Klimakurve brechen: Drei globale Hebel für 1,7 Grad
Analyse vom Climate Action Tracker zeigt: Mit drei umsetzbaren Maßnahmen lässt sich die globale Erwärmung deutlich abmildern.
Die Klimakonferenz COP30 in Belém offenbarte die Erschöpfung multilateraler Klimapolitik – und gleichzeitig neue Hoffnung. Ausgerechnet von der Wissenschaft. Denn trotz der politischen Trägheit zeigt die aktuelle Analyse des Climate Action Tracker (CAT), dass die globale Erwärmung noch auf unter zwei Grad begrenzt werden könnte. Drei Hebel, die bereits bei COP28 in Ziele gegossen wurden, spielen dabei eine entscheidende Rolle: der Ausbau Erneuerbarer, mehr Energieeffizienz und die Reduktion von Methanemissionen.
Die Bilder von der COP30 gleichen denen früherer Konferenzen: ermüdete Delegationen, unklare Prozeduren, eine Abschlussnote voller Kompromisse. Und doch: Während draußen Regen fiel und Aktivist*innen protestierten, veröffentlichte der Climate Action Tracker, zu dem unter anderem das NewClimate Institute zählt, eine Bewertung, die im Kontrast zur politischen Lethargie steht.
Sie zeigt: Die Welt hat Fortschritte gemacht. Die Erderhitzung könnte statt bei 2,6 bis 2,8 Grad bei 1,7 bis 1,9 Grad gestoppt werden – sofern bereits beschlossene Maßnahmen konsequent umgesetzt werden.
1. Erneuerbare Energien verdreifachen
Das Ziel der COP28, die Kapazität Erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen, klingt ambitioniert. Doch global betrachtet wächst der Ausbau – insbesondere bei Solar- und Windkraft – rasant. Hemmnisse wie fehlende Netzinfrastruktur und unzureichende Investitionen in Schwellenländern bremsen den Fortschritt jedoch. Die Technologien sind vorhanden, der politische Wille entscheidet über Skalierung und Tempo.
2. Energieeffizienz verdoppeln
Effizienz galt lange als „unsichtbarer Riese“ des Klimaschutzes. Doch durch die Elektrifizierung ganzer Sektoren – etwa mit Wärmepumpen, E-Mobilität und elektrischen Industrieprozessen – werden drastische Energieeinsparungen möglich. Eine Verdopplung der Effizienzrate bedeutet nicht Verzicht, sondern technologische Modernisierung.
3. Methanemissionen reduzieren
Methan wirkt auf kurze Sicht weitaus stärker als CO2. Eine deutliche Reduktion – etwa im Erdgasbereich durch Leckagevermeidung – könnte die Erwärmung kurzfristig stark abbremsen. Viele Maßnahmen sind kosteneffizient oder sogar wirtschaftlich vorteilhaft.
„Vor zwei Jahren versprachen Regierungen, erneuerbare Energien zu verdreifachen, die Effizienz zu verdoppeln und gegen Methan zu handeln. Unsere Ergebnisse zeigen, dass dies bis 2035 ein Wendepunkt wäre, der die Erwärmungsrate im nächsten Jahrzehnt schnell verlangsamen und die globale Erwärmung in diesem Jahrhundert von 2,6 °C auf etwa 1,7 °C senken würde„, sagte Bill Hare, CEO und Senior Scientist bei Climate Analytics, einer Partnerorganisation für CAT. „Das Stoppen der Abholzung müsste hier ebenfalls ein entscheidender Schritt sein.
„Aber Regierungen müssen jetzt sofort damit anfangen. Die eigentliche Frage ist politisch: Können sich Regierungen dazu durchringen, dem Druck der fossilen Brennstoffindustrie zu widerstehen, und werden wohlhabendere Länder zustimmen, die finanzielle Unterstützung für jene Länder beschleunigen, die sie benötigen?„
Zwischen Overshoot und Kipppunkten
Trotz positiver Trends ist ein temporäres Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze wahrscheinlich. Die Welt steuert auf einen „Overshoot“ zu, der 1,6 bis 1,8 Grad erreichen könnte. Kurzzeitige Überschreitungen können noch kontrollierbar bleiben – doch ein dauerhaftes Verfehlen des 2-Grad-Ziels könnte irreversible Kipppunkte auslösen, wie das Schmelzen des antarktischen Eisschilds.

Luisa Neubauer bringt es im Surplus Magazin auf den Punkt: „Die Frage ist nicht mehr ob. Die Frage ist wie weit – und wie lange.“ Diese realistische Einschätzung hilft, die Dringlichkeit der Maßnahmen einzuordnen – und gibt gleichzeitig Anlass, fokussiert zu handeln.
Neue Allianzen, neue Impulse
Eine bemerkenswerte Initiative kam von Kolumbien, Panama, den Niederlanden und vielen anderen Staaten: Die Länder wollen bis 2026 eine Konferenz zum globalen Ausstieg aus fossilen Energien vorbereiten. Kolumbien, selbst Öl-Exporteur, bricht mit seiner Vergangenheit und übernimmt Verantwortung. Diese Allianz zeigt: Die Dynamik verlagert sich – von alten Machtzentren zu neuen Koalitionen mit klimapolitischem Gestaltungswillen.
Diese Entwicklung korrespondiert mit Neubauers Beobachtung: „Die Gründe zur Hoffnung liegen im Zwischenraum – dort, wo nicht alles verloren ist, nur weil nicht alles gewonnen wurde.“ Gerade dieser Zwischenraum macht das Spannungsfeld sichtbar, in dem sich internationale Klimapolitik aktuell bewegt.
Die CAT-Daten und die COP30 offenbaren ein Spannungsfeld zwischen technologischem Fortschritt und politischem Stillstand. Die Welt steht zwischen fossilen Rekordprofiten und wachsender Klimakrise auf der einen, sowie technologischem Aufbruch und globalem Klimabewusstsein auf der anderen Seite. Entscheidend ist, welche Geschichte wir zur dominierenden machen.
Und obwohl keine formale Roadmap für den Ausstieg aus den fossilen Verbrennungstechnologien vereinbart wurde, macht die Analyse vom Climate Action Tracker exakt hierfür Hoffnung. Denn, wenn die Ziele erreicht werden, ist das gleichbeutend mit einem signifikanten Zurückdrängen der fossilen Energieträger.
Fazit: Drei Hebel, eine Möglichkeit
Der Climate Action Tracker belegt: Der Pfad zu unter 2 Grad ist noch offen – wenn politische Absichtserklärungen in konkretes Handeln überführt werden. Die nötigen Technologien sind verfügbar und wirtschaftlich tragfähig. Der Engpass liegt in der Umsetzung. Wer die Erneuerbaren skaliert, Effizienz modern denkt und Methanemissionen systematisch bekämpft, kann das Jahrzehnt der Transformation einleiten. Es ist kein sicherer Weg – aber ein gangbarer.
Luisa Neubauer bringt die Ambivalenz dieser Zeit auf den Punkt: „Die Welt befindet sich nicht in einem Zustand des klaren Scheiterns oder des klaren Erfolgs. Sie befindet sich in einem spannungsreichen Zwischenraum, in dem zwei Geschichten gleichzeitig wahr sind.“
Die Analyse vom Climate Action Tracker gibt es hier zum Download.