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Kapazitätsmarkt statt Flexibilität: Deutschlands Stromstrategie in die fossile Sackgasse
Schwarz-Rot plant milliardenschwere Zuschüsse für Gaskraftwerke und zentralen Kapazitätsmarkt – während dezentrale Speicher- und Flexibilitätsoptionen ausgebremst werden. Experten schlagen Alarm.
Die Energiewende steht an einem entscheidenden Scheideweg: Anstatt dezentrale Flexibilität und Bürgerenergie zu stärken, setzt die Bundesregierung auf fossile Reservekapazitäten in Form neuer Gaskraftwerke. Hinter dem Begriff „Kapazitätsmarkt“ verbirgt sich ein milliardenschweres Subventionssystem zugunsten zentralisierter Strukturen. Kritiker wie Philipp Schröder (1KOMMA5°) und Branchenvertreter warnen vor einem Kurs, der nicht nur klimapolitisch fragwürdig, sondern auch ökonomisch riskant ist.
Gaskraftwerke statt Flexibilität: Eine verpasste Chance? Die geplante Kraftwerksstrategie sieht Zuschüsse von bis zu 30 Milliarden Euro für neue Gaskraftwerke vor. Diese sollen einspringen, wenn Wind- und Solaranlagen zu wenig Strom liefern. Doch moderne Energietechnologien wie Elektroautos, Batteriespeicher und intelligente Wärmepumpen könnten diese Flexibilität bereits heute bereitstellen – ohne CO2-Ausstoß und weitgehend ohne Subventionen.
Philipp Schröder verweist auf ein vorhandenes Potenzial von rund 20 Gigawatt an steuerbarer Last in Bürgerhand. Doch durch regulatorische Hürden, einen schleppenden Smart-Meter-Rollout und fehlende Marktanreize bleibt dieses Potenzial ungenutzt. Stattdessen droht die Gaskraftstrategie, fossile Strukturen auf Jahrzehnte zu zementieren.
Was bedeutet ein zentraler Kapazitätsmarkt?
Die Einführung eines zentralen Kapazitätsmarktes könnte jedoch auch positive Effekte auf die Stabilität des Stromnetzes haben. Durch gezielte Anreize könnte die Integration erneuerbarer Energien verbessert werden, was langfristig zu einer nachhaltigeren Energieversorgung führt. Zudem wäre es möglich, innovative Technologien schneller in den Markt einzuführen, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Kritiker warnen jedoch, dass ohne geeignete Rahmenbedingungen die gewünschten Effekte ausbleiben könnten. Es bedarf daher einer sorgfältigen Ausgestaltung der Reform, um sowohl ökonomische als auch ökologische Ziele zu erreichen.
Zusätzlich wird die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verstärkt, was die Klimaziele gefährdet. Die Innovationskraft der Branche könnte dadurch ins Stocken geraten, da der Fokus auf veralteten Technologien bleibt. Um das Energiewende-Ziel zu erreichen, ist eine Neuausrichtung der Förderung notwendig. Nur durch gezielte Investitionen in Speichertechnologien und flexible Lösungen kann der Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung gelingen. Langfristig muss der Markt so gestaltet werden, dass er Erneuerbare Energien und deren Integration in das Netz priorisiert.
Internationale Perspektive: Deutschland gegen den Trend
Während China, Indien und andere Volkswirtschaften massiv in Electrotech und Batteriespeicher investieren, setzt Deutschland auf ein Modell, das fossile Infrastrukturen schützt. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) war 2024 bereits 92,5 % der neugebauten Stromkapazitäten weltweit erneuerbar. Deutschland droht, seinen einstigen Vorsprung in der Energiewende zu verspielen.
Christian Stöcker analysiert in seiner Kolumne: Der global sichtbare Trend hin zur Dezentralität und Digitalisierung werde hierzulande bewusst ausgebremst – zugunsten von RWE, E.ON und anderen Profiteuren des fossilen Status quo.
Die Folgen dieser stagnierenden Entwicklung sind gravierend. Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien bleiben auf der Strecke, während andere Länder ihre Technologien und Infrastrukturen weiterentwickeln. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen könnte langfristig die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährden. Um den Anschluss nicht zu verlieren, sind umfassende Reformen notwendig, die die Energiewende tatsächlich vorantreiben. Nur so kann Deutschland in einem sich schnell verändernden globalen Markt bestehen bleiben.
Politische Einordnung: Von Habeck zu Reiche
Das von Robert Habeck favorisierte Modell eines kombinierten Kapazitätsmarktes wurde im Wirtschaftsministerium offenbar ad acta gelegt. Unter Wirtschaftsministerin Katherina Reiche zeichnet sich der Schwenk zu einem zentralen, staatlich gesteuerten Modell ab. Grundlage dafür ist unter anderem der neue EU-Beihilferahmen Cisaf.
Brisant: Die Vorschläge aus dem Ministerium weisen „erstaunliche Ähnlichkeiten“ mit Konzepten der Energiekonzerne RWE und E.ON auf. Stadtwerkeverbände wie VKU und Thüga hatten sich hingegen für dezentrale Elemente ausgesprochen – und wurden übergangen.
Fossile Absicherung statt zukunftsfähiger Flexibilität
Die geplante Neuausrichtung des Strommarktes droht, zentrale Prinzipien der Energiewende zu konterkarieren. Anstatt auf digitale, flexible und dezentrale Strukturen zu setzen, fließen Milliarden in fossile Kapazitäten, die weder marktwirtschaftlich noch klimafreundlich sind. Technisch wären Alternativen vorhanden – doch die politischen Weichen stellen auf Vergangenheit.
Im Sinne von „Speed & Scale“ verfehlt Deutschland damit die notwendigen Fortschritte auf dem Weg zur sauberen Welt 2050. Die Frage bleibt: Warum wird das Bürgerpotenzial ignoriert, während fossile Großerzeuger gestützt werden?