Vertreter von GKM, MVV und STRABAG (Bild: MVV)
Saubere Fernwärme: Mannheim bekommt größte Flusswärmepumpe der Welt
MVV investiert 200 Millionen Euro in Wärmepumpe mit 165 Megawatt thermischer Leistung.
Die baden-württembergische Stadt Mannheim soll die größte Flusswärmepumpe der Welt erhalten. Der Energieversorger MVV setzt mit der Beauftragung der STRABAG neue Maßstäbe für die urbane Dekarbonisierung. Während andere Städte noch an der Kommunalen Wärmeplanung feilen, arbeitet die Stadt Mannheim konsequent daran, die Menschen Wärmepumpen oder dekarbonisierter Fernwärme zu versorgen, damit 2035 das Gasnetz abgeschaltet werden kann (Mannheimer Modell). Die neue Großwärmepumpe ist hierfür ein weiterer Meilenstein.
Mannheim war die erste deutsche Großstadt, die 2024 ankündigte, ihr Gasnetz bis 2035 stillzulegen – ein mutiger Schritt, der bundesweit für Diskussionen sorgte. Das Mannheimer Modell sieht vor, dass sich Bürger bis dahin entscheiden müssen: entweder eine eigene Wärmepumpe installieren oder sich an das stadteigene Fernwärmenetz anschließen.
Um diese ambitionierte Vision zu realisieren, investiert das Mannheimer Energieunternehmen MVV Energie AG nun 200 Millionen Euro in die größte Flusswärmepumpe der Welt. Mit einer thermischen Leistung von 165 Megawatt soll die Anlage ab Winter 2028 klimafreundliche Fernwärme für bis zu 40.000 Haushalte bereitstellen – ein entscheidender Baustein für die Dekarbonisierung der Rhein-Neckar-Region.
Den Zuschlag für das Rekordprojekt erhielt die STRABAG Umwelttechnik GmbH mit ihrer HEAT PUMP ALLIANCE-Technologie in Kooperation mit Atlas Copco Energas. 59 Millionen Euro des Gesamtinvestments stammen aus der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW).
Technische Innovation: Isobutan und Turbokompressoren als Schlüsseltechnologien
Die Mannheimer Megawärmepumpe besteht aus zwei identischen Modulen mit jeweils 82,5 Megawatt Leistung. Als Herzstück fungieren bewährte Turbokompressoren von Atlas Copco, die bereits in über 7.000 industriellen Anwendungen weltweit erfolgreich eingesetzt werden.
Technische Eckdaten der Rekordanlage:
- Thermische Leistung: 165 MW (2 x 82,5 MW Module)
- Wärmequelle: Rheinwasser
- Kältemittel: Isobutan (natürliches, nicht-fluoriertes Kältemittel)
- Vorlauftemperatur: bis zu 130°C
- Baubeginn: Mitte 2026
- Inbetriebnahme: Winter 2028
- Versorgungsleistung: 40.000 Haushalte
„Die Nutzung des natürlichen Kältemittels Isobutan kombiniert mit den hocheffizienten Turbokompressoren ermöglicht es uns, selbst aus dem vergleichsweise kühlen Rheinwasser Fernwärme mit bis zu 130 Grad Celsius zu erzeugen„, erläutert Dr. Hansjörg Roll, Technikvorstand der MVV.
Dekarbonisierung im Rekordtempo: 90 Prozent grüne Fernwärme bis 2028
Das Projekt ist ein entscheidender Baustein in MVVs ambitioniertem Dekarbonisierungsfahrplan. Bereits heute stammen fast 50 Prozent der Mannheimer Fernwärme aus erneuerbaren Quellen – durch thermische Abfallbehandlung, das Biomasseheizkraftwerk und die erste, bereits seit 2023 laufende 20-MW-Flusswärmepumpe.
