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„Hocheffiziente Verbrenner“: Merz schreibt Brief an von der Leyen

Wie Deutschland seiner Autoindustrie den Sargnagel verpasst. Der Nokia-Moment ist nah.

Die schwarz-rote Koalition will nach 2035 sogenannte „hocheffiziente Verbrenner“ weiter zulassen. Dafür schreibt Kanzler Friedrich Merz einen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ob dieser per Brieftaube zur EU-Kommission geflogen wird, ist nicht überliefert. Hocheffiziente Verbrenner ist ein Begriff, der im Brief nicht definiert wird und technisch leer ist – und politisch verheerend wirkt. Gleichzeitig verkauft die schwarz-rote Bundesregierung ein Förderprogramm für Haushalte mit bis zu 95.000 Euro Jahreseinkommen als Hilfe für „kleine und mittlere Einkommen“.

Eine Analyse über industriepolitische Selbsttäuschung, physikalische Unmöglichkeiten und den Unterschied zwischen echter Sozialförderung und semantischer Kosmetik.

Kernpunkte auf einen Blick

  • „Hocheffizienter Verbrenner“ ist ein politisches Konstrukt ohne technische Substanz – vergleichbar mit „Clean Coal“ oder „sauberer Diesel“
  • Verbrennungsmotoren verlieren bis zu 70 % der Energie als Abwärme – das ist Physik, keine Meinung
  • China baut längst die besseren Elektroautos und exportiert sie – während Deutschland über Auspuffverlängerung diskutiert
  • Ökonomen warnen: Die deutsche Autoindustrie in ihrer heutigen Form könnte bis Ende des Jahrzehnts Geschichte sein
  • 69 % der Deutschen glauben nicht, dass Autohersteller überzeugt auf E-Mobilität setzen (IKND/Civey-Umfrage)
  • Das Förderprogramm erreicht Haushalte mit bis zu 95.000 Euro Jahreseinkommen – und nennt das „kleine und mittlere Einkommen“
  • Frankreichs Social Leasing fördert Haushalte unter 15.400 Euro – mit 100 Euro Monatsrate und 13.000 Euro Staatszuschuss
  • Keine Definition: Der Begriff „hocheffizienter Verbrenner“ ist im Brief an die EU-Kommission nicht definiert – ein Freifahrtschein
  • ETS-II-Deckel: Die EU will gleichzeitig den CO₂-Preis im Verkehr deckeln – das letzte Klimainstrument wird entkernt
  • Richtungssicherheit ist das, was Unternehmen brauchen – nicht politisches Zickzack

Es gibt politische Momente, die man später als Wendepunkte erkennt. Die Pressekonferenz von Bundeskanzler Friedrich Merz und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am 28. November 2025 könnte ein solcher Moment sein – allerdings nicht als Aufbruch, sondern als dokumentierter Anfang vom Ende.

Markus Söder erklärte mit der ihm eigenen Gewissheit:

„Auto ist und bleibt die zentrale Wertschöpfung in unserem Land. Und die dürfen wir nicht so einfach abgeben und sie nach Asien verabschieden.“

Wenige Minuten vorher hatte Friedrich Merz bereits die Richtung vorgegeben:

„Ich werde darum bitten, dass die EU-Kommission auch nach 2035 neben rein batterieelektrischen Fahrzeugen auch weiterhin Fahrzeuge mit einem doppelten Antrieb zulässt. Und dass auch neben Plug-in-Hybriden und Elektrofahrzeugen mit sogenanntem Range Extender auch hocheffiziente Verbrenner zugelassen werden können.“

Hocheffiziente Verbrenner.

Das Wort steht jetzt im Raum. Es klingt nach Innovation. Nach Kompromiss. Nach Zukunftsfähigkeit.

Es ist nichts davon.

Hocheffiziente Verbrenner: Der Begriff aus dem Fossilmuseum

Der Ausdruck „hocheffizienter Verbrenner“ gehört in dieselbe Kategorie wie „alkoholfreier Schnaps“, „diättauglicher Sahnekuchen“ oder „klimafreundlicher Braunkohlebagger“. Es ist ein Oxymoron auf Rädern – ein sprachliches Konstrukt, das technische Realität durch Wunschdenken ersetzt.

