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Energy Towers: Strom aus heißer Luft

Cleantech-Startup Energy Towers Holding AG verspricht mit Auftriebskraft die Energiewende zu beschleunigen – Speed-&-Scale-Check.

Das südhessische Cleantech-Startup Energy Towers Holding AG hat großspurige Pläne: Mit dem sogenannten archimedischen Prinzip wollen die Gründer Abwärme in Strom verwandeln und so zur Dekarbonisierung der Industrie beitragen. Bis 2030 sollen über 400 Anlagen entstehen, schon 2027 ist ein Börsengang angekündigt. Klingt nach genau dem, was die Energiewende braucht: Speed & Scale. Doch bei genauerem Hinsehen stellt sich die Frage: Sind diese Pläne realistisch?

Für die VDI Nachrichten ist das eine „auf den zweiten Blick spannende Entwicklung“ (zum Artikel). Das Cleantech-Startup Energy Towers mit juristischem Hauptsitz im südhessischen Michelstadt und Büro im baden-württembergischen Leimen tritt vor einigen Wochen erstmals auch in der etablierten Fachpresse auf – ein Hinweis, dass die Idee zwar kritisch gesehen wird, aber Neugier weckt.

Bei der Analyse der Technologie von Energy Towers bezieht sich Autor Heinz Wraneschitz auf ein aktuelles Whitepaper des Unternehmens. Öffentlich zugänglich ist lediglich ein wissenschaftliches Paper (Direktdownload) von Prof. Marcus Geimer (KIT Campus Transfer GmbH) aus dem Jahr 2022. Darin verweist Geimer auf Daten von 2017 und nennt Wirkungsgrade von zwei Subsystemen (Hydraulik 68 % / Tower 87 %).

Für eine Überschlagsrechnung des Gesamtsystems, so seine Empfehlung, müsse ein Modell entwickelt werden.  

Das Grundprinzip der Energy Towers

Worum geht es nun genau? Die geplanten Anlagen sollen das sogenannte archimedische Prinzip nutzen. Vereinfacht gesagt: Warme Luft steigt in einem Turm nach oben, wodurch ein Auftriebseffekt entsteht. Dieser soll über eine hydraulische Mechanik Turbinen antreiben und so Strom produzieren.

„Erstmals gelingt uns die Energieumwandlung durch Gravitationskraft in nachhaltigen Strom, der kontinuierlich verfügbar, wirtschaftlich und umweltverträglich ist.“ (Zeki Akbayir | CTO)

Die Abwärme aus Industrieprozessen oder geothermischen Wärmequellen dient für die Energietower als Energiequelle, um die Luftströmung konstant in Bewegung zu halten. Es geht also nicht um Energieerzeugung, sondern um die Wandlung von thermischer in elektrische Energie. Ergänzt wird das Konzept durch Schwerkraft und Kreislaufmechanik, die für die kontinuierliche Zirkulation sorgen.

Die Darstellung zeigt das Prinzip der Energy Towers (Quelle: Unternehmen)

In den Unterlagen – hier gibt es eine Schritt-für-Schritt-Visualisierung auf der Webseite – beschreibt Energy Towers sein Konzept mit folgenden Eckpunkten:

  • Modularer Aufbau (z. B. „5 MW pro Modul“),
  • bis zu 8.000 Volllaststunden pro Jahr,
  • emissionsfreie, wetterunabhängige Stromproduktion,
  • sowie eine geplante Pilot-/Prototypen-Roadmap bis 2026.

Bislang handelt es sich ausschließlich um Ankündigungen. Ein öffentlich zugänglicher, unabhängiger Nachweis über Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems und insbesondere die Wirtschaftlichkeit liegt nicht vor.

Theorie, Öffentlichkeit und externe Stimmen

In der Veröffentlichung des KIT wird der Grundgedanke (thermisch induzierter Auftrieb zur Stromerzeugung) für zwei Subsysteme theoretisch diskutiert. Es handelt sich um eine vom Unternehmen beauftragte Arbeit, die die technische Machbarkeit dieser Teilsysteme bestätigt und Wirkungsgrade beschreibt. Im jüngeren Artikel der VDI Nachrichten aus dem Sommer 2025 ist erstmals von einem Gesamtwirkungsgrad des Systems die Rede – angegeben mit 25 %.