Mit der neuen Anlage steigt dieser Anteil auf etwa 90 Prozent. „Wir investieren damit in die Energiezukunft Mannheims und der Metropolregion Rhein-Neckar„, betont Dr. Gabriël Clemens, Vorstandsvorsitzender der MVV. Ziel ist die vollständige Dekarbonisierung der Fernwärmeversorgung bis 2030.
Die HEAT PUMP ALLIANCE zwischen STRABAG und Atlas Copco Energas hat sich bereits in anderen Großprojekten bewährt. So ersetzte STRABAG 2024 in Göteborg zwei ältere Wärmepumpenmodule durch ein leistungsstarkes 50-MW-Modul mit derselben Turbokompressor-Technologie.
Projektübersicht:
Haushalte: bis zu 40.000
Bauherr: MVV Energie AG, Mannheim
Generalunternehmer: STRABAG Umwelttechnik GmbH
Technologiepartner: Atlas Copco Energas (HEAT PUMP ALLIANCE®)
Generalplaner: INP Deutschland GmbH
Investition: 200 Mio. Euro (59 Mio. Euro Bundesförderung BEW)
Leistung: 165 MW thermisch (weltweit größte Wärmepumpe)
Baubeginn: Mitte 2026
Inbetriebnahme: Winter 2028
Wasserstoff-ready: Flexibilität für die Energiezukunft
Parallel zur Megawärmepumpe plant MVV den Bau eines wasserstofffähigen Fernwärmenachheizers auf dem GKM-Gelände. Diese Hybridlösung soll in der Heizperiode zusätzliche Temperaturspitzen im Fernwärmenetz abdecken und kann sowohl mit Wasserstoff als auch mit Gas betrieben werden.
„Diese Flexibilität macht unser System zukunftssicher„, erklärt Thomas Hörtinger, Technikvorstand des GKM. „Wir nutzen die vorhandene Infrastruktur optimal und schaffen gleichzeitig Raum für weitere innovative Energielösungen.„
Systemische Wirkung: Blaupause für urbane Wärmewende
Das Mannheimer Projekt geht weit über seine regionalen Grenzen hinaus. Als weltweit größte Flusswärmepumpe setzt es neue Maßstäbe für die urbane Dekarbonisierung und zeigt, wie Millionenstädte ihre Wärmeversorgung klimaneutral transformieren können.
Parallel entsteht in Köln eine ähnlich dimensionierte 150-MW-Flusswärmepumpe der Rheinenergie, die Ende 2027 fertiggestellt werden soll. Diese Projekte markieren den Durchbruch von Flusswärmepumpen im Megawattbereich in Deutschland.
Die Investition von 200 Millionen Euro unterstreicht das Vertrauen in die Wärmepumpen-Technologie als Schlüssel zur Dekarbonisierung. „Die Zeit des fossilen Gases ist endlich„, bekräftigt MVV-Chef Clemens, auch wenn der genaue Zeitpunkt des Gasausstiegs von politischen Rahmenbedingungen abhänge.
Das Projekt ist erst der Anfang der Transformationsstrategie. Für die vollständige Dekarbonisierung bis 2030 plant das Unternehmen eine dritte Flusswärmepumpe sowie die Erschließung regionaler Geothermiepotenziale.
Diese Mehrsäulenstrategie aus Flusswärmepumpen, Geothermie, thermischer Abfallbehandlung und Biomasse könnte zum Modell für andere deutsche Großstädte werden, die ihre Fernwärmesysteme dekarbonisieren wollen.
Weltrekord als Signal für die Energiewende
Mit der größten Wärmepumpe der Welt setzt Mannheim ein kraftvolles Signal für die globale Energiewende. Das Projekt beweist, dass großtechnische Dekarbonisierung nicht nur machbar, sondern auch wirtschaftlich darstellbar ist.
Wenn die 165-MW-Anlage 2028 ans Netz geht, wird sie täglich beweisen, dass Flusswärmepumpen im Megawattbereich eine Schlüsseltechnologie für die klimaneutrale Wärmeversorgung von Millionen Menschen sein können.