Der weltgrößte thermische Saisonspeicher entsteht im finnischen Vantaa

Varanto: Energieversorger Vantaa Energy will überschüssige Wärme etwa von Rechenzentren für Fernwärmeversorgung im Winter nutzen.

Der weltgrößte thermische Saisonspeicher entsteht in der viertgrößten Stadt Finnlands, Vantaa. Der Wärmespeicher, den der Energieversorger Vantaa Energy 2028 in Betrieb nehmen will, speichert erneuerbare Energie und Abwärme etwa von Rechenzentren und Müllverwertungsanlagen kosteneffizient in gewaltigen, unterirdischen Kavernen. Der Energiespeicher namens Varanto ist so groß dimensioniert, dass er eine mittelgroße finnische Stadt ganzjährige beheizen könnte. Das Projekt kostet voraussichtlich 200 Millionen Euro – auch eine Option für deutsche Städte?

Der weltgrößte thermische Saisonspeicher soll das Problem der Energiewende lösen: Es braucht Langzeitspeicher, die überschüssige Energie aufnehmen und sie dann im Winter passgenau abgeben kann. Dabei setzt die an Helsinki angrenzende Stadt nicht auf Stromspeicher wie etwa den Schwerkraftspeicher von Energy Vault, sondern nutzt die bislang ungenutzte ohnehin vorhandene thermische Energie, die etwa von Rechenzentren stammt.

Der saisonale Energiespeicher wird, wenn er fertiggestellt ist, weltgrößte Speicher für thermische Energie sein.

Wie funktioniert der weltgrößte thermische Saisonspeicher?

Der saisonale thermische Energiespeicher funktioniert, indem er Wärme in unterirdischen Kavernen speichert. Diese gespeicherte Wärme wird über das Fernwärmenetz genutzt, um Gebäude zu heizen, wann immer es erforderlich ist.

In Vantaa wird der saisonale Wärmespeicher im Felsgestein gebaut. Dafür werden insgesamt drei Kavernen gegraben, die eine Breite von etwa 20 Metern, eine Länge von 300 Metern und eine Höhe von 40 Metern haben. Die Kavernen werden sich 100 Meter unter der Erdoberfläche befinden. Diese unterirdischen Hohlräume werden mit heißem Wasser befüllt und erzeugen laut Vantaa Energy einen Druck, der es dem Wasser ermöglicht, Temperaturen von bis zu 140 Grad zu erreichen, ohne dass es kocht oder verdampft.

Zusätzlich zu den Felsenkavernen werden zwei Elektroheizkessel mit einer Leistung von jeweils 60 Megawatt errichtet. Diese Kessel nutzen überschüssigen und kostengünstigen Strom zur Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energiequellen. Dank der intelligenten Steuerung von Varanto, Stromerzeugung, Abwärme und Fernwärme wird ein hybrides System in Vantaa geschaffen, welches die Vorteile verschiedener Energiequellen optimal nutzt.

„Unser Wärmeerzeugungssystem wird wie ein Hybridauto funktionieren: Es wechselt zwischen Strom und anderen Erzeugungsformen, je nachdem, was gerade am günstigsten und effizientesten ist“, erklärt der CEO von Vantaa Energy, Jukka Toivonen (Linkedin).

Schwankenden Wärmebedarf ausgleichen

Die thermische Gesamtkapazität des voll aufgeladenen saisonalen thermischen Energiespeichers beträgt 90 Gigawattstunden. Mit dieser Kapazität könnte eine mittelgroße finnische Stadt ein ganzes Jahr lang beheizt werden. Aufgeschlüsselt in kleinere Energieeinheiten entspricht diese Energiemenge zum Beispiel 1,3 Millionen Elektroauto-Batterien.

Der Wärmeverbrauch in Finnland variiert stark je nach Jahreszeit. Im Sommer liegt der Verbrauch nur bei etwa einem Zehntel des Spitzenlastverbrauchs während der kalten Wintermonate. Die Speicherung von günstiger und umweltfreundlicher Abwärme aus Rechenzentren, Kühlprozessen und Müllverbrennungsanlagen in unterirdischen Kavernen stellt eine innovative Lösung dar, um die Energiewende voranzutreiben.

Die gespeicherte Wärme kann effektiv im landesweiten Fernwärmenetz Finnlands genutzt und verteilt werden, an das die meisten Häuser angeschlossen sind.

Thermischer Saisonspeicher: Wie hoch sind die Kosten?

Die geschätzten Kosten für das Projekt belaufen sich auf etwa 200 Millionen Euro, wobei das finnische Ministerium für Wirtschaft und Beschäftigung bereits eine Investitionsförderung von 19 Millionen Euro bewilligt hat. Geplant ist der Baubeginn für den Speichereingang im Sommer 2024, und der saisonale Wärmespeicher soll voraussichtlich im Jahr 2028 in Betrieb genommen werden.

In Finnland ist Fernwärme die am meisten bevorzugte Methode zur Beheizung von Gebäuden und Wohnungen. Dies wird durch das Fernwärmenetz ermöglicht, das sich unter der Erde befindet. In Vantaa erstreckt sich das unterirdische Fernwärmenetz über mehr als 600 Kilometer. Etwa 90 Prozent der Einwohner von Vantaa leben in einem Haus, das mit Fernwärme beheizt wird.

Finnland: Vorreiter bei Fernwärme

Finnland ist ein internationaler Vorreiter bei der Erzeugung und Nutzung von Fernwärme. Bezogen auf die Bevölkerung ist Finnland der größte Fernwärmeerzeuger in den nordischen Ländern. Im Jahr 2023 wurden in Finnland insgesamt 37,3 Terawattstunden Fernwärme erzeugt. Davon wurden 53 Prozent aus erneuerbaren Wärmequellen und 14 Prozent aus Abwärme erzeugt.

Ein solcher thermischer Saisonspeicher kann auch in Deutschland in Frage kommen, um die Fernwärmeversorgung saisonal zu unterstützen. Bislang sind aber viele Städte noch mit der kommunalen Wärmeplanung beschäftigt. Die Stadt Augsburg ist einer der Vorreiter und setzt auch auf die starke Ausweitung des eigenen Fernwärmenetzes, wie in diesem Beitrag zu Augsburgs Wärmeplan nachzulesen ist. Abzuwarten bleibt aber, wie gut der Speicher in Finnland in der Praxis funktioniert.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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