Screenshot Caren Miosga / ARD
Caren Miosga: Ist unsere Autoindustrie noch zu retten?
Arrogante Haltung der VDA-Chefin Hildegard Müller spiegelt symbolisch den Niedergang von BMW, VW und Mercedes.
Die Lage der deutschen Autoindustrie ist prekär. Angesichts einbrechender Gewinne wollte die ARD-Sendung Caren Miosga über „Stellenabbau und Handelskrieg: Ist unsere Autoindustrie noch zu retten?“ diskutieren. Doch das, was dem geneigten Zuschauer dann geboten wurde, war ein Schauspiel, das verdeutlicht, warum Unternehmen wie BMW, Volkswagen und Mercedes in schwieriges Fahrwasser geraten sind: Die Arroganz der VDA-Verbandschefin Hildegard Müller steht sinnbildlich für eine Industrie, deren Überleben mehr denn je in Frage steht.
Für Hildegard Müller, einst CDU-Politikerin und enge Vertraue von Angela Merkel, ist die Lage klar: Die Autoindustrie habe 110 elektrische Modelle auf den Markt gebracht und damit beim Angebot geliefert. Aber sie könne nicht auch noch die gesamte Wertschöpfung übernehmen. Wer an der Misere Schuld hat, ist für Müller indes logisch:
„Herr Özdemir, ich kann Sie nicht ersparen, Sie waren drei Jahre lang Minister in der Ampelregierung, die natürlich an mehr Bürokratie, an mehr Regulierung und auch an der Lohnkostenschraube, genauso wie, dass das Energieproblem nicht angegangen worden ist, natürlich auch Verantwortung tragen an diesem Punkt. Für mich ist jetzt wichtig, die Autoindustrie nimmt die Herausforderung an. Wir tun, was wir können.“
Aber stimmt das alles wirklich? Das „Energieproblem“, ausgelöst von Imperator Putin ist selbstverständlich von der Ampel-Regierung angegangen worden. Will Müller von dem ablenken, was der jetzige Kanzler Merz versprochen hat („Stromsteuer-Senkung für alle“), in dem gegenüber der Ampel per Foulspiel nachgetreten wird?
Doch Müllers Rundumschlag bei Caren Miosga geht noch weiter:
„Die zentrale Frage, wo diese Investitionen stattfinden, die richtet sich jetzt schon an die Politik. Sie richtet sich an die Länder, sie richtet sich an Berlin und sie richtet sich an Brüssel. Und Brüssel vor allem hat bisher das nicht erkannt, was zu tun ist.“
Aber darüber muss diskutiert werden: Es ist verdammt spät, dass die deutsche Autoindustrie jetzt endlich Milliarden konsequent in Elektroautos investiert. Es mangelt an bezahlbaren Modellen für die Masse. Damit zu drohen, die angeblichen 320 Milliarden Investment nicht in Deutschland zu tätigen, ist exakt die Arroganz, die trotz Dieselskandal und anderer Peinlichkeiten bis heute die Autoindustrie umringt. Und Müller ist da keine Ausnahme.
Wie die Autoindustrie versagt hat
Im Dialog bei Caren Miosga zum Thema „Ist unsere Autoindustrie noch zu retten“ ist die Rollenverteilung klar. Prof. Moritz Schularick macht deutlich, wie sehr die deutschen Autobauer die Marktentwicklung in China „unterschätzt“ haben und wählt dafür sehr moderate Worte. Müller widerspricht und teilt die Situationsbeschreibung nicht, obwohl die Datenlage die Aussage des Forschers bestätigt.
Während also Schularick warnt, der eine oder andere Autobauer werde in den nächsten zehn Jahren womöglich chinesisch werden, hofft Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir als möglicher künftiger Ministerpräsident darauf, dass das schwäbische Produkt etwa von Mercedes eigenständig erhalten bleibe.
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Özdemir ist ein pragmatischer Lösungssucher, der die Hände nach allen Seiten ausstreckt. Er steht zum sogenannten Verbrenner-Aus 2035, mahnt aber mehr Flexibilität auf dem Weg dorthin an. Müller hofft, daher auf Range Extender, Plugin-Hybride oder gar E-Fuels – und zeigt dabei wieder, wie unreflektiert ihre Haltung ist.
Kaum Zukunftsdebatte: Ist unsere Autoindustrie noch zu retten?
Hildegard Müller hat offenbar den Auftrag bekommen, einseitig auf die Politik loszugehen und jegliche Verantwortung von der Autoindustrie wegzuhalten. Wie mit dieser Haltung ein Schulterschluss gelingen soll, ist schleierhaft.
So verheddert sich die Sendung in Schuldzuweisungen und bleibt bei echten Lösungen immer wieder stecken. Dass Tesla oder BYD mit Wertschöpfungsbreite und -tiefe den deutschen Autobauern turmhoch überlegen sind, wird nicht diskutiert. Dass es nicht ausreicht, dass Volkswagen seine Tochter MOIA in Hamburg mit ein paar Fahrzeugen autonome Services fahren lässt und Mercedes oder BMW lediglich Fahrassistenzsysteme anbieten: Kein Thema.
So bleibt die Frage, „Ist unsere Autoindustrie noch zu retten?“ auf halber Strecke und ungeklärt offen. Beispielsweise hätte man darüber sprechen können, dass mit dem Emissionshandel klassisches Autofahren mit Verbrenner ab 2026 und dann 2027 deutlich teurer wird. Die Phase bis dahin zu nutzen, um möglichst viele Fahrzeuge EU-weit in den Markt zu bringen, würde mögliche Kostensprünge beim Emissionshandel mindern. Aber auch das: wird nicht thematisiert.
Wandel beginnt im Kopf – nicht bei Schuldzuweisungen
Cem Özdemir hat an einem Punkt unrecht, wenn er sich auf die schwäbische Mathematik bezieht: Es sei gar nicht möglich, bis 2035 nur noch Elektrofahrzeuge zu verkaufen. Die Sprache der Disruption und der Blick in Länder wie Norwegen und Dänemark, zeigt: Natürlich ist es möglich und es ist sogar wahrscheinlich, dass es so kommt.
Wandel beginnt im Kopf – mindestens Müller, aber teilweise auch Özdemir trauen sich nicht, proaktiv nach vorne zu gehen und endlich ambitionierte Ziele auszurufen bzw. zu überlegen, was nötig ist, um diese auch einzuhalten. Wie wäre es beispielsweise, über Programme nachzudenken, die Verbrenner in E-Autos umrüsten. Das wäre nachhaltig.
Es macht wenig Sinn, die Autoindustrie mit Samthandschuhen anzupacken und sie damit aus der Verantwortung zu entlassen. Denn solange die Autobauer auf Schuldzuweisungen statt auf progressive Zukunftsorientierung setzen, ist das, was Ökonom Schularick prognostiziert, schneller Realität werden, als es sich Hildegard Müller vorstellen kann: Die deutschen Autobauer werden chinesisch.
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