Werbung

Physical AI aus Bayern: Agile Robots startet 2026 die Serienproduktion

Münchner Startup bringt humanoiden Roboter auf den Markt. Während China auf Masse setzt, steht Agile Robots für Präzision und europäische Datensouveränität.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gilt weltweit als Spitze in der Robotik-Forschung. 2018 gründeten DLR-Wissenschaftler um Dr. Zhaopeng Chen die Agile Robots SE in München, um diese Expertise zu kommerzialisieren. Sieben Jahre später beschäftigt das Unternehmen 2.500 Mitarbeiter, erwirtschaftet 230 Millionen Dollar Jahresumsatz und hat über 20.000 Robotersysteme bei Kunden in der Automobilindustrie und Elektronikfertigung installiert.

Anfang 2026 kommt der Agile ONE auf den Markt – der erste humanoide Industrieroboter des Unternehmens. Die Besonderheit: Kraftsensoren in jedem Gelenk, Fingerspitzensensorik für präzise Manipulation, eine mehrschichtige KI-Architektur, die auf realen Industriedaten aus europäischen Fabriken trainiert wurde. Das KI-Training läuft in der Industrial AI Cloud von Telekom und NVIDIA – 10.000 GPUs in deutschen Rechenzentren, GDPR-konform.

Wir sehen Agile ONE als Teil einer perfekt abgestimmten Automatisierungslösung„, sagt Chen. Der Roboter arbeitet mit den bestehenden Systemen des Unternehmens zusammen: kraftsensitive Roboterarme (FR3, Diana 7, Thor Series), autonome mobile Roboter und fahrerlose Transportsysteme – orchestriert durch die AgileCore-Plattform.

„Wir bei Agile Robots sind überzeugt, dass die nächste industrielle Revolution durch Physical AI geprägt wird: intelligente, autonome und flexible Roboter, die die physische Welt wahrnehmen, verstehen und darin handeln können. Agile ONE verkörpert diese Vision.“

Dr. Zhaopeng Chen, CEO Agile Robots

Zwei Strategien: Masse vs. Präzision

Der globale Markt für humanoide Roboter entwickelt sich schneller als erwartet. China investiert massiv: Sieben Milliarden Dollar in den ersten neun Monaten 2025, verteilt auf 610 Investment-Deals. Der Shenzhen-Hersteller UBTECH sicherte sich allein eine Milliarde Dollar strategische Finanzierung. Unitree brachte im Juli 2025 den R1 für 5.900 Dollar auf den Markt – ein Preisniveau, das Experten erst für 2027 oder 2028 erwartet hatten.

Goldman Sachs berichtet: Die Herstellungskosten für humanoide Roboter sanken 40 Prozent Jahr-über-Jahr, deutlich schneller als prognostizierte 15-20 Prozent. UBTECH, Unitree und andere chinesische Hersteller haben bereits kommerzielle Deployments: Bei Foxconn, BYD, Geely und FAW-Volkswagen laufen Pilotprojekte mit mehreren Hundert Robotern.

Agile Robots Agile One Industrie

Agile Robots geht einen anderen Weg. Statt Massenproduktion setzt das Unternehmen auf Premium-Positionierung. Branchenexperten schätzen den Agile ONE auf 50.000 bis 150.000 Euro – deutlich teurer als chinesische Wettbewerber, aber mit Fokus auf europäische Industrieanforderungen: Präzision (5-Millimeter-Toleranzen in der Fertigung), Datensicherheit (GDPR-konform), Integration in bestehende Produktionssysteme.

Für 2026 plant das Unternehmen 1.000 bis 5.000 Einheiten, bis 2028 sollen es 10.000 bis 20.000 werden. Das sind moderate Volumina verglichen mit den von Tesla angekündigten 100.000 Optimus-Robotern für 2026. Aber Agile Robots zielt bewusst nicht auf den Massenmarkt: Hochpräzisionsfertigung, Medizintechnik, sensible Produktionsumgebungen – Bereiche, in denen Qualität wichtiger ist als Preis.

