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SPD will Stahlindustrie mit Staatsbeteiligung absichern – Klimawende im Fokus
Vor dem Stahlgipfel im Kanzleramt fordert die SPD industriepolitische Maßnahmen zum Schutz der Stahlindustrie – im äußersten Fall auch eine Staatsbeteiligung. Es geht um Jobs, Klimaziele und Versorgungssicherheit.
Die deutsche Stahlindustrie steht unter hohem Transformationsdruck: Energiepreise, internationale Konkurrenz und die nötige Dekarbonisierung gefährden ihre Zukunftsfähigkeit. Vor dem geplanten Stahlgipfel im Kanzleramt schlägt die SPD Alarm – und bringt laut stern erstmals auch eine direkte Staatsbeteiligung ins Spiel. Ziel sei es, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und Investitionen in klimaneutrale Prozesse zu ermöglichen.
In einem internen Positionspapier, aus dem der stern zitiert und am Dienstag beschlossen werden soll, beschreibt die SPD-Bundestagsfraktion die Lage der deutschen Stahlindustrie als „akut gefährdet“. Gründe seien
- weltweite Überkapazitäten,
- wachsende Handelskonflikte,
- protektionistische Maßnahmen sowie
- hohe Energiepreise.
- Auch der Investitionsbedarf in klimaneutrale Produktionstechnologien sei gewaltig.
Der SPD-Vorschlag: ein Bündel industriepolitischer Maßnahmen zur Stabilisierung der Branche – bis hin zu einer staatlichen Beteiligung als „Ultima Ratio“. Diese soll in „begründeten Einzelausnahmefällen“ möglich sein, etwa um strategische Abhängigkeiten zu vermeiden und klimarelevante Umstellungen abzusichern
Klar ist: Die Dekarbonisierung der Stahlproduktion ist alternativlos, wenn Deutschland seine Klimaziele für 2030 und 2045 erreichen will. Grüner Stahl – produziert mit Wasserstoff statt Kohle – gilt als Schlüsselinfrastruktur für emissionsarme Industrien. Doch der Umbau ist teuer. Unternehmen benötigen nicht nur Planungs- und Investitionssicherheit, sondern auch wettbewerbsfähige Strom- und Wasserstoffpreise.
Die SPD betont, ein Staatseinstieg dürfe nicht als Ersatz für Industriepolitik verstanden werden, sondern als letztes Mittel. Vorrang hätten Förderprogramme, Carbon Contracts for Difference (CCfD) und internationale Kooperationen zur Abfederung ungleicher Wettbewerbsbedingungen.
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Laut der Wirtschaftsvereinigung Stahl hängen rund vier Millionen Arbeitsplätze in Deutschland direkt oder indirekt an stahlintensiven Branchen. Davon sind 80.000 Menschen direkt in der Stahlproduktion beschäftigt. Die Branche verzeichnete 2024 zum zweiten Mal in Folge sinkende Umsätze – ein Rückgang von 5,3 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) plant für Oktober 2025 einen Stahlgipfel, um die Zukunft der Branche zu diskutieren. Die SPD fordert bereits seit Monaten eine konzertierte Aktion. Das Ziel: Die Stahlindustrie als Fundament einer klimaneutralen, industriellen Wertschöpfung in Deutschland zu erhalten.
Einordnung: Staatsbeteiligung als letzter Hebel der Transformation?
Die Forderung nach einem möglichen Staatseinstieg in die Stahlindustrie markiert eine Zäsur in der deutschen Industriepolitik. Sie zeigt, wie hoch die Risiken für Arbeitsplätze, Klimaziele und geopolitische Unabhängigkeit eingeschätzt werden. Entscheidend wird sein, ob politische Maßnahmen wie CCfD, Energiepreisreformen und strategische Allianzen rechtzeitig greifen.
Nach Maßstäben wie Speed & Scale (Johan Rockström) ist klar: Ohne raschen Umbau der Stahlindustrie bleibt die Netto-Null-Strategie Makulatur. Die deutsche Politik steht vor der Herausforderung, kurzfristige Wettbewerbsfähigkeit und langfristige Klimastrategie in Einklang zu bringen – notfalls auch mit dem Rezept der Staatsbeteiligung.
Vor wenigen Tagen hatte die EU-Kommission angekündigt, die Schutzzölle auf Stahl auf 50 Prozent anheben zu wollen. Für die IG Metall ist das ein klares Signal, entschlossen gegen unfairen Handel und Dumping-Importe vorzugehen.
Grünen-Parteichef Felix Banaszak wiederum unterstützt das Vorhaben der SPD, klimafreundlich hergestellten Stahl aus Europa durch entsprechende Regelungen zu bevorzugen.
Banaszak erklärte im Interview mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe, dass Europa, wenn es nicht zum Hauptmarkt für grünen Stahl wird, nicht nur Arbeitsplätze verlieren würde, sondern auch an technologischer Unabhängigkeit. Es gehe nicht nur um den Klimaschutz, sondern auch um die industrielle Wettbewerbsfähigkeit, die Sicherheit der Versorgung und die soziale Stabilität.
Die Vorsitzende der Linken, Schwerdtner, forderte im Gegenzug von den Stahlunternehmen eine Garantie für die Arbeitsplätze der Beschäftigten.
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