternehmen bekanntgegeben, mehr Lithiumhydroxidmonohydrat LHM aus dem Thermalwasser im Oberrheingraben filtern zu können als bislang angenommen. Das hat nach Unternehmensangaben diese endgültige Machbarkeitsstudie ergeben. Bedeutet: Vulcan Energy will nun ab Ende 2025 schon in der ersten Produktionsphase 24.000 Tonnen LHM fördern – und nicht wie bislang geplant 15.000 Tonnen.

Handicap: Die Investitionskosten für diese erste Phase belaufen sich auf 1,5 Milliarden Euro. Der Kapitalbedarf ist deutlich höher als bislang erwartet. Die operativen Kosten dagegen sind niedriger als bei Projekten in Lateinamerika liegen diese bei 4.359 Euro pro Tonne LHM. In der zweiten Produktionsphase könnte das Fördervolumen aus dem Thermalwasser verdoppelt werden.

Mit der neuen Machbarkeitsstudie im Rücken sollen nun Kreditgeber und Investoren gefunden werden, die dem börsennotierten Cleantech-Unternehmen unter die Arme greifen.

Auftrieb für die Geothermie?

Gelingen all diese Meilensteine, könnte die Vulcan-Gruppe auch der lange vernachlässigten Geothermie in Deutschland wieder neuen Auftrieb geben. Dadurch, dass dem Thermalwasser sowohl das Lithium als auch die Wärme entzogen wird, und gleichzeitig Strom produziert werden kann, ist die Wirtschaftlichkeit relativ leicht zu erreichen.

„Lithium verändert die Geothermie in gewisser Weise, denn die Wirtschaftlichkeit ist viel besser, wenn man Lithium produziert, anstatt nur Geothermie. Wir sind in der Lage, den Wärmepreis zu stützen und den Gemeinden in der Umgebung unserer Kraftwerke einen niedrigen und stabilen Preis für die Heizung zu biete“, verspricht Kreuter.

Dieser Beitrag entstand ursprünglich im Sommer 2020, wurde zuletzt am 13. Februar 2023 aktualisiert und erweitert.

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