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Ein Drittel der Bürger denkt, Deutschland setze „zu wenig“ auf erneuerbare Energien
Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des stern zeigt: 62 Prozent der Deutschen wollen genauso stark oder stärker auf erneuerbare Energien setzen. Nur 32 Prozent sagen, es sei „zu stark“.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche hat am vergangenen Wochenende die Solarbranche aufgeschreckt. In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen („Reiche zieht den Stecker“) stellte die Ministerin die Solarförderung privater PV-Dachanlagen infrage. Es ist der bisherige Höhepunkt von Äußerungen Reiches in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit, die erwarten lassen, dass die Erneuerbaren Energien ausgebremst werden sollen. Handelt Reiche damit im Sinne der Deutschen?
Glaubt man einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins stern, ist die Antwort klar: 62 Prozent der Bundesbürger finden den aktuellen Ausbaupfad der Erneuerbaren Energien „genau im richtigen Maß“ (30 Prozent) oder fordern sogar mehr Ausbau (32 Prozent). Nur ein Drittel (32 Prozent) finden, der Ausbau sei „zu stark“. Bedeutet: Die Bundesbürger wollen den Ausbau der Erneuerbaren Energien – und tendenziell diesen sogar beschleunigen.
Das Umfrageergebnis deckt sich auch mit dem, was die aktuelle schwarz-rote Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart hat. Ab Zeile 934 heißt es dort:
„Wir wollen alle Potenziale der Erneuerbaren Energien nutzen. Dazu gehören Sonnen- und Windenergie sowie Bioenergie, Geothermie, Wasserkraft sowie aus diesen hergestellte Moleküle.“
Reiche handelt gegen die Interessen des Volkes
Doch die Realität sieht anders aus. Reiche bremst zentrale Treiber der Energiewende:
- Stromsteuersenkung nur für produzierendes Gewerbe und Landwirtschaft
- Einführung eines einseitigen Netzeinspeiseentgelts, das Erneuerbare belastet, fossile Erzeugung aber wohl verschont
- Geplante Kürzung der Solarstromförderung – was dazu führt, dass Dächer nicht mehr „vollgemacht“ werden, sondern kleiner gebaut werden.
Gerade Letzteres droht zu einem Déjà-vu zu werden. 2011 kappte die schwarz-gelbe Bundesregierung die Solarstromförderung drastisch. Tausende Unternehmen mussten schließen, Zehntausende Arbeitsplätze gingen verloren, und der deutsche Photovoltaik-Markt – einst weltführend – wurde binnen weniger Jahre von chinesischen Herstellern übernommen. Die damalige Begründung: Kosten senken.

Die Folge: Abhängigkeit von Importen und verlorene Industriekompetenz. Damals wie heute an zentraler Stelle beteiligt: Katherina Reiche.
Die Solarbranche findet die Ansätze Reiches wenig amüsant, wie diese Aussagen belegen, die das PV Magazine zusammengetragen hat:
- Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) warnt, dass diese Pläne die Klimaziele und 150.000 Arbeitsplätze im Solarhandwerk gefährden werden.
- Der Bundesverband des Solarhandwerks (BDSH): „Es fehlt an einem Masterplan seitens der Ministerin, wie der Photovoltaik-Ausbau vonstattengehen soll.“
- Carolin Dähling von Green Planet Energy: „Das Framing der Wirtschaftsministerin von Wind und Solar als Kostentreiber ist falsch und gefährlich.“
- Enpal und 1Komma5° warnen wortgleich, dass „nicht der zweite Schritt vor dem ersten gemacht werden dürfe“. Das Ziel einer marktbasierten Lösung teile man, aber bevor diese kommen könne, müssten Gesetze vereinfacht und Prozesse verschlankt werden.
- Und Grünen-Politiker Sven Giegold fordert in der Augsburger Allgemeinen, die Freunde der dezentralen Energiewende in Bürgerhand müssten jetzt aufstehen. Denn Reiches Politik habe „viele Verlierer“ wie etwa Kommunen, Unternehmen, Landwirte und Klimaschützer.
Heute sind die Rahmenbedingungen andere – wie auch die Forsa-Umfrage zeigt: Photovoltaik ist die günstigste Form der Stromerzeugung. Neue Anlagen mit Batteriespeicher können gezielt dann einspeisen, wenn Strom gebraucht wird, und so fossile Spitzenlastkraftwerke ersetzen. Mit einem konsequenten Smart-Meter-Rollout ließen sich Netze entlasten, Flexibilität erhöhen und Strompreise stabilisieren. Doch genau diese Digitalisierung der Netze wird seit 15 Jahren verschleppt – maßgeblich unter unionsgeführten Wirtschaftsministerien.
Das Muster ist erkennbar: Bremsen, verzögern, Chancen verstreichen lassen – und dabei gegen den klar artikulierten Willen der Bevölkerung handeln. Wenn die Bundesregierung wirklich eine „pragmatische“ Energiewende will, wie im Koalitionsvertrag steht, dann ist jetzt der Zeitpunkt, den Kurs zu korrigieren. Sonst droht die Geschichte von 2011/12 ein zweites Mal – mit all ihren wirtschaftlichen und klimapolitischen Schäden.
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