Denn ein Verbrennungsmotor ist – unabhängig von allen Optimierungen – ein physikalisch strukturell ineffizientes System. Das liegt nicht an mangelnder Ingenieurskunst, sondern an den Gesetzen der Thermodynamik.

Ein Ottomotor wandelt im Durchschnitt etwa 25 bis 30 Prozent der eingesetzten Kraftstoffenergie in Bewegung um. Der Rest – bis zu 70 Prozent – geht als Abwärme verloren. Bei Dieselmotoren liegt der Wirkungsgrad etwas höher, aber selbst im absoluten Optimum erreichen Verbrennungsmotoren kaum mehr als 40 Prozent.

Das ist kein technisches Versagen. Das ist der zweite Hauptsatz der Thermodynamik. Wärmekraftmaschinen haben systemische Effizienzgrenzen. Daran ändern auch Turbolader, Direkteinspritzung oder Leichtbauweise nichts Grundlegendes.

Ein Elektromotor hingegen erreicht Wirkungsgrade von 85 bis 95 Prozent. Er hat weniger bewegliche Teile, braucht kein Getriebe im klassischen Sinn, erzeugt keine lokalen Emissionen und lässt sich vollständig in ein regeneratives Energiesystem integrieren.

„Hocheffizienter Verbrenner“ ist daher kein technischer Begriff. Es ist ein politisches Beruhigungsmittel – vergleichbar mit:

  • „Clean Coal“ (der Mythos der sauberen Kohle)
  • „Sauberer Diesel“ (die Legende, die Dieselgate produzierte)
  • „Klimaneutral durch Technologie“ (die Verzögerungsstrategie fossiler Industrien)

Es sind Begriffe, die nicht der Innovation dienen, sondern dem Aufschub. Grünen-Europaabgeordneter Michael Bloss wittert einen „Freibrief für Verbrenner“ – und ein Ende vom Klimaschutz im Verkehr.

So begründet Merz die fossile Rolle-Rückwärts im Brief an Ursula von der Leyen:

Merz 1 ohne Briefkopf
Merz 2
Merz 3

Ein Begriff ohne Definition – per Design

Bloss (Grüne) hat den Brief der Bundesregierung an die EU-Kommission analysiert und eine bemerkenswerte Feststellung gemacht: Es gibt keine Definition, was ein „hocheffizienter Verbrenner“ eigentlich ist.

Das ist kein Versehen. Das ist Absicht.

Ein Begriff ohne Definition ist ein Freifahrtschein. Er erlaubt es, praktisch jeden Verbrenner als „hocheffizient“ zu labeln – solange niemand nachmisst. Es ist die politische Version eines Blankoschecks für die fossile Antriebstechnik.

Bloss kommentiert: „Alle Verbrenner sollen nach 2035 weiterfahren können. Es gibt keine Definition, was ein hocheffizienter Verbrenner ist. So steht es in seinem Brief an die EU-Kommission. Klimaschutz und E-Autoindustrie stehen vor einem Scherbenhaufen.“

Die verkehrte Welt der Industriepolitik

Markus Söder behauptet, man müsse die deutsche Wertschöpfung vor Asien schützen. Doch genau das Gegenteil geschieht. China kann sein Glück kaum fassen.

Während Deutschland über die Verlängerung einer Antriebstechnologie diskutiert, die China längst gleichwertig beherrscht, baut China das, was den nächsten industriellen Zyklus definiert:

  • Batteriezellen und Zellchemie auf Weltmarktniveau
  • Integrierte Software-Plattformen für Fahrzeuge
  • KI-gestützte Systeme für autonomes Fahren
  • Skalierte Produktionskapazitäten
  • Rohstoffpartnerschaften weltweit
  • Ladeinfrastruktur im Gigawatt-Maßstab

Die aktuellen Verkaufszahlen aus dem größten Automarkt der Welt sprechen eine deutliche Sprache:

  • olkswagen -7 Prozent
  • Audi -10 Prozent
  • BMW -13 Prozent
  • Mercedes-Benz -18 Prozent

China gewinnt nicht, weil es subventioniert. China gewinnt, weil es skaliert. Während deutsche Hersteller noch diskutieren, ob der Verbrenner vielleicht doch eine Zukunft hat, verkaufen chinesische Anbieter bereits die besseren Elektroautos – und setzen auf das, was Europa einst groß gemacht hat: den Export.

