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Berliner Senat stimmt für bundesweit erstes Klimaanpassungsgesetz

Breite Mehrheit verabschiedet BäumePlus-Gesetz. 3,2 Mrd. Euro für Bäume, Hitzeschutzinseln und Wassermanagement.

Im Jahr 2040 soll es in Berlin eine Million gesunde Stadtbäume geben. Das ist der Auftrag an die Berliner Politik, die gestern das erste Klimaanpassungsgesetz eines Bundeslandes verabschiedet hat. Es geht darum, die Hauptstadt trotz weiterer Erderwärmung sicher und lebenswert zu halten. Nach dem Hamburger Zukunftsentscheid ist das BäumePlus-Gesetz die zweite gesetzliche Regelung für Klimaschutz innerhalb kürzester Zeit, die nur durch das jahrelange Engagement von Akteuren der zivilen Stadtgesellschaft möglich wurde.

Wir stellen heute die Weichen für eine beispiellose Investition in das grüne Kapital unserer Stadt„, sagte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU). „Dieser Senat, die Regierungskoalition, bekennt sich zu mehr Bäumen, zu konsequentem Klimaschutz und zur massiven Steigerung der Klimaresilienz unserer Hauptstadt.“ Ob die schwarz-rote Koalition eher aus wahltaktischen Gründen oder doch aus Überzeugung zugestimmt hat, wird sich beim Engagement in der Umsetzung noch zeigen müssen.

Bislang leben nur 4,5 Prozent der Berliner*innen in einem ausreichend grünen Gebiet. das soll sich – mit dem Einsatz der Politik – und dem Engagement der Bürger*innen selbst künftig ändern. Jetzt gilt es keine Zeit zu verlieren: 15 Jahre ist zwar eine mittelfristige Periode, allerdings legt das Gesetz nahe, dass schnell die ersten Maßnahmen ergriffen werden.

„Bis 2027 sollen alle gefällten Stadtbäume der letzten Jahrzehnte nachgepflanzt sein. Es soll dann keine leeren Baumscheiben mehr geben“, betont Heinrich Strößenreutzer, Mitinitiator des ursprünglichen Baumentscheids und möglicherweise bald Mitglied eines Beirats, der sich grünen wird, um die Erfolge des Gesetzes zu überwachen und Maßnahmen zu planen. In diesem Schritt geht es also um die ersten 10.000 Bäume.

Baumschutz wird ausgebaut – Bürger dürfen bald mitpflanzen

Landkarte von Berlin mit Hitzeinseln - Klimaanpassungsgesetz

Neben der geplanten Nachverdichtung leerer Baumscheiben dürften in den kommenden Jahren auch aus anderen Gründen deutlich mehr Bäume in Berlin wachsen: Spätestens bis Ende April 2026 muss das Land Berlin seine Baumschutzverordnung verschärfen – das sieht die Einigung zwischen der schwarz-roten Koalition und der Initiative „Klimaneustart“ vor.

Konkret soll ab Mai 2026 gelten: Für jeden gefällten Baum müssen künftig drei neue Bäume im Umkreis von 150 Metern nachgepflanzt werden.

Ein weiterer Meilenstein ist für Ende 2027 geplant: Dann soll jeder Berliner – ob Privatperson, Verein oder Unternehmen – das Recht erhalten, auf eigene Kosten Bäume im öffentlichen Raum pflanzen zu lassen. Ein digitaler Antrag soll dafür ausreichen. „Ab dann geht richtig die Post ab“, sagt Initiator Heinrich Strößenreuther, gegenüber dem Tagesspiegel.

Damit ist jedoch nicht gemeint, dass die Berlinerinnen selbst zur Schaufel greifen müssen. „Es gibt sachkundige Dienstleister, die die Pflanzung übernehmen – etwa spezialisierte Unternehmen oder Umweltverbände“, erklärt Felix Mühlmann von der Initiative. Die Bürger*innen sollen das Vorhaben vor allem finanziell unterstützen.

„Clean Thinking“ wird zum Prinzip

Nicht jeder Baum ist gleich geeignet: Was künftig gepflanzt werden darf, unterliegt klaren Anforderungen. Denn nicht jede Art übersteht Hitze, Trockenheit und die begrenzten Bodenverhältnisse am Berliner Straßenrand. Auch hier greift der Anspruch, systematisch und vorausschauend zu handeln.

Mit dem neuen Gesetz wird Klimaanpassung zur verpflichtenden Leitlinie – ein Prinzip, das sich mit dem Mindset von „Clean Thinking“ übersetzen lässt: Jede Entscheidung soll künftig daraufhin geprüft werden, wie sie möglichst klimaschonend, zukunftsfähig und resilient gestaltet werden kann. Klimaanpassung spielt jetzt immer eine Rolle, wenn Entscheidungen getroffen werden.

„Ab morgen gilt das Klimaanpassungsgebot. Klimaanpassung muss dann bei allen behördlichen Entscheidungen berücksichtigt werden – und nichts darf sich verschlechtern“, betont Strößenreuther. Das betrifft nicht nur die Stadtbegrünung, sondern etwa auch Bauvorhaben, Verkehrsplanung oder Infrastrukturentscheidungen.

Wird das Klimaanpassungsgesetz auch umgesetzt?

Trotz ambitionierter Ziele bleibt die Frage offen, ob das neue Klimaanpassungsgesetz tatsächlich in der Praxis ankommt. „Ein Gesetz heißt noch nicht, dass es auch umgesetzt wird“, mahnt Heinrich Strößenreuther, Mitinitiator des Baumentscheids. Schon beim Berliner Radentscheid, den er vor acht Jahren mit auf den Weg brachte, seien viele Maßnahmen bis heute nur unvollständig umgesetzt worden. Auch das Mobilitätsgesetz kranke an mangelnder Umsetzung. „Ich habe die Sorge, dass es wieder so läuft“, so Strößenreuther.

Für mehr Verbindlichkeit soll ein sogenannter Klimaanpassungs-Kontrollrat sorgen. Dieses Gremium überprüft jährlich, ob die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen tatsächlich ergriffen wurden. Werden Defizite festgestellt, greift ein Sofortprogramm – verbunden mit zusätzlichen Mitteln.

Ein weiterer Hebel: das neu eingeführte Verbandsklagerecht. Es ermöglicht Umwelt- und Bürgerorganisationen, die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben notfalls gerichtlich durchzusetzen – ein Unterschied zum bisherigen Mobilitätsgesetz. Damit könnte das Klimaanpassungsgesetz nicht nur ein ambitionierter Plan bleiben, sondern ein einklagbarer Anspruch auf eine klimaresiliente Stadt werden.

Gelingt das Zusammenspiel zwischen Initiatoren, Senat und umsetzenden Bezirken, würde ein Vorbild für weitere Städte entstehen, eine ähnliche Kooperation anzustreben. Für die politischen Entscheidungsträger ist positiv, dass es so breiten Rückhalt für die Entscheidungen gibt. Im Senat hat nur die AfD dagegen gestimmt. Jetzt geht es um den Erhalt der Lebensgrundlagen in Berlin – auch in deutlich wärmeren Sommern in der Zukunft.

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