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Hamburger Bürger stimmen über Klimaziel 2040 ab: Warum ein Ja so wichtig ist
Volksentscheid Hamburg: Noch bis 18 Uhr entscheiden Hamburger Bürger, ob die Stadt bereits 2040 klimaneutral werden soll. Ein Ja bedeutet mehr als Klimapolitik – es ist ein demokratisches Signal.
Es ist ein besonderer Tag für Hamburg – und für die Klimapolitik in ganz Deutschland: Hamburger Bürger stimmen heute über das Klimaziel 2040 ab. Der sogenannte Zukunftsentscheid – juiistisch ein Volksentscheid – will das bisherige Ziel um fünf Jahre vorziehen und verbindlich machen. Doch dafür braucht es nicht nur eine Mehrheit, sondern auch ein hohes Quorum. Wer mit Ja stimmt, setzt ein Zeichen – für klare Klimaziele, soziale Verantwortung und demokratische Gestaltung.
Damit der Volksentscheid bindend wird, genügt nicht die einfache Mehrheit. Es müssen mindestens 20 % der Hamburger Wahlberechtigten – rund 260.000 Menschen – mit Ja stimmen. Diese Hürde ist herausfordernd, aber erreichbar. Schon über 470.000 Briefwahlunterlagen wurden verschickt.
Ein Erfolg wäre mehr als ein lokaler Beschluss: Es wäre ein Impuls für Klimapolitik per Bürgerentscheid, auch über Hamburg hinaus. Denn es zeigt: Klimaschutz ist kein Elitenprojekt – sondern eine demokratisch legitimierte Aufgabe.
Volksentscheid: Das steht im Klimaschutzverbesserungsgesetz
Mit dem Klimaschutzverbesserungsgesetz soll das bestehende Hamburgische Klimaschutzgesetz (HmbKliSchG) verschärft und verbindlicher gestaltet werden. Ziel ist die gesetzlich verankerte Klimaneutralität bis spätestens 2040. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
✅ 1. Klimaneutralität 2040 wird verbindlich
- Die Stadt verpflichtet sich, ihre CO₂-Emissionen bis 2040 um mindestens 98 % gegenüber 1990 zu senken.
- Durch Einbezug natürlicher Senken (z. B. Moore, Wälder) soll Netto-Null erreicht werden.
📉 2. Jährliche CO₂-Budgets bis 2040
- Es werden verbindliche Jahresemissionsmengen für jedes Jahr bis 2040 festgelegt.
- Dazu kommen Sektorziele für Verkehr, Gebäude, Haushalte, Industrie und Gewerbe.
- Die Ziele werden regelmäßig angepasst und überwacht.
🛠️ 3. Sofortprogramm bei Zielverfehlung
- Wird ein CO₂-Ziel in einem Jahr überschritten, muss der Senat binnen fünf Monaten ein Sofortprogramm beschließen – mit öffentlich zugänglicher Begründung.
- Wenn Hamburg nicht die gesetzliche Kompetenz für Maßnahmen hat, kann der Senat eine Ausnahme geltend machen – muss diese aber begründen.
🔄 4. Nachholpflicht bei Überschreitungen
- Wird das CO₂-Budget überschritten, muss die Differenz auf die Folgejahre verteilt werden – bis spätestens 2040.
- Der Senat passt dafür jährlich die Emissionsgrenzen an.
🔍 5. Kontrolle durch Schätzbilanz & Klimabeirat
- Jährlich erstellt die Verwaltung eine Schätzbilanz der CO₂-Emissionen.
- Ein unabhängiger Klimabeirat begleitet die Umsetzung wissenschaftlich und kann öffentlich Stellung beziehen.
🧭 6. Sozialverträglichkeit wird gesetzlich verankert
- Alle Maßnahmen müssen sozialverträglich, wirtschaftlich und sparsam gestaltet sein (§ 7 Landeshaushaltsordnung).
- Ziel ist die maximale Wirkung bei minimalem Mitteleinsatz – insbesondere zugunsten einkommensschwächerer Haushalte.
📘 7. Neuer Klimaplan innerhalb von zwei Jahren
- Innerhalb von 24 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes muss der Klimaplan überarbeitet werden – mit Anpassung an die neuen Zielvorgaben.
- Die bisherige Fortschreibung von 2023 gilt bis dahin weiter.
Der Gesetzentwurf verbindet klare Ziele mit detaillierten Mechanismen zur Umsetzung, Kontrolle und Nachsteuerung. Er ist damit konkreter als viele bestehende Klimagesetze in Deutschland und europaweit – vor allem durch die Kombination aus Jahresbudgets, Sofortprogrammen und Nachholpflichten.
Was wirklich zur Abstimmung steht
Der Gesetzentwurf der Initiative enthält:
- Ein verbindliches CO₂-Budget für jedes Jahr bis 2040
- Eine gesetzliche Verpflichtung für Hamburger Senat und Verwaltung
- Sektorspezifische Ziele für Verkehr, Gebäude, Wirtschaft und Energie
- Ein Sofortprogramm, wenn die Ziele verfehlt werden
- Kein Verbotskurs, sondern sozial gerechte Maßnahmen: z. B. Förderung für Sanierungen, ÖPNV-Ausbau, soziale Staffelung
Diese Klarheit wird von Gegnern teils als „unflexibel“ oder „symbolisch“ abgetan. Dabei ist es genau das Gegenteil: ein realistischer, messbarer Plan für effektiven Klimaschutz mit klarer Zuständigkeit und breiter Unterstützung aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Während der Hamburger Volksentscheid über konsequenten Klimaschutz diskutiert, mehren sich auf EU- und Bundesebene Stimmen, die Klimaziele aufweichen wollen. Im Gespräch ist etwa:
- Plug-in-Hybride oder Fahrzeuge mit Reichweitenverlängerern wieder als klimafreundlich zu bewerten – trotz hoher realer Emissionen
- CO₂-Erleichterungen für Autohersteller, wenn sie „grünen Stahl“ aus Europa nutzen
Solche „Flexibilisierungen“ würden die Messbarkeit von Emissionen untergraben und die ohnehin schleppende Transformation der Industrie weiter verzögern. Der Volksentscheid setzt dagegen ein klares Signal: Keine Ausreden mehr – sondern Verantwortung übernehmen.
Klimaneutralität 2040 ist machbar – mit Planung und sozialer Absicherung
Eine Studie im Auftrag der Umweltbehörde zeigt: Klimaneutralität 2040 ist auch für Hamburg erreichbar – wenn politische Weichen richtig gestellt werden. Dazu gehören:
- Verkehrswende mit Ausbau des ÖPNV, emissionsfreiem Carsharing, Fahrradinfrastruktur
- Gebäudesanierungen, Wärmewende und gezielte Förderung für Haushalte mit niedrigen Einkommen
- Energiewende mit PV-Ausbau, Wärmepumpenoffensive und Abschaffung fossiler Heizsysteme
Der Entscheid will diese Transformation nicht beschleunigen um jeden Preis, sondern sozial flankieren – durch gezielte Förderung, Beteiligung und Planungssicherheit.
Auch aus der Hamburger Kulturszene kommt zum Wahltag ein deutliches Signal: Mehr als 90 Schauspielerinnen, Musikerinnen, Regisseur*innen und Kulturschaffende haben sich am Freitag mit einem offenen Brief hinter den Zukunftsentscheid gestellt. In dem Schreiben, das im Deutschen Schauspielhaus vorgestellt wurde, betonen sie die Dringlichkeit des Klimaschutzes – und rufen alle Hamburger*innen auf, bis zum 12. Oktober mit Ja zu stimmen.
„Mit dem Zukunftsentscheid können wir eine gemeinsame Geschichte schreiben – solidarisch und zuversichtlich, eine gute Zukunft für alle zu gestalten“, heißt es in dem Brief.
Zu den Unterzeichnenden zählen bekannte Namen wie Bjarne Mädel, Lina Beckmann, Emil und Oskar Belton, Henning Besser, Maximilian Mundt oder Barbara Nüsse – aber auch viele weniger prominente Akteur*innen, die Hamburgs Kulturlandschaft mitgestalten. Ihr Appell: „Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass uns die Größe der Herausforderung nicht auseinander treibt, sondern zusammenbringt.“
Der Brief setzt ein Zeichen gegen das Polarisieren und Kleinreden der Klimakrise – und für eine offene, solidarische Stadtgesellschaft, die Verantwortung übernimmt.
Heute entscheiden Hamburger Bürger über mehr als ein Zieljahr
Der Volksentscheid zum Klimaziel 2040 ist eine Bewährungsprobe für die Demokratie in Zeiten der Klimakrise. Der Entscheid verbindet konkrete Maßnahmen mit demokratischer Legitimation. Ein Erfolg würde Hamburg nicht nur zum Vorreiter machen – er wäre ein deutliches Signal an Bundespolitik und EU: Menschen wollen wirksamen, gerechten Klimaschutz – und sind bereit, ihn selbst mitzugestalten.
Noch bis 18 Uhr kann gewählt werden. Jede Stimme zählt – für ein lebenswertes, gerechtes und klimaneutrales Hamburg.
Mehr Infos auf der Webseite: https://zukunftsentscheid-hamburg.de/