Neura Robotics: Der deutsche Parallelpfad

David Reger verfolgt mit Neura Robotics einen ähnlichen, aber nicht identischen Ansatz. Der 2019 in Metzingen gegründete Hersteller hat die Produktion bewusst von China nach Deutschland zurückverlagert. „Made in Germany ist kein Marketing für uns, sondern strategische Positionierung“, sagt Reger im Interview mit Sifted.

Der 4NE-1 liegt preislich zwischen China und Agile Robots: 20.000 bis 40.000 Euro. Die technische Ausstattung ist vergleichbar – 360°-Vision, LIDAR, Kraft-Drehmoment-Sensoren, patentierte „Touchless Safe Human Detection“. Neura hat 157 Millionen Dollar Funding eingesammelt, darunter 120 Millionen Euro in einer Series-B-Runde 2025. Das Auftragsbuch: 1 Milliarde Euro.

Beide Unternehmen – Agile Robots und Neura – zeigen, dass Deutschland technologisch auf Augenhöhe ist. Die Frage ist nicht Können, sondern Strategie: Nische oder Masse? Qualität oder Preis? Europäische Werte oder globale Konkurrenzfähigkeit?

RethinkX: Warum Kosten alles entscheiden

Tony Seba und sein Team bei RethinkX haben mit dem Seba Technology Disruption Framework Hunderte technologischer Umbrüche analysiert. Ihre These: Wenn eine neue Technologie 10x oder mehr Kostenreduktion ermöglicht, folgt immer Disruption – unabhängig von etablierten Strukturen oder politischem Willen.

Für humanoide Robotik rechnen sie so: Ein Roboter mit 200.000 Dollar Lebenszeitkosten (Anschaffung, Betrieb, Wartung, Finanzierung), der 20.000 Stunden arbeitet, kostet 10 Dollar pro Stunde. Zum Vergleich: Ein deutscher Facharbeiter kostet 40-50 Euro pro Stunde inklusive Lohnnebenkosten, ein amerikanischer 25-35 Dollar.

Die Kostenkurve fällt exponentiell: RethinkX prognostiziert Arbeitskosten von unter 1 Dollar pro Stunde vor 2035 und unter 0,10 Dollar vor 2045. Roboter arbeiten 7.000 Stunden pro Jahr (20 Stunden täglich, 350 Tage) verglichen mit 2.000 Stunden bei menschlichen Vollzeitbeschäftigten. Sie brauchen keinen Urlaub, werden nicht krank, sind die gesamte Arbeitszeit produktiv.

„Humanoide Roboter sind heute so teuer und leistungsschwach, wie sie es nie wieder sein werden“, schreiben Seba, Dorr und Libby. Jede Produktionscharge senkt Kosten und verbessert Leistung. Das ist das Muster jeder technologischen Disruption: Digitalkameras, LED-Leuchtmittel, Elektroautos – alle starteten teuer und begrenzt, heute dominieren sie ihre Märkte.

Disruption von unten: Humanoide Roboter treten zunächst günstiger, aber weniger leistungsfähig in den Markt. Langsamer, weniger geschickt, weniger adaptiv als Menschen. Doch während etablierte Systeme die Unzulänglichkeiten betonen, verbessert sich die Technologie exponentiell. Nach zehn bis fünfzehn Jahren sind die Rollen vertauscht: Roboter sind besser UND billiger.

RethinkX prognostiziert eine zehnjährige Übergangsphase, in der humanoide Roboter primär latente Nachfrage decken – Arbeiten, die heute nicht von Menschen erledigt werden, weil sie zu gefährlich, zu monoton oder zu schlecht bezahlt sind. Gefährliche Industriearbeiten in extremen Temperaturen, Sortieraufgaben rund um die Uhr, Reinigung in kontaminierten Umgebungen, Materialhandling in Hochrisikoumgebungen.

Diese Phase schafft ein Planungsfenster. Unternehmen können Roboter einführen, ohne direkt Jobs zu gefährden. Arbeitnehmer können sich weiterbilden. Politik kann Rahmenbedingungen schaffen. Aber das Fenster schließt sich: Ab den späten 2030ern, wenn Kosten weiter fallen und Fähigkeiten steigen, wird die Verdrängung menschlicher Arbeit in vielen Bereichen unvermeidlich.