Vor einem Jahr, im Sommer 2024 hat sich YouTuber Etienne Beautemps vom Kanal Breaking Labs das Konzept angeschaut – und sich kritisch erklärend betätigt:

Nach Kritik an seiner sanften Analyse des Geschäftsmodelle, der Technologie sowie der Kommunikation des Cleantech-Startups hat der Youtuber ein Folgevideo veröffentlicht:

Sollte ein Prototyp, wie angekündigt bis 2026, tatsächlich einen Gesamtwirkungsgrad von 25 % erreichen, läge dieser deutlich über den Werten typischer ORC-Anlagen. Allerdings ist es auch ein großer Unterschied, ob ich zwei meterhohe Türme in die Landschaft baue oder eine ORC-Anlage in einem Container betreibe. Zugleich bleibt offen, ob solche Angaben unter realen Bedingungen bestätigt werden können.

Damit wird deutlich: Die entscheidende Frage lautet weniger „Kann man das?“ als vielmehr „Lässt sich das effizient und wirtschaftlich betreiben?“

Die Nagelprobe 2026: Was ein Prototyp belegen muss

Ob Energy Towers über ein interessantes Konzept hinauskommt, entscheidet ein belastbarer Prototyp. Aus Sicht von Industriepartnern und Investoren wären u. a. folgende Kennzahlen entscheidend:

  • Thermodynamische Effizienz (von nutzbarer Wärme zu elektrischer Energie) unter realen Lastprofilen,
  • spezifische Kosten: CAPEX (€/kW) und LCOE (€/MWh) inkl. OPEX,
  • Temperatur- und Volumenstrom-Band der benötigten Abwärme (Eignung für reale Industriestandorte),
  • Betriebsverhalten: Regelbarkeit, Rampen, Verfügbarkeit, Wartungsaufwand,
  • Standortanforderungen: Flächenbedarf, Bauhöhe, Lärm/Immissionen, Genehmigung,
  • Systemwert: Beitrag zur Flexibilität, Dunkelflaute-Resilienz, Einbindung in Netze/Microgrids.

Finanzierung und Skalierung: Anspruch vs. Anschlussfähigkeit

Für den Weg zum Prototyp beziffert Energy Towers einen Kapitalbedarf von 16 Mio. Euro. Parallel werden ambitionierte Schritte skizziert (u. a. möglicher Börsengang, dreistellige Anlagenzahl bis 2030).

In der Cleantech-Praxis gilt: Zwischen FOAK („first-of-a-kind“) und breiter Skalierung liegen Engineering, Zertifizierung, Zulieferketten, Servicekonzepte und vor allem Pilotpartner, die Betriebsdaten erzeugen. Ohne diese Meilensteine bleibt jede Skalierungszahl hypothetisch.

Anwendungsgebiete und Alternativen

Energy Towers verweist auf Industrieprozesse, Städte und abgelegene Regionen als mögliche Einsatzfelder seiner Technologie. Gerade in der Industrie fällt Abwärme in erheblichem Umfang an – häufig ungenutzt. Doch hier stellt sich die Frage, ob die Nutzung dieser Wärme zur Stromproduktion tatsächlich der naheliegende Weg ist.

Für viele Unternehmen ist es deutlich relevanter, Abwärme so zu speichern, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder als Prozessenergie eingesetzt werden kann. Lösungen wie die von EnergyNest zeigen, dass thermische Speicher im industriellen Alltag bereits funktionieren und wirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden können.

Abwärme wird heute bereits über verschiedene Routen nutzbar gemacht:

  • ORC-/Kalina-Zyklen (z. B. Orcan Energy) wandeln Wärme in Strom; vielfach im Feld, inkl. maritimer Anwendungen.
  • Thermische Speicher (z. B. Beton-/Sand-/Salzspeicher) wie EnergyNest verschieben Prozesswärme zeitlich – oft wirtschaftlicher als Stromkonversion.
  • Wärmepumpen heben Niedertemperatur-Wärme auf Prozessniveau; steigern Effizienz statt Strom zu erzeugen.

An diesem Benchmark muss Energy Towers sich messen lassen – technisch, wirtschaftlich, regulatorisch.

Damit rückt die grundsätzliche Frage in den Vordergrund: Ist die Stromproduktion aus Abwärme wirklich der effizienteste Weg, oder ist eine Wärmespeicherung mit direkter Nutzung für viele Anwendungen die bessere Alternative?