Söders Ansatz, sich mit „hocheffizienten Verbrennern“ gegen China zu wehren, ist nicht Industriepolitik. Es ist industrieller Selbstbetrug.

Schularick: „Diese Industrie wird es so nicht mehr geben“

Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, formulierte es kürzlich bei Caren Miosga ohne Beschönigung:

„Ich glaube, VW, Mercedes, BMW wird es wahrscheinlich in der aktuellen Form schon zum Ende des Jahrzehnts nicht mehr geben, so wie wir die deutsche Automobilwirtschaft jetzt aufgestellt sehen.“

Und weiter:

„Wir werden in zehn Jahren wahrscheinlich autonome Elektrofahrzeuge fahren, und alles, was wir hier gerade rückwärts blickend besprechen, verstellt uns den Weg, wo wir eigentlich hin sollten. Also bitte aufhören, rückwärts in die Zukunft zu laufen.“

Das ist keine Schwarzmalerei. Das ist Innovationstheorie.

Technologische Umbrüche ersetzen nicht einzelne Produkte – sie ersetzen ganze Wertschöpfungssysteme. Wer zu spät auf die neue Architektur umschaltet, wird nicht Marktführer im Neuen, sondern Nischenanbieter im Alten.

Das Automobil der Zukunft ist:

  • elektrisch angetrieben
  • softwaregesteuert
  • vernetzt und updatefähig
  • zunehmend autonom
  • in Energiesysteme integriert

Wer heute politisch den Verbrenner rehabilitiert, investiert nicht in die Zukunft. Er subventioniert die Vergangenheit.

Das eigentliche Gift: politische Unberechenbarkeit

Der Wirtschaftswissenschaftler Uwe Cantner brachte es im Podcast „NEU DENKEN“ mit Maja Göpel auf den entscheidenden Punkt:

„Unternehmen können mit Unsicherheiten umgehen. Sie können aber nicht damit umgehen, wenn die Politik alle naslang die Richtung ändert. Richtungssicherheit muss da sein.“

Und ganz konkret:

„Mein Lieblingsbeispiel ist CO₂-freie Individualmobilität 2035. Aber wenn ich mir dauernd überlege: Soll ich jetzt da rein investieren, eine Produktionsstätte dafür aufbauen, ein Forschungslabor dafür aufbauen – und in vier Wochen sagen die: Nee, jetzt ist es genau andersrum.“

Exakt das ist die Botschaft, die die Bundesregierung jetzt sendet:

  • Ihr könnt investieren – oder auch nicht.
  • Elektrisch – vielleicht.
  • Verbrenner – womöglich doch.
  • 2035 – mal sehen.

Das ist kein Standortsignal. Das ist ein Investitionsstopp in Raten. Industrien sterben nicht durch Regulierung. Industrien sterben durch Unentschlossenheit.

E-Fuels: Das Alibi, das keines ist

E-Fuels gelten für viele als letzter Rettungsanker des Verbrenners. Synthetische Kraftstoffe, hergestellt aus grünem Wasserstoff und CO₂, könnten – so die Theorie – den Verbrenner klimaneutral machen.

Die Realität sieht anders aus.

Die Herstellung von E-Fuels ist extrem energieintensiv. Für dieselbe Fahrleistung benötigt ein mit E-Fuels betriebener Verbrenner etwa fünf- bis sechsmal so viel Strom wie ein batterieelektrisches Fahrzeug. Das macht E-Fuels:

  • teuer in der Produktion
  • knapp in der Verfügbarkeit
  • ineffizient im Gesamtsystem

Hinzu kommt: Auch E-Fuels erzeugen bei der Verbrennung Stickoxide und Feinstaub. Der Motor bleibt ein Motor – mit allen lokalen Emissionen.

E-Fuels haben ihren Platz: in der Luftfahrt, in der Schifffahrt, in industriellen Spezialanwendungen. Für Hunderte Millionen Pkw sind sie keine Lösung – sie sind eine Ausrede.