Das kalifornische Startup Figure AI testete 11 Monate lang seinen Figure 02 im BMW-Werk Spartanburg: 90.000 Blechteile verarbeitet, 1.250 Betriebsstunden, reguläre 10-Stunden-Schichten. Die Aufgabe – Blechteile mit 5-Millimeter-Toleranz auf Schweißvorrichtungen platzieren – funktionierte mit über 99 Prozent Genauigkeit, zeigte aber auch Grenzen: Probleme mit thermischer Belastung im Unterarm führten im November 2025 zur Rückkehr der Roboter ins Hauptquartier.

Figure AI (700 Millionen Dollar Funding, 40 Milliarden Bewertung angestrebt) entwickelt nun Figure 03 mit verbesserter Architektur. Die Lektion: Humanoide Robotik funktioniert für standardisierte Aufgaben, aber der kommerzielle Durchbruch braucht noch Jahre.

Europas Stärken im globalen Wettbewerb

China führt bei Produktionsvolumen und Preis. Die USA führen bei Kapital und Vision. Wo steht Europa?

Präzision: Deutsche und europäische Robotikhersteller haben Jahrzehnte Erfahrung in hochpräzisen Fertigungsprozessen. Die Kraftsensorik von Agile Robots in jedem Gelenk, Neuras „Touchless Safe Human Detection“ – das sind keine Marketingphrasen, sondern echte technologische Differenzierung. Für Anwendungen mit engen Toleranzen (Medizintechnik, Elektronikfertigung, Luft- und Raumfahrt) ist diese Präzision entscheidend.

Datensouveränität: GDPR ist oft als Wettbewerbsnachteil kritisiert worden. In der Robotik wird es zum Vorteil: Viele europäische Unternehmen wollen keine Produktionsdaten auf chinesischen oder amerikanischen Servern. Die Industrial AI Cloud von Agile Robots in Deutschland ist eine Antwort darauf. Training auf europäischen Industriedaten, gehostet in Europa, GDPR-konform.

Integration: Agile Robots verkauft nicht nur einen humanoiden Roboter, sondern ein Ökosystem: Roboterarme, mobile Roboter, fahrerlose Transportsysteme, Softwareplattform. Für Kunden, die bestehende Produktionssysteme erweitern wollen, ist das wertvoll. Chinesische Massenware kommt oft als Standalone-Produkt.

Regulierung: Europa wird strengere Sicherheitsstandards für autonome Systeme einführen. Haftung, Zertifizierung, Arbeitsschutz – das wird komplexer. Unternehmen, die von Anfang an diese Standards erfüllen, haben einen Vorteil gegenüber günstigen Importen, die nachgerüstet werden müssen.

Was bedeutet das für Deutschland?

Die humanoide Robotik steht vor dem kommerziellen Durchbruch. China führt bei Geschwindigkeit und Preis, die USA bei Kapital und Marketing. Deutschland hat technologische Exzellenz, präzise Ingenieurskunst und regulatorische Vorteile.

Die Prognose von RethinkX einer fundamentalen Disruption ist ernst zu nehmen. Die Kosten fallen exponentiell, die Fähigkeiten steigen exponentiell. In zehn bis fünfzehn Jahren werden humanoide Roboter in vielen Bereichen wirtschaftlich überlegen sein. Das ist keine Bedrohung, sondern eine Transformation – mit Gewinnern und Verlierern.

Deutschland kann Gewinner sein, wenn es seine Stärken ausspielt: Präzision statt Masse, Datensouveränität statt Billigkeit, Integration statt Standalone-Produkte. Agile Robots und Neura Robotics zeigen, wie das geht.

Der Markt wird groß genug sein für mehrere Strategien. China dominiert Masse, Europa kann Qualität dominieren. Das ist keine Niederlage – das ist Spezialisierung.

Die Serienproduktion des Agile ONE ab 2026 ist ein Test dieser These. Wenn europäische Kunden bereit sind, das Fünffache zu zahlen für höhere Präzision und Datensicherheit – dann funktioniert die Strategie. Wenn nicht, muss Agile Robots anpassen.

Eines ist sicher: Die Technologie ist da, der Markt entsteht, und Deutschland spielt mit. Das ist mehr, als viele andere europäische Länder von sich behaupten können.

a0dba6d0742244a8a141583b83cb1de6