Kommunikation und Investorenansprache

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Art, wie Energy Towers mit Öffentlichkeit und potenziellen Investoren kommuniziert. Wer sich für das Projekt interessiert, findet vor allem Hochglanzbotschaften: Slogans über Klimaschutz, die Dringlichkeit der Energiewende und die große Vision eines weltweiten Roll-outs. Doch sobald es um harte Fakten geht, bleibt vieles vage.

Das „Investorenpaket“ wiederholt im Wesentlichen die Inhalte der Webseite, anstatt detaillierte Geschäftspläne, technische Daten oder nachvollziehbare Renditeberechnungen zu liefern. Wer über einen QR-Code weitere Informationen anfordert, landet schließlich wieder auf demselben Formular – eine Endlosschleife, die Transparenz eher verhindert als schafft.

Auch die Marketingstrategie wirft Fragen auf. Mit einer bezahlten TikTok-Kampagne wurde Reichweite bei einer jungen Zielgruppe eingekauft, die aber kaum Zugang zu industrieller Abwärme hat und nicht im Fokus professioneller Investoren steht. Damit wird Bekanntheit erzeugt, die jedoch an den Kernzielgruppen wie Industrieunternehmen oder Kommunen vollständig vorbeigeht.

Hinzu kommt, dass selbst Pressemitteilungen nicht konsistent veröffentlicht werden: Eine Mitteilung vom 8. August (liegt Cleanthinking vor) wurde erst zwölf Tage später verschickt und auf der Webseite nicht veröffentlicht. Auch inhaltlich wies die Meldung Schwächen auf: Im Grunde wird darin aus einer Hauptversammlung ohne Relevanz berichtet.

Als „Aufhänger“ dient, man habe acht Millionen Menschen über die Werbekampagne erreicht – die, aber wie analysiert, falsche Zielgruppen adressiert. Daneben gibt es Versprechungen und die Ankündigung, man wolle in einer Investorenrunde nun zwei Mal acht Millionen Euro Kapital einwerben.

Für ein Unternehmen, das Investoren im Millionenbereich gewinnen möchte, ist ein solches Vorgehen mindestens überraschend. Dabei hatte auch der Youtuber von Breaking Labs vor einem Jahr bereits die unklare Kommunikation kritisiert.

Es zeigt sich Energy Towers hat bislang mehr Energie in die Reichweite seiner Botschaften gesteckt als in die Substanz der Informationen, die Kapitalgeber, Industriepartner und Öffentlichkeit tatsächlich benötigen würden. Und das, obwohl eine renommierte Agentur beauftragt wurde.

Fazit: Energy Towers – interessante Idee, harte Beweislast

Energy Towers adressiert ein reales Problemfeld: ungenutzte Abwärme. Der Anspruch ist groß – Strom aus Auftrieb, Schwerkraft und Abwärme, modular und wetterunabhängig. Entscheidend wird sein, ob der Prototyp 2026 die notwendigen Leistungs-, Kosten- und Betriebsdaten liefert und ob es gelingt, Pilotpartner zu gewinnen, die das System unter industriellen Bedingungen testen.

Gibt es also bald Strom aus heißer Luft? Ohne Prototyp, ohne externe Validierung und ohne belastbare Kostenmodelle lässt sich die behauptete Systemrelevanz nicht bewerten. In der Summe überzeugt Energy Towers aktuell nicht, weil zentrale Nachweise fehlen und die Kommunikation statt Substanz vor allem Reichweite adressiert.

Offen bleibt zudem die Frage nach Speed & Scale. Ist es realistisch, dass ein kleines Unternehmen mit Sitz in Michelstadt, angeführt von CEO Stephan Ballweg und CTO Zeki Akbayir, innerhalb weniger Jahre all seine ambitionierten Ziele erreicht? Dazu gehören:

  • die Einwerbung von 16 Millionen Euro Kapital für den Prototyp,
  • das Gewinnen von Lizenznehmern für über 400 Anlagen bis 2030,
  • und ein geplanter Börsengang bereits 2027.

Angesichts der bisherigen Nachweislage erscheinen diese Pläne mehr als ambitioniert – und werfen die Kernfrage auf, ob Energy Towers tatsächlich den Anspruch von Speed & Scale einlösen kann.

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