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Wie Technik die 6-Grad-Katastrophe verhindert hat – und was jetzt folgen muss

Emissions Gap Report 2025: Ohne gesellschaftliche Akzeptanz droht die Klimawende zu scheitern.

Noch vor einem Jahrzehnt lagen die Projektionen für den globalen Temperaturanstieg bis 2100 bei alarmierenden 4 bis 6 Grad Celsius. Ein Szenario mit drastischen Folgen für Mensch, Ökosysteme und globale Stabilität. Heute ist klar: Dieser Katastrophenkurs wurde verlassen. Der aktuelle Emissions Gap Report 2025 des UNEP zeigt, dass sich die projizierte Erwärmung durch internationale Klimapolitik und technologische Innovationen auf etwa 2,5 bis 2,8 Grad reduziert hat.

Laut UNEP ist die Differenz von 6 auf 2,8 Grad nicht zuletzt das Verdienst technologischer Disruption. Das ist ein enormer Fortschritt. Doch die neue Zahl ist kein Grund zur Entwarnung. Eine Erwärmung von knapp drei Grad würde weite Teile des Planeten unbewohnbar machen, Ernteausfälle verursachen, Klimaflüchtlinge schaffen und Kipppunkte wie das Abschmelzen des Westantarktischen Eisschildes in Gang setzen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist nicht gewonnen – er beginnt gerade erst.

Technologie wirkt – und das längst messbar

Der aktuelle Klimazustand ist Ausdruck sowohl jahrzehntelanger Untätigkeit als auch erster Erfolge. Denn: Es war vor allem technologische Entwicklung, die das Schlimmste verhindert hat. Die rapide Skalierung von Wind- und Solarkapazitäten, der Preisverfall bei Batteriespeichern, Fortschritte bei Energieeffizienz und erste globale CO2-Bepreisungsmodelle haben Wirkung gezeigt. 

Dahinter stehen Fortschritte wie:

  • Photovoltaik als günstigste Stromquelle in vielen Teilen der Welt
  • Batteriespeicher, die Elektromobilität wirtschaftlich machen
  • Digitale Technologien zur Verbrauchssteuerung in Netzen und Gebäuden
  • Erste Pilotanlagen für negative Emissionstechnologien wie DACCS (Direct Air Capture with Carbon Storage)

Doch diese „erste Welle“ der Transformation reicht nicht aus. Die Welt hat sich vom Katastrophenkurs verabschiedet, aber sie ist noch weit entfernt vom 1,5-Grad-Ziel.

Grafik aus dem Emissions Gap Report 2025

Die nächste Welle disruptiver Innovationen steht bereit

Um das 1,5-Grad-Ziel – oder zumindest eine Rückkehr dorthin bis 2100 – erreichbar zu halten, braucht es neue Technologien, die heute noch am Anfang stehen, so der Emissions Gap Report 2025. Dazu gehören:

  • Präzisionsfermentation: Herstellung von Proteinen für Milch- und Käsealternativen mit bis zu 90% weniger Emissionen
  • Zelluläre Landwirtschaft: Fleisch aus Zellkulturen, ohne Tierhaltung
  • Hochtemperatur-Wärmepumpen: Für industrielle Prozesswärme in der Chemie und Stahlindustrie
  • CO2-Rückgewinnung aus der Luft (DACCS): Um „Overshoot“-Szenarien wieder auszugleichen
  • Power-to-X-Technologien: Für grüne Moleküle in Schifffahrt, Flugverkehr und Industrie

Diese Innovationen sind technologisch greifbar. Die Frage ist nicht, ob sie funktionieren, sondern ob sie skalieren dürfen. Und genau daran entzündet sich zunehmend Widerstand.

Die Akzeptanzkrise der Transformation

Die Gesellschaft will Klimaschutz – aber oft nicht vor der eigenen Haustür. Dieses Muster ist aus vielen Kontexten bekannt:

  • Bürgerinitiativen gegen neue Windkraftanlagen blockieren Projekte
  • Ablehnung neuer Ernährungstechnologien wie präzisionsfermentierter Milch
  • Gerichtsprozesse, Verzögerungen, Desinformation in sozialen Medien

Laut Klimawende-Ausblick 2024 sind diese Konflikte keine Ausnahmen, sondern Ausdruck einer neuen Transformationsphase: Nachdem die großen Ziele gesetzt wurden, folgen nun Umsetzungskonflikte in konkreten Räumen. Die passive Zustimmung der Bevölkerung reicht nicht mehr aus, um ambitionierte Klimapolitik gegen lautstarke Gegenwehr durchzusetzen.

Wie gelingt gesellschaftliche Trägerschaft für Innovation?

Akzeptanz ist kein Zufallsprodukt, sondern Ergebnis kluger Gestaltung. Wer will, dass neue Technologien angenommen werden, muss:

  1. Partizipation & Ownership ermöglichen
    • Planung öffentlich gestalten
    • Bürgerenergieprojekte, Beteiligungsmodelle schaffen
  2. Kommunikation und Narrative erneuern
    • Raus aus dem Verzichts-Narrativ
    • Klimaschutz als Fortschrittsprojekt erzählen
  3. Planungs- und Entscheidungsprozesse beschleunigen
    • Klare Fristen und rechtssichere Genehmigungen
  4. Neue Technologien erklären, nicht verordnen
    • Wissenschaftskommunikation zur Präzisionsfermentation, DACCS etc.
  5. Sichtbare Leuchtturmprojekte schaffen
    • Kommunen, die zeigen: Es geht! – und es bringt Vorteile

Innovation first – aber nie ohne Menschen

Die erste Hälfte der Klimawende war ein technologisches Projekt. Sie hat Wirkung gezeigt. Die zweite Hälfte entscheidet sich gesellschaftlich. Die innovativen Lösungen für Mobilität, Industrie, Landwirtschaft und Energie stehen bereit. Doch ohne Vertrauen, Beteiligung und gesellschaftliche Trägerschaft werden sie nicht skalieren.

Die gute Nachricht: Es gibt Momentum. Klimaschutz ist mehrheitlich gewollt, wie die Entscheide in Hamburg und Berlin zeigen. Die Innovationen sind real, nicht visionär. Was fehlt, ist eine politische Kultur, die diese Transformation begleitet, nicht blockiert.

Die Herausforderung liegt nicht im „Ob“ – sondern im „Wie“. Technik hat das Potenzial, die Klimakrise zu begrenzen. Die Gesellschaft entscheidet, ob sie es nutzen will.

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