Lyten
Lyten übernimmt Northvolt: Neustart der Batteriezellproduktion in Schweden und Deutschland
Cleantech-Startup kauft zentrale Werke des insolventen Batterieherstellers und plant grüne Produktion in Heide und Skellefteå.
Nach der Insolvenz von Northvolt erhält die europäische Batteriezellproduktion neuen Auftrieb: Das US-Cleantech-Startup Lyten übernimmt Northvolt und dessen zentrale Werke in Schweden und Deutschland – darunter die geplante Gigafactory in Heide. Mit eigener Lithium-Schwefel-Technologie und politischem Rückenwind will Lyten die Standorte schnell wieder hochfahren und so einen strategisch wichtigen Teil der Energiewende sichern. Doch was bedeutet das für den Standort Heide?
Lyten hat mit den Insolvenzverwaltern von Northvolt eine verbindliche Vereinbarung zum Kauf der verbleibenden europäischen Standorte unterzeichnet. Dazu gehören die Gigafactory Northvolt Ett und deren Erweiterung in Skellefteå, das Forschungs- und Entwicklungszentrum Northvolt Labs in Västerås sowie die Baustelle der geplanten Gigafactory Northvolt Drei in Heide, Schleswig-Holstein.
Auch das gesamte verbleibende geistige Eigentum von Northvolt wechselt den Besitzer. Die Transaktion steht noch unter dem Vorbehalt regulatorischer Genehmigungen in Schweden, Deutschland und auf EU-Ebene und soll im vierten Quartal 2025 abgeschlossen werden.
Der Batteriepionier entwickelt Batterien auf Basis seiner proprietären 3D-Graphen-Materialplattform, die sowohl in Lithium-Schwefel- als auch in Lithium-Ionen-Zellen eingesetzt werden kann. Eine ähnliche Materialstrategie verfolgt auch das estnische Cleantech-Unternehmen Skeleton Technologies: Es nutzt sogenanntes „Curved Graphene“ für seine Ultrakondensatoren und Hybridbatterien – und produziert dafür in Deutschland, konkret am Standort Leipzig.
Die von Lyten übernommenen Produktions- und Forschungsstandorte werden im Vermögenswert auf rund fünf Milliarden US-Dollar geschätzt. Dazu zählen 16 Gigawattstunden (GWh) bestehende Batteriezellproduktion, mehr als 15 GWh im Bau sowie die Infrastruktur, um die Kapazitäten perspektivisch auf über 100 GWh zu erweitern.
CEO Dan Cook betonte gegenüber Bloomberg, dass Lyten die Vermögenswerte „mit einem erheblichen Abschlag“ auf diesen Schätzwert erwerbe – ohne genaue Zahlen zu nennen. Der Deal verschafft dem US-Unternehmen nicht nur Produktionsflächen und Forschungskapazitäten, sondern auch den Zugang zu erfahrenen Fachkräften und bestehenden Kundenbeziehungen aus der Northvolt-Zeit.
Wer ist Lyten?
Das 2015 gegründete Cleantech-Startup aus San Jose, Kalifornien, entwickelt und produziert Lithium-Schwefel-Batterien auf Basis einer selbst entwickelten 3D-Graphen-Materialplattform. Zu den Investoren zählen der Autokonzern Stellantis, der Logistikriese FedEx sowie Honeywell, Prime Movers Lab, der Luxembourg Future Fund und der Europäische Investitionsfonds. Mitgründer ist neben CEO Dan Cook auch der Schwede Lars Herlitz, der den europäischen Marktausbau maßgeblich mitgestalten soll.
Der Batteriehersteller beschäftigt derzeit rund 315 Mitarbeitende und verfügt über mehr als 540 erteilte oder angemeldete Patente. Neben einer halbautomatischen Fertigung im Silicon Valley arbeitet das Team an einer schnellen Expansion: Ziel ist es, die Produktion sowohl in Nordamerika als auch in Europa deutlich hochzufahren. Lyten beliefert bereits Drohnen- und Verteidigungskunden und bereitet den Einsatz seiner innovativen Lithium-Schwefel-Batterien auf der Internationalen Raumstation vor.
Für den Markteintritt in Europa setzen die Amerikaner auf eine Doppelstrategie: kurzfristig Lithium-Ionen-Produktion mit der übernommenen Northvolt-Technologie, mittelfristig die Einführung von Lithium-Schwefel-Zellen in die Serienfertigung.
Standort Heide als strategischer Faktor
Mit der Übernahme von Northvolt Drei in Heide, Schleswig-Holstein, übernimmt Lyten eines der ambitioniertesten Batterieprojekte Europas. Die geplante Gigafactory in Dithmarschen sollte ursprünglich Batterien für rund eine Million Elektroautos pro Jahr liefern. Das Gelände ist bereits weitgehend vorbereitet – von Gründungs- und Erdarbeiten über eine Gasleitung bis zum begrünten Lärmschutzwall.
Die Landespolitik reagierte überwiegend positiv. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte, dass die bestehende Infrastruktur, der hohe Anteil erneuerbarer Energien in der Region und die Erfahrung des bisherigen Projektleiters Nicolas Steinbacher, der nun Geschäftsführer des Standorts wird, „beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Batteriezellproduktion“ schaffen.
Auch die stellvertretende Ministerpräsidentin und Energieministerin Ebba Busch lobte den Deal als „Gewinn für Schweden und die Energieunabhängigkeit Europas“ – und unterstrich die Rolle Schleswig-Holsteins als Industrie- und Energiewendestandort.
Technologisch will Lyten in Heide zunächst Lithium-Ionen-Zellen nach der übernommenen Northvolt-Technologie produzieren, um schnell in die Serienfertigung zu kommen. Mittelfristig ist geplant, die Fabrik auf eine Dual-Chemie-Strategie umzustellen, bei der neben Lithium-Ionen auch die hauseigenen Lithium-Schwefel-Batterien produziert werden.
Diese versprechen eine höhere Energiedichte, den Verzicht auf kritische Rohstoffe wie Nickel oder Kobalt und eine um bis zu 80 Prozent geringere CO₂-Bilanz. Während Lithium-Schwefel in der Elektromobilität vor allem für Premiumfahrzeuge interessant ist, sieht Lyten im stationären Energiespeichermarkt einen schnelleren Weg zur Skalierung – etwa für Rechenzentren, Netzdienste oder Mikronetze.
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt forderte die Landesregierung auf, den Prozess eng zu begleiten und offene Fragen zu Fördermitteln und KfW-Darlehen zu klären. SPD, Grüne und SSW äußerten sich vorsichtig optimistisch – nicht zuletzt, weil nach der Insolvenz von Northvolt 600 Millionen Euro an staatlich abgesichertem Kredit voraussichtlich verloren sind.
Gleichwohl herrscht in Heide Hoffnung, dass das Cleantech-Unternehmen aus den USA dem Projekt neues Leben einhaucht, industrielle Wertschöpfung schafft und Hunderte, wenn nicht Tausende Arbeitsplätze in der Region entstehen.
Europas Batteriebranche im Umbruch
Der europäische Markteintritt fällt in eine Phase, in der chinesische Anbieter den Massenmarkt mit günstigen LFP-Zellen dominieren, während europäische Player wie Volkswagen verstärkt auf Feststoffbatterien setzen.
Der Hersteller positioniert sich mit Lithium-Schwefel bewusst als technologischer Außenseiter mit klarer Nische. In der Elektromobilität soll die Technologie vor allem Premiumfahrzeuge, Performance-Modelle und Spezialanwendungen bedienen. Parallel streben die Amerikaner den stationären Markt an, wo Kostenvorteile und Rohstoffunabhängigkeit schnellere Skaleneffekte versprechen. Hier treiben Rechenzentren, erneuerbare Energien und Netzstabilisierung die Nachfrage.
„Es ist eine Gelegenheit, unsere Fähigkeit zu beschleunigen, die Lithium-Schwefel-Technologie auf den Markt zu bringen“, erklärte CEO Dan Cook. „In den USA haben wir das bereits getan – jetzt können wir es auch in Europa umsetzen.“
Mit modernsten Produktionsanlagen, günstiger erneuerbarer Energie in Skandinavien und Norddeutschland sowie einer US-dominierten Lieferkette setzt Lyten auf geopolitische Resilienz. Das könnte sich in einer zunehmend protektionistisch geprägten Branche als entscheidender Vorteil erweisen.
Chance für Europas Batterie-Ökosystem
Lyten übernimmt Northvolt: Das ist mehr als ein einfacher Eigentümerwechsel. Sie verbindet eine ambitionierte US-Technologie mit bestehenden europäischen Produktionskapazitäten und einer klaren Strategie für grüne, lokal gefertigte Batterien. Gelingt es, die Produktion in Heide und Skellefteå zügig hochzufahren, könnte dies nicht nur Hunderte neue Arbeitsplätze schaffen, sondern auch die europäische Versorgungssicherheit bei Schlüsseltechnologien stärken.
Für Deutschland und die EU ist es die Gelegenheit, mit einer alternativen Batterietechnologie international konkurrenzfähig zu bleiben – und einen industriellen Fehlschlag in einen strategischen Gewinn zu verwandeln.