Wer E-Fuels als Argument für den Verbrenner im Pkw verwendet, verteidigt keinen Markt. Er verzögert einen Wandel, der längst überfällig ist.

Biokraftstoffe und ETS-II-Deckel: Das Kleingedruckte des Desasters

Doch es wird noch absurder. Im Brief der Bundesregierung an die EU-Kommission verstecken sich weitere Zeitbomben.

Alle Formen von Biokraftstoffen sollen zugelassen werden

Die Regierung schreibt, dass „auch traditionelle Biokraftstoffe weiter ihre Rolle spielen“ sollen. Die Beimischungsquoten für „synthetische und fortschrittliche biogene Kraftstoffe“ sollen „angemessen erhöht werden„.

Michael Bloss übersetzt, was das konkret bedeutet:

  • Der Regenwald wird abgeholzt – für Energiepflanzen
  • Der Druck auf landwirtschaftliche Fläche steigt
  • Die Nahrungsmittelpreise werden steigen

Das ist keine Klimapolitik. Das ist die Verlagerung des Problems von der Straße auf den Acker – mit globalen Kollateralschäden.

Der ETS-II-Deckel: Das letzte Klimainstrument wird geköpft

Zeitgleich mit dem Merz-Vorstoß hat die EU-Kommission einen Vorschlag gemacht, den CO₂-Preis im Verkehrsbereich (ETS II) zu deckeln.

Bloss analysiert die Konsequenz schonungslos: „Faktisch gibt es dann kein Instrument mehr für den Klimaschutz im Verkehrsbereich.“

Das ETS II sollte ab 2027 den Emissionshandel auf Verkehr und Gebäude ausweiten. Es war das letzte marktbasierte Instrument, um fossile Kraftstoffe teurer und damit unattraktiver zu machen. Mit einem Preisdeckel wird dieses Instrument entkernt – noch bevor es wirken kann.

Bloss nennt das „ein Armutszeugnis im Jahr 2025 und nicht verfassungskonform.

Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 entschieden, dass der Staat verpflichtet ist, die Freiheitsrechte künftiger Generationen zu schützen – durch wirksamen Klimaschutz. Was hier gerade passiert, ist das genaue Gegenteil.

Das Förderprogramm: Soziale Schlagseite statt Social Leasing

Parallel zur Verbrenner-Renaissance hat die Koalition ein neues Förderprogramm für Elektroautos beschlossen. Die Eckdaten laut Koalitionsausschuss:

  • Zielgruppe: Haushalte mit „kleinem und mittlerem Einkommen“
  • Einkommensgrenze: 80.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen
  • Pro Kind: +5.000 Euro zur Einkommensgrenze
  • Basisförderung: 3.000 Euro
  • Zuschlag pro Kind: 500 Euro (maximal 1.000 Euro)
  • Budget: 3 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds

Das klingt nach sozialer Mobilitätswende. Die Zahlen erzählen eine andere Geschichte.

Die Rechnung für eine Familie mit drei Kindern:

  • Einkommensgrenze: 80.000 + 3 × 5.000 = 95.000 Euro
  • Das entspricht einem monatlichen Bruttoeinkommen von knapp 8.000 Euro

Ein Haushalt mit 95.000 Euro Jahreseinkommen gehört statistisch nicht zu den „kleinen und mittleren Einkommen“. Das Medianeinkommen in Deutschland liegt bei etwa 45.000 bis 50.000 Euro. Ein Haushalt mit 95.000 Euro befindet sich im oberen Einkommensfünftel – in der einkommensstarken Oberschicht.

Dass die Bundesregierung diese Gruppe als förderbedürftig für den Umstieg auf Elektromobilität definiert, ist kein Sozialleasing. Es ist semantische Umverteilung nach oben.

Der Vergleich mit Frankreich macht die Schieflage deutlich

Frankreich hat 2024 das sogenannte „Leasing Social“ eingeführt – mit durchschlagendem Erfolg. Das Programm wurde innerhalb von sechs Wochen von über 50.000 Haushalten genutzt, doppelt so viel wie ursprünglich geplant.

