Werbung

Merz Energiewende: Deutschlands falscher Fortschritt

Friedrich Merz redet von Aufbruch, Zukunft und Innovation – doch seine Energiewende-Politik bremst den Wandel. Die echte Revolution läuft längst: Erneuerbare Energien.

Friedrich Merz hat seine Sprache modernisiert. „Wagen wir einen neuen Aufbruch“, sagt der Kanzler. In Reden und Interviews spricht Merz inzwischen von „technologischen Revolutionen in vielen Sektoren“ – Biotech, Cleantech, Quantencomputing, Künstliche Intelligenz. Merz Energiewende klingt nach Aufbruch, nach einer Regierung, die verstanden hat, dass die Welt sich fundamental verändert.

Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieser neue Tech-Talk als rhetorisches Update alter Wirtschaftsdogmen. Merz’ Zukunftsverständnis ist technologiegläubig, aber nicht systemisch. Er sieht einzelne Technologien wie Perlen auf einer Kette, aber nicht das Zusammenspiel, das sie erst transformativ macht. Er denkt in Innovationen, nicht in Infrastrukturen – in Wachstum, nicht in Resilienz.

Das Ergebnis ist ein „Neoliberalismus 2.0“: Alte Rezepte – Deregulierung an den falschen Stellen, mehr Arbeitszeit, weniger Sozialstaat – garniert mit neuen Buzzwords. Die echte Transformation, die längst begonnen hat, wird rhetorisch umarmt – und faktisch gebremst.

Lesen Sie mehr über die Neoliberale Merz-Agenda.

Wenn Merz konkret wird, offenbart sich die Leerstelle: Er will den Sozialstaat kürzen, um Arbeitgeber zu „entlasten“ – länger arbeiten, mehr Anstrengung. Doch er setzt nicht auf die Märkte, die global das höchste Wachstum versprechen, sondern auf das, was Deutschland einmal konnte: ein Abklatsch der 1970er Jahre mit etwas Digitalisierung drumherum. Wie den Verbrennungsmotor.

Die wahre Revolution begann nicht mit ChatGPT – sondern mit der Energiewende

Seit 200 Jahren folgt jede technologische Revolution einem einfachen Muster: Sie baut auf einer Energie-Revolution auf. Kohle befeuerte die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts. Öl und Gas machten Massenproduktion, Mobilität und die Konsumgesellschaft des 20. Jahrhunderts möglich. Jetzt steht der Übergang zu Energie ohne Brennstoffe bevor – Sonne, Wind, Speicher.

Das ist der eigentliche Paradigmenwechsel unserer Zeit – nicht Quantencomputer oder generative KI, sondern die Energiewende.

Erneuerbare Energie hat keine Grenzkosten. Sobald die Solaranlage auf dem Dach steht, sobald das Windrad sich dreht, fließt Strom praktisch kostenlos.

Damit kippt die ökonomische Logik der industriellen Moderne. Eine Wirtschaft, die auf Null-Grenzkosten-Energie basiert, funktioniert anders als eine, die fortlaufend Brennstoffe kaufen muss. Sie ist nicht nur ökologisch überlegen, sondern auch ökonomisch und geopolitisch.

Erneuerbare sind nicht nur Klimaschutz, sondern das Fundament einer neuen Wohlstandsordnung. Sie machen Volkswirtschaften unabhängig von Importen, Autokraten und Preisschocks. Deutschland könnte seinen Energieimportanteil von heute 80 % auf 20 % senken – das wäre echte Energiesouveränität.

China baut das Null-Grenzkosten-System – Deutschland diskutiert noch

Während Deutschland noch über „Technologieoffenheit“ beim Verbrenner streitet, baut China systematisch das Energiesystem der Zukunft auf und wird zum weltweit ersten Elektrostaat:

  • Weltgrößte Solar- und Windkapazitäten
  • Batterien und Elektrofahrzeuge im Überfluss
  • Humanoide Roboter und KI-Systeme, betrieben mit billigem Grünstrom

So entsteht ein globaler Produktivitätsvorteil durch erneuerbare Energien.
Der Taxifahrer wird dort zum Flottenmanager autonomer Fahrzeuge, der Müllmann koordiniert Routen statt Tonnen zu ziehen. Einfache Tätigkeiten verschwinden – Null-Grenzkosten-Technologie arbeitet Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr.

Merz Energiewende & der fossile Reflex – wenn Lobbyismus sich als Ordnungspolitik tarnt

Katherina Reiche verkörpert das Dilemma der deutschen Energiepolitik.
Als Bundesministerin für Wirtschaft und Energie in der Regierung Merz bringt sie Erfahrung aus der Energiewirtschaft mit – als Ex-Chefin von Westenergie und Präsidentin des Verbands kommunaler Unternehmen.

Reiche tourt durchs Land und erklärt, man müsse „den Business Case der Erneuerbaren herunterbringen“. Das klingt nüchtern, ist aber ein politisches Signal: Erneuerbare sollen sich nicht zu sehr lohnen, damit zentrale fossile Strukturen – Gaskraftwerke, Stadtwerke, Brennstoffimporte – relevant bleiben.

Das ist keine Ordnungspolitik. Das ist Interventionspolitik zugunsten alter Industrien.

