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Hamburger Zukunftsentscheid: Klimaneutralität bis 2040?

Zukunftsentscheid will Klimaziel um 5 Jahre vorziehen. Studie zeigt, wie das möglich wäre.

Am 12. Oktober stimmen die Hamburger*innen über den „Zukunftsentscheid“ zur Klimaneutralität Hamburgs 2040 ab – ein Volksentscheid mit Signalwirkung für den bundesweiten Klimaschutz. Die Initiative fordert: Hamburg soll nicht wie bisher bis 2045, sondern schon bis 2040 Klimaneutralität erreichen. Laut einer Studie im Auftrag der Umweltbehörde ist das zwar herausfordernd, aber machbar – wenn gezielte Zusatzmaßnahmen umgesetzt werden.

Dass mehr Tempo nötig ist, zeigt ein Blick auf das Umland: Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben sich alle bereits auf 2040 als Zieljahr für Klimaneutralität festgelegt. Internationale Vorreiter wie Kopenhagen gehen sogar noch weiter – sie wollen schon 2025 CO₂-frei sein. Hamburg hingegen hinkt hinterher. Der Volksentscheid, liebevoll Zukunftsentscheid Hamburg genannt, könnte das ändern.

Hintergrund: Was ist der „Zukunftsentscheid“?

Bereits über 407.000 Hamburger*innen haben per Briefwahl abgestimmt – ein Zwischenstand, der auf ein hohes Interesse am „Zukunftsentscheid“ hinweist. Damit ist noch keine Entscheidung gefallen: Der Volksentscheid gilt als erfolgreich, wenn mindestens ein Fünftel der rund 1,3 Millionen Wahlberechtigten – also ca. 260.000 Personen – mit „Ja“ stimmen und die „Ja“-Stimmen die „Nein“-Stimmen überwiegen.

Der Wahltag mit über 185 Wahllokalen ist Sonntag, der 12. Oktober 2025.

Der Zukunftsentscheid zielt darauf, das Hamburger Klimaschutzgesetz zu ändern. Dabei sollen u. a. jährliche Zwischenziele verbindlich vereinbart und regelmäßig kontrolliert werden. Wird ein Ziel verfehlt, muss mit Sofortprogrammen gegengesteuert werden. Vorgesehen sind CO₂-Obergrenzen pro Jahr sowie sektorale Ziele für Verkehr, Gebäude, Gewerbe und Industrie.

Ein zentrales Anliegen ist auch die soziale Verträglichkeit: Sanierungskosten dürfen nur begrenzt auf Mieter*innen umgelegt werden, Vermieterinnen sollen durch Förderprogramme entlastet werden.

Die Initiative wurde von Fridays for Future Hamburg gestartet und wird mittlerweile von über 160 Organisationen unterstützt – darunter Umweltverbände (BUND, Greenpeace, Nabu), dem Mieterverein zu Hamburg, Gewerkschaften wie Verdi, der FC St. Pauli, Kultureinrichtungen wie die Hamburger Kunsthalle sowie zahlreiche Prominente.

Kritik kommt vor allem aus der Hamburgischen Bürgerschaft, wo mit Ausnahme der Linken alle Fraktionen den Entscheid ablehnen. Auch Wirtschaftsvertreter*innen wie die Handels- und Handwerkskammer, der Industrieverband und Immobilienverbände äußern sich skeptisch. Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen warnt etwa vor Mietsteigerungen von bis zu vier Euro pro Quadratmeter.

Studie zeigt: Klimaneutralität 2040 ist möglich – mit Zusatzmaßnahmen

Ein aktuelles Gutachten von Hamburg Institut, Öko-Institut und Prognos AG bewertet das Ziel kritisch, aber nicht unrealistisch. Für 2040 prognostizieren die Modellierungen derzeit noch 1,8 Millionen Tonnen CO₂ – 91 Prozent weniger als 1990. Doch um wirklich Netto-Null zu erreichen, braucht es eine gezielte Beschleunigung in Schlüsselbereichen:

  • Verkehr: Größter Emittent mit rund 600.000 Tonnen CO₂ – vollständige Elektrifizierung, mehr Car-Sharing, Tempo 30, eine Null-Emissions-Zone, Ausbau von ÖPNV und Radinfrastruktur.
  • Abfallwirtschaft: Emissionsminderung durch CCS-Technologie.
  • Gebäude: Schnellere Sanierung, Wärmenetze und Wärmepumpen; Ersatz fossiler Heizsysteme, Rückbau des Gasnetzes.
  • Photovoltaik: Ausbau des Mieterstroms. Auch die neue PV-Strategie soll helfen.
  • Industrie: Einsatz von Wasserstoff und E-Fuels.

Fortschritte bei der Mobilitätswende in Hamburg

Hamburg hat in den vergangenen Jahren wichtige Weichen für eine klimafreundlichere Mobilität gestellt. Der U-Bahn-Ausbau wird vollständig klimaneutral umgesetzt. Ziel ist ein attraktiverer ÖPNV, der mehr Menschen zum Umstieg auf Bus und Bahn bewegt.

Künftig sollen nur noch E-Taxis zugelassen werden. Parallel dazu soll Hamburg Testregion für autonome Fahrzeuge werden – bis 2030 könnten mehrere Tausend Fahrzeuge von Moia und anderen Anbietern im Einsatz sein.

Diese Maßnahmen ergänzen den Zukunftsentscheid und zeigen: Hamburg besitzt bereits ein Fundament für eine klimaneutrale Mobilität.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt zu dem Schluss: Frühzeitige Investitionen in Klimaschutz und Energieeffizienz beleben die Wirtschaft, schaffen regionale Wertschöpfung und senken langfristig die Kosten für Energieimporte und Klimafolgeschäden.

Darüber hinaus wirken klimafreundliche Investitionen wie ein Multiplikator für Innovation und Qualifizierung. Vor allem im Bau, Handwerk, Energiemanagement und bei KMU entstehen neue Chancen.

Das Vorbild Ohlsdorf: Klimaschutz ohne Mehrkosten für Mieter*innen

In einem Wohnblock in Hamburg-Ohlsdorf stellte Vermieter Christian Warsch allen 32 Mietparteien Solaranlagen und Batteriespeicher zur Verfügung, wie die TAZ berichtet – ohne Investitionskosten. Die Stromkosten sanken um rund 200 Euro jährlich .

Warsch spricht von „solidarischem Wohnstrom“. Ein Beispiel, wie sozialgerechter Klimaschutz aussehen kann.

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnten über 20 Millionen Mietwohnungen in Deutschland mit Solarstrom versorgt werden – technisch wären bis zu 60 GW PV-Leistung auf Mehrfamilienhäusern möglich.

Doch Bürokratie, mangelnde Digitalisierung und komplizierte Abrechnungssysteme behindern den Ausbau. Der Zukunftsentscheid könnte helfen, diese Barrieren politisch zu adressieren.

Klimaschutz ehrlich betrachtet: Wandel braucht Mut und Kompromisse

Klimaneutralität in einer Metropole wie Hamburg innerhalb von 15 Jahren zu erreichen, ist eine enorme Herausforderung. Es bedeutet auch Belastungen – mehr Baustellen, höhere Investitionen, Veränderungen im Alltag.

Auch die Politik steht unter Druck: Sie muss Maßnahmen nicht nur entwickeln, sondern auch vermitteln. Doch die Debatte hat sich professionalisiert. Videoformate wie das Doppelinterview von Luisa Neubauer mit Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel oder Diskussionsrunden wie die der taz zeigen: Eine neue Sachlichkeit hat Einzug gehalten.

Hamburg kann mit dem Zukunftsentscheid auch ein Signal an die Bundespolitik senden: Die Bevölkerung ist weiter als viele Parteiprogramme. Jetzt ist es an der Politik, zu handeln.

Fazit: Hamburg kann Vorreiter werden – wenn es will

Der Hamburger Zukunftsentscheid ist mehr als ein lokales Klimaprojekt. Er ist ein Signal an andere Städte, dass Klimaneutralität schneller möglich ist – und ein gesellschaftlicher Konsens darüber entstehen kann.

Die Daten zeigen: Es geht. Die Beispiele zeigen: Es lohnt sich. Und der Moment zeigt: Jetzt ist die Zeit, mutige Entscheidungen zu treffen – das passt auch zu dem, was sich Klimaforscher Johan Rockström wünscht: Speed & Scale.

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