Die Konditionen:

KriteriumFrankreichDeutschlandEinkommensgrenze15.400 Euro/Jahr80.000–95.000 Euro/JahrMonatliche Rate100–150 Euronicht festgelegtStaatlicher Zuschussbis 13.000 Euro pro Fahrzeug3.000–4.000 EuroZielgruppeGeringverdiener, Pendler„kleine und mittlere Einkommen“

Vergleich Sozial Leasing Deutschland Frankreich

Die französische Einkommensgrenze liegt bei einem Sechstel des deutschen Werts. Das französische Programm erreicht Menschen, die sich ohne Förderung kein Elektroauto leisten könnten. Das deutsche Programm erreicht Menschen, die sich ohnehin eines kaufen könnten – nur vielleicht nicht das gewünschte Modell.

Ein Berater von Präsident Emmanuel Macron sagte über das französische Programm:

„Das ist ein echter Erfolg für die französische Ökologie, gut für den Geldbeutel und für den ganzen Planeten.“

In Deutschland hingegen fließen Milliarden in eine Förderung, die ihren sozialen Anspruch bereits im Kleingedruckten verrät.

Was echtes Social Leasing ausmacht

Das französische Modell funktioniert, weil es:

  • auf die tatsächlich Bedürftigen zielt (Jahreseinkommen unter 15.400 Euro)
  • die monatliche Belastung auf 100–150 Euro begrenzt
  • die Förderung an berufliche Notwendigkeit knüpft (15 km zur Arbeit oder 8.000 km pro Jahr)
  • nur europäisch produzierte Fahrzeuge fördert
  • Planbarkeit schafft (3 Jahre Laufzeit, Option auf Verlängerung)

Das Ergebnis: Menschen, die bisher vom Neuwagenmarkt ausgeschlossen waren, erhalten Zugang zu sauberer Mobilität.

Das deutsche Modell hingegen:

  • erreicht Haushalte, die statistisch zur Oberschicht gehören
  • bietet eine Einmalprämie statt monatlicher Entlastung
  • definiert „klein und mittel“ so, dass fast jeder darunter fällt
  • schafft keinen strukturellen Zugang für Geringverdiener

Das ist kein Social Leasing. Das ist Etikettenschwindel.

Die Bevölkerung durchschaut das Spiel

Die Menschen in Deutschland sind nicht so leicht zu täuschen, wie manche in Berlin offenbar glauben. Eine aktuelle Civey-Umfrage im Auftrag der Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND), durchgeführt am 24. und 25. November 2025 mit 2.500 Befragten, zeigt ein ernüchterndes Bild:

  • 69 Prozent der Befragten glauben, dass deutsche Automobilhersteller nicht mit Überzeugung auf Elektromobilität setzen.
  • 48 Prozent sind der Meinung, die deutsche Politik betrachte Elektromobilität nicht als die wichtigste Zukunftstechnologie im Verkehrsbereich.

Das sind keine Randmeinungen. Das ist die Mehrheit.

Carolin Friedemann, Geschäftsführerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland, kommentiert die Ergebnisse:

„Der Beschluss der Koalitionäre zum sogenannten Verbrenner-Aus wird dem Verkauf von E-Autos vermutlich nicht helfen. Die Mehrheit der Deutschen glaubt schon heute nicht, dass die Politik und Autohersteller überzeugt hinter der Elektromobilität stehen. Dabei ist Elektromobilität längst ein realer Markt, technologische Stärke und eine Chance für Beschäftigung. Deutsche Hersteller liefern technisch hochwertige E-Autos, es kommen immer günstigere Modelle auf den Markt. Statt Vollbremsung braucht es jetzt volle Kraft voraus und klare Rückendeckung.“

Die Umfrage bestätigt, was Ökonomen seit Monaten warnen: Das Hin und Her der Politik untergräbt nicht nur Investitionsentscheidungen – es untergräbt auch das Vertrauen der Verbraucher. Wer soll sich heute für ein Elektroauto entscheiden, wenn die Regierung gleichzeitig signalisiert, dass der Verbrenner vielleicht doch eine Zukunft hat?

Das ist das eigentliche Gift der „Technologieoffenheit“: Sie schafft keine Wahlfreiheit. Sie schafft Verunsicherung.

Die politische Schizophrenie

Die Koalition befindet sich in einem bemerkenswerten Zustand der Selbstwidersprüchlichkeit:

Einerseits beschließt sie ein Förderprogramm für Elektroautos – finanziert aus dem Klima- und Transformationsfonds.

Andererseits rehabilitiert sie den Verbrenner politisch – mit dem Konzept der „hocheffizienten Verbrenner“ und der Forderung nach EU-weiten Lockerungen.

Einerseits spricht sie von Klimaschutz und Technologieoffenheit.

Andererseits definiert sie „Technologieoffenheit“ so, dass sie ausschließlich den fossilen Status quo begünstigt.

Einerseits will sie Arbeitsplätze in der Automobilindustrie sichern.

Andererseits sendet sie genau jene Signale, die Investitionen in zukunftsfähige Produktionskapazitäten verzögern.

Das Ergebnis ist keine Strategie. Es ist strategische Unschärfe als Regierungsprogramm.

Was diese Politik wirklich gefährdet

Die Befürworter der Verbrenner-Verlängerung argumentieren mit Arbeitsplätzen. Doch genau diese Arbeitsplätze werden durch die aktuelle Politik gefährdet – nicht geschützt.

Investitionsentscheidungen werden verschoben

Automobilhersteller planen in Zyklen von fünf bis zehn Jahren. Wer heute nicht weiß, ob 2035 Verbrenner noch zugelassen werden oder nicht, kann keine langfristige Investitionsentscheidung treffen. Das Ergebnis: Fabriken werden nicht gebaut, Forschungsbudgets werden gekürzt, Fachkräfte wandern ab.

Die Lernkurve verlangsamt sich

Elektromobilität wird durch Skaleneffekte günstiger. Jede produzierte Batterie, jeder installierte Ladepunkt, jede verkaufte Einheit verbessert die Wirtschaftlichkeit. Wer die Transformation verzögert, verzögert auch diese Kostenreduktion – und macht den späteren Umstieg teurer.

Der Vorsprung schmilzt

Während deutsche Hersteller noch mit dem Verbrenner hadern, bauen chinesische Unternehmen die nächste Generation elektrischer Fahrzeuge. Sie besetzen Märkte, entwickeln Marken, gewinnen Vertrauen. Jedes Jahr Verzögerung kostet Marktanteile – unwiederbringlich.

Die Lieferketten verschieben sich

Batteriezellen, Elektromotoren, Leistungselektronik – die Kernkomponenten der Elektromobilität werden zunehmend in Asien gefertigt. Wer den Wandel verschläft, verschläft auch den Aufbau eigener Lieferketten. Das Ergebnis: Abhängigkeit statt Wertschöpfung.

Hocheffiziente Verbrenner: Museum oder Weltmarkt?

Der „hocheffiziente Verbrenner“ ist kein technologischer Kompromiss. Er ist ein politisches Konstrukt, das Stillstand als Fortschritt verkauft.

Er ist:

  • physikalisch unmöglich – weil Wärmekraftmaschinen systemische Effizienzgrenzen haben
  • wirtschaftlich riskant – weil er Investitionsentscheidungen blockiert
  • klimapolitisch schädlich – weil er die Transformation verzögert
  • sozial unehrlich – weil das begleitende Förderprogramm seine Zielgruppe verfehlt
  • industriepolitisch fatal – weil er genau jene Signale sendet, die Deutschland im globalen Wettbewerb zurückwerfen

Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch. Das zeigen die Märkte in China, in Skandinavien, in den Niederlanden. Das zeigen die Investitionsentscheidungen globaler Hersteller. Das zeigt die Physik.

Wer heute den Verbrenner verlängert, verlängert nicht Wettbewerbsfähigkeit. Er verlängert das Risiko des industriellen Abstiegs.

Friedrich Merz will seiner Parteifreundin Ursula von der Leyen einen Brief schreiben, in dem er die Position der Bundesregierung zu einer Technologie darlegt, die es nicht geben kann. Besser könnte man seine Ewiggestrigkeit nicht unter Beweis stellen.

Oder, in den Worten von Moritz Schularick: „Bitte aufhören, rückwärts in die Zukunft zu laufen.“

Die deutsche Autoindustrie steht am Scheideweg. Der eine Weg führt ins Museum. Der andere auf den Weltmarkt.

Die Bundesregierung hat gerade die Richtung gewählt.

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