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Stardust Solutions: Geoengineering-Startup entwickelt reflektierende Partikel gegen Erderhitzung
Solar Geoengineering: Mit 60-Millionen-Investment plant Stardust in hoch umstrittene Klimaintervention.
Das Cleantech-Unternehmen Stardust Solutions will mit gezielter Sonneneinstrahlungs-Reduktion (Solar Radiation Management, SRM) einen Beitrag zur Abkühlung der Erde leisten. Bis 2030 soll ein komplettes System bereitstehen, das mithilfe neuartiger Partikel Sonnenlicht in der Stratosphäre reflektiert – laut CEO Yanai Yedvab unter klaren Governance-Vorgaben und nur mit Zustimmung der Regierungen. Die Idee ist nicht neu, wohl aber der Ansatz: Stardust investiert massiv in sichere Materialien, industrielle Skalierbarkeit und systemische Kontrolle – und will sich zugleich von gefährlichen Schwefelaerosolen abgrenzen.
Technologie: Reflektierende Partikel jenseits von Schwefel
Im Zentrum der Stardust SolutionsInnovation steht ein proprietäres Partikel, das Licht reflektieren und Infrarotstrahlung ableiten soll – jedoch ohne die Nebenwirkungen klassischer Sulfataerosole. Diese gelten als Risikofaktor für Asthma, sauren Regen und die Schädigung der Ozonschicht. Stardust argumentiert: Was die globale Schifffahrt längst als Umweltproblem erkannt und reduziert hat – den Ausstoß von Schwefeloxiden – sollte nicht zur planetaren Klimasteuerung verwendet werden.
Das Cleantech-Unternehmen entwickelt derzeit dieses patentgeschützte Material, das in Millionen-Tonnen-Maßstab kostengünstig produziert und ausgebracht werden kann. Die chemische Zusammensetzung bleibt bis zur Patenterteilung geheim. Erste Peer-Review-Kooperationen mit akademischen Partnern sind im Gange.
Ein weiterer technologischer Baustein: Stardust hat – wie Heatmap berichtet – Maschinen zur „Desagglomeration“ der Partikel konstruiert, die verhindern sollen, dass diese in der Stratosphäre verklumpen und ihre Wirkung verlieren. Diese Ausbringungstechnik soll in Flugzeugen installierbar sein, die in rund 20 Kilometern Höhe operieren.
Anwendung & Zeitplan: Einsatzreife bis Ende der 2020er
Nach einer Seed-Finanzierung über 15 Mio. US-Dollar (u. a. durch AWZ Ventures und SolarEdge) konnte Stardust nun im Oktober 2025 60 Mio. US-Dollar frisches Kapital einsammeln. Ziel: Der Aufbau eines funktionsfähigen Gesamtsystems bis Ende der 2020er Jahre. Dazu zählen:
- eine industrielle Anlage zur Partikelproduktion
- eine Flotte geeigneter Flugzeuge (Größenordnung: Bruchteil der FedEx-Flotte)
- Sensorik und Software zur Echtzeitüberwachung und Steuerung
Yedvab betont, dass das System nicht ohne Zustimmung staatlicher Institutionen zum Einsatz kommen wird. Vielmehr wolle man frühzeitig Governance-Strukturen mitgestalten. Außerdem dürften Anstrengungen zur Emissions-Reduktion nicht verkleinert werden.
Markt & politische Dimension: SRM als „Plan B“
Die Grundidee: Mit ca. zwei Mio. Tonnen reflektierender Partikel pro Jahr könnte laut Stardust Solutions eine weitere Erwärmung des Klimas gestoppt werden. Jede weitere Million Tonnen senke die globale Durchschnittstemperatur um ca. 0,5 Grad Celsius. Das Konzept zielt auf ein minimales, aber global wirkungsvolles Eingreifen – mit potenziell hohen politischen, ethischen und diplomatischen Implikationen.
Trotz der erklärten Zurückhaltung steht Stardust im Zentrum einer Debatte um die Privatisierung klimarelevanter Technologien. Kritiker monieren den kommerziellen Charakter, den Mangel an Transparenz und die Gefahr moralischer Risiken – etwa, dass SRM-Lösungen den Druck zur Reduktion von Emissionen mindern könnten.
Zugleich erinnert Stardusts Governance-Berater János Pasztor (Ex-UN-Klimadiplomat) an das Montrealer Protokoll zur Rettung der Ozonschicht. Er plädiert für frühzeitige, multilaterale Regeln – und sieht Stardust als Katalysator dafür.
Kritik: Misstrauen gegenüber Geheimhaltung und Patent-Schutz
SRM-Experten wie David Keith oder Shuchi Talati stehen Stardust Solutions skeptisch gegenüber. Sie hinterfragen:
- die biologische Unbedenklichkeit des Partikels
- den eingeschränkten Einblick in Forschung und Partner
- den gewinnorientierten Unternehmenscharakter
Vor allem die Patentstrategie des Unternehmens wird kritisch gesehen – widerspricht sie doch etablierten Transparenzprinzipien in der SRM-Forschung. Keith zweifelt zudem an der Machbarkeit eines nicht-sulfatbasierten, inerten Partikels.
Stardust Solutions: Lösung oder Alibi?
Stardust Solutions bringt Tempo, Kapital und Systemdenken in ein bislang akademisch geprägtes Feld – mit einem klaren Zielkorridor: einsatzbereite SRM-Technologie bis 2030. Technisch verfolgt das Unternehmen einen validen Ansatz, der sich deutlich von den Nebenwirkungen klassischer Schwefelaerosole distanziert. Ob das proprietäre Partikel sicher, skalierbar und regulatorisch tragfähig ist, bleibt offen.
Gemessen an Johan Rockströms Maßstab „Speed & Scale“ bringt Stardust dringend benötigte Dynamik in die Debatte um einen klimapolitischen Notfallplan. Ob dies zur Abkühlung oder zur Abkühlung des Diskurses führt, hängt von Transparenz, Regulierung und internationaler Einbettung ab.
Mehr zu Solar Radiation Management und dem Cleantech-Startup Make Sunsets in unserem Artikel.