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Klimapolitik: Wirtschaftsweise sehen historische Chance für Neuausrichtung

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Sachverständigenrat Wirtschaft legt Sondergutachten „Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik“ vor und wirbt für eine CO2-Steuer als schnell einsetzbares Instrument, ohne den globalen Emissionshandel aus dem Auge zu verlieren.

Die Zeit, die Klimakrise zu bekämpfen, drängt. Daher fordert der Sachverständigenrat Wirtschaft der Bundesregierung die Politik zum Handeln auf. Die aktuelle Debatte, so die Wissenschaftler, biete die historische Chance, die kleinteilige, teure und ineffiziente deutsche Klimapolitik zu verändern. Im Zentrum solle dabei die Bepreisung von CO2 stehen – allerdings nicht mit einem festgelegten Preispfad, sondern als lernendes System, das sