
Energiekrise in Spanien: Wieso Europa an einem Atom-Unfall vorbeischrammte
Drei „Helden“ sorgten dafür, dass „nur“ Spanien und Portugal vom Blackout betroffen waren
Gestern stand Europa kurz vor einer kaum vorstellbaren Katastrophe. Der Defekt in Spaniens und/oder Frankreichs Stromnetz löste eine Kettereaktion aus: Große Solarparks schalteten sich ab, das Netz kollabierte – und vier spanische Atomreaktoren wurden in den Notbetrieb gezwungen als es zum weitreichenden Blackout kam. Nur der stundenlange Einsatz von Diesel-Notstromaggregaten bewahrte uns vor einem Unfall, der im Extremfall bis zur Kernschmelze hätte führen können. Die exakte Ursache der Energiekrise in Spanien bleibt unklar, doch die neuen Ereignisse zeigen, wie verletzlich unsere Energiesysteme sind – und wie knapp wir einer Tragödie entgangen sind.
Solaranlagen, die um die Mittagszeit 73 Prozent des spanischen Strombedarfs deckten, schalteten sich automatisch ab, um Schäden zu vermeiden. Der Verlust von schätzungsweise 15 GW – etwa 15–20 % der gesamten Erzeugung – ließ die Frequenz weiter abstürzen. Spaniens wenige Atomkraftwerke (ca. 5–6 GW) konnten den Ausfall nicht kompensieren, und so nahm die Kaskade ihren Lauf: Weitere Systeme fielen aus, bis das Netz schließlich kollabierte. Die Energiekrise in Spanien führte länderübergreifend auch in Portugal zum Blackout.
Doch die Gefahr durch die Energiekrise in Spanien war größer. Spaniens AKWs, nun im Notbetrieb, waren auf Dieselgeneratoren angewiesen, um die Kühlung der Reaktoren sicherzustellen. Ein Versagen hätte einen Super-GAU ausgelöst – ein theoretisch denkbares Szenario, das an Fukushima 2011 erinnert. Gleichzeitig drohte die Frequenzstörung, sich wie ein Lauffeuer über das europäische Verbundnetz (ENTSO-E) auszubreiten und Länder wie Frankreich, Deutschland und Italien in einen kontinentalen Stromausfall zu reißen.
Klar ist mittlerweile aber auch: Die Gefahr eines Super-GAU bestand nach aktuellem Stand nicht akut. Die AKW wurden wie vorgesehen in den sicheren Notbetrieb versetzt, und die Dieselgeneratoren funktionierten. Es gab keine Hinweise auf eine unmittelbare Gefahr für die Reaktorsicherheit.
Die drei Helden: Retter in letzter Sekunde
Drei „Helden“ verhinderten, dass aus einer Krise eine Katastrophe wurde:
- Französische AKWs: Jenseits der Pyrenäen hielten Frankreichs Atomkraftwerke und andere konventionelle Kraftwerke mit ihrer Erzeugungsleistung das Netz stabil. Ihre rotierenden Massen wirkten wie ein Fels in der Brandung, federten die in Frankreich deutlich geringeren Frequenzschwankungen ab und schützten Frankreich – und damit den Rest Europas – vor einem Dominoeffekt. Länder wie Deutschland und Italien blieben weitgehend verschont.
- Der ENTSO-E-Netzaufseher: Ein mutiger Entscheider (oder eine clevere Automatisierung) bei ENTSO-E handelte in Sekundenschnelle. Er trennte das spanische Netz vom französischen und damit vom europäischen Verbundnetz. Die Verbindung über die Pyrenäen, die nur drei Gigawatt übertragen kann, hätte die 15-GW-Störung niemals auffangen können. Ohne diese Entscheidung hätte Europa gänzlich im Chaos versinken können.
- Dieselgeneratoren in Spanien: Während das Netz zusammenbrach, sprangen die Notstromsysteme der spanischen AKWs (und mancher Krankenhäuser) an. Sie hielten die Kühlung der Reaktoren aufrecht und verhinderten einen nuklearen Unfall, der die Region in eine Katastrophe gestürzt hätte.
Die Probleme: Spaniens Achillesferse
Die Krise legt die Schwachstellen des spanischen Stromsystems schonungslos offen:
- Die Pyrenäen als Barriere: Spanien ist eine „Strominsel“, da die Interkonnektoren zu Frankreich nur drei Prozent der Leistung übertragen können – weit unter dem EU-Ziel von 15 Prozent bis 2030. Diese Isolation machte Spanien verwundbar.
- Fehlende Puffer bei erneuerbaren Energien: Mit 73 Prozent Solarenergie zur Mittagszeit mangelte es an rotierender Masse, die Frequenzschwankungen abfedert. Spaniens AKWs waren zu schwach, um den Verlust auszugleichen.
- Mangel an Speichern und synthetischer Trägheit: Ohne Batteriespeicher oder moderne Wechselrichter, die synthetische Trägheit bieten, war das Netz auf die plötzliche Abschaltung der Solaranlagen nicht vorbereitet.
Lösungen: Ein Weg aus der Krise
Um solche Katastrophen in Zukunft zu verhindern, braucht es Maßnahmen auf mehreren Ebenen:
- Kurzfristig: Erste Hilfe für das Netz
In den Stunden nach dem Blackout zeigt sich bereits, wie Spanien reagieren kann: Der Netzbetreiber Red Eléctrica leitet Stromflüsse auf alternative Leitungen um, um die Versorgung zu sichern. Gleichzeitig könnten bestehende Pumpspeicherwerke, die wie natürliche Batterien funktionieren, gezielter eingesetzt werden, um Frequenzschwankungen abzufedern. Diese Sofortmaßnahmen sind ein Pflaster auf der Wunde – aber sie kaufen Zeit. - Mittelfristig: Brücken bauen, Resilienz schaffen
Bis 2027 wird eine neue 5-GW-Leitung zwischen Spanien und Frankreich die Übertragungskapazität nahezu verdoppeln und Spaniens Isolation durchbrechen. Doch das allein reicht nicht: Mikronetze könnten die Antwort sein – kleine, autarke Netze, die sich im Krisenfall vom Hauptnetz abkoppeln und mit Solaranlagen, Kleinwindkraft und Batteriespeichern autark arbeiten. Solche dezentralen Strukturen sind wie Rettungsinseln in einem stürmischen Meer, die lokale Gemeinschaften stabil versorgen, während das große Netz schwächelt. - Langfristig: Die Energiewende klug gestalten
Für die Zukunft braucht Spanien eine tiefgreifende Modernisierung: Moderne Wechselrichter, sogenannte Grid-Forming Inverters, können synthetische Trägheit bereitstellen und die Abhängigkeit von rotierender Masse lösen – eine technologische Innovation, die erneuerbare Energien stabiler macht.
Batteriespeicher könnten in Sekundenschnelle auf Schwankungen reagieren und das Netz stützen. Ein vielversprechender Ansatz kommt aus der KI: Unternehmen wie Utilidata setzen auf KI-Chips, etwa in Kooperation mit Nvidia, um Netzdaten in Echtzeit zu analysieren und Lastspitzen intelligent zu managen. Diese Technologie könnte erneuerbare Energien nahtlos in ein stabiles Netz integrieren – ein Hoffnungsschimmer für die Energiewende.
Energiekrise in Spanien als europäischer Weckruf
Die Energiekrise in Spanien ist ein klarer Fingerzeig: Europa ist haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Die drei Helden – französische AKWs, der ENTSO-E-Netzaufseher und Spaniens Dieselgeneratoren – haben Schlimmeres verhindert, doch die Schwächen bleiben. Die Energiewende braucht nicht nur grüne Energie, sondern auch robuste Netze, die sie tragen. Mit besserer Vernetzung, Speichern, synthetischer Trägheit und innovativen Technologien wie KI können wir die Zukunft sichern – aber die Zeit drängt.
Im europäischen Verbund mit den rotierenden Massen aus dortigen Kraftwerken hätte der Frequenzabfall mit hoher Wahrscheinlichkeit kompensiert werden können. Europas Netze ganzheitlich zu denken, macht also besonders viel Sinn – besonders für Spanien und Portugal sowie Frankreich.
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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.