Echte Ordnungspolitik – wie sie Robert Habeck als Wirtschaftsminister praktiziert hat – funktioniert anders:

  • CO₂-Preis: Marktmechanismus statt Subvention.
  • Genehmigungsbeschleunigung: Deregulierung statt Bürokratie.
  • Strompreiszonen: ehrliche Preissignale statt politischer Einheitspreise.
  • 2 %-Flächenziel für Wind: klare Regeln, dezentrale Umsetzung.

Das ist Walter Eucken für das 21. Jahrhundert:
Der Staat setzt Regeln, der Markt füllt sie aus.

Reiches Ansatz ist dagegen ein Paradebeispiel für Regulatory Capture – eine von Lobbyinteressen gesteuerte Regulierung, die Transformation ausbremst.

Technologische Revolutionen: Spektakulär statt fundamental

Merz’ Liste der Zukunftssektoren – KI, Quantencomputing, Biotech – klingt beeindruckend, verrät aber ein selektives Zukunftsverständnis. Er fokussiert auf das Spektakuläre, nicht auf das Fundamentale.

Quantencomputing ist faszinierend, aber Jahrzehnte von der Breitenanwendung entfernt.
KI entfaltet erst dann Wirkung, wenn Verwaltung, Energie und Infrastruktur digital integriert sind. Biotech verändert vieles, aber ohne billige grüne Energie bleiben Fermentationsprozesse teuer.

Die eigentlichen Gamechanger – Erneuerbare Energien, Speicher, zelluläre Landwirtschaft, humanoide Robotik – werden übersehen.

Präzisionsfermentation und zelluläre Landwirtschaft machen Lebensmittel unabhängig von Tierhaltung und Landverbrauch. Deutschland hätte die Kompetenz: Chemie-Know-how, Startups, wissenschaftliche Exzellenz. Was fehlt, sind klare Rahmenbedingungen – Forschung, Förderung, Zulassung.

Oder humanoide Robotik: Unternehmen wie Neura Robotics zeigt, wie sich Produktionskompetenz nach Deutschland zurückholen lässt. Automatisierung kann Hochlohnländer wieder wettbewerbsfähig machen – gerade in Pflege, Logistik und Handwerk.

Das ist moderne Ordnungspolitik:
Rahmenbedingungen setzen, Märkte entfesseln, Klimaschutz als Nebeneffekt.

Wenn Solarstrom günstiger ist als Kohlestrom, wird Solar gebaut – nicht aus Moral, sondern aus ökonomischer Vernunft.
Wenn Fermentationsproteine billiger sind als Fleisch, ändert sich der Markt von selbst.
Das ist Nebenbei-Klimaschutz: ökonomisch stabil, sozial verträglich.

Merz und die große Transformation: Zwei Wege, eine Entscheidung

Deutschland steht an einer Weggabelung:

Option A – der Fortschritt von gestern

Mehr Arbeit statt Automatisierung. Fossile „Backup“-Kraftwerke auf Dauer. Einheitliche Strompreise statt Marktanreize. „Business Case runterbringen“, damit alte Strukturen überleben.
→ Wachstum durch Ausbeutung – kurzfristig stabil, langfristig ruinös.

Option B – der Fortschritt von morgen

Null-Grenzkosten-Energie als Basis. KI-gestützte Effizienz statt Überstunden. Präzisionsfermentation und Robotik als neue Leitindustrien. Strompreiszonen und klare CO₂-Preise als Innovationsmotor.
→ Wachstum durch Intelligenz und Unabhängigkeit.
→ Wohlstand durch Transformation.

China baut längst die Infrastruktur des 21. Jahrhunderts. Die USA investierten über den Inflation Reduction Act Hunderte Milliarden in grüne Technologien – erleben aber durch Donald Trump großen Rückschritt. Deutschland diskutiert, ob man in Bayern Windräder bauen darf.

Falscher Fortschritt, verpasste Chancen

Merz redet von technologischen Revolutionen – aber Merz Energiewende meint die falschen. Er sieht den Wandel an der Oberfläche, nicht im Fundament. Er verwechselt digitale Effizienz mit systemischer Transformation.

Deutschland braucht keine „Tech-Offensive der 70er Jahre“, sondern das Verständnis, dass Erneuerbare Energien, Automatisierung und KI zusammengehören.

  • Das ist keine Ideologie, sondern Physik: Energie ohne Grenzkosten verändert die Produktionslogik.
  • Es ist Ökonomie: Wer zuerst auf Null-Grenzkosten-Systeme umstellt, hat strukturelle Kostenvorteile.
  • Es ist Realpolitik: Energiesouveränität wird zur Überlebensfrage.

Die große Transformation verändert alles – wie wir bauen, reisen, wirtschaften, pflegen, leben. Die bietet gewaltige Chancen dafür, einen neuen Aufbruch zu generieren. Wer das nicht versteht, kann Deutschlands Wohlstand nicht sichern. Merz hat erkannt, dass es technologische Umbrüche gibt – aber nicht, welche die entscheidenden sind. Doch diese Erkenntnis wäre entscheidend.

Solange Deutschland auf die falschen Revolutionen setzt, wird es die richtigen verpassen.

Buchtipps: „Strom“ von Tim Meyer und „Stellar“ von Tony Seba und James Arbib (*Provisions-Links).

fd4ad42c722e4e2f9178e56d7b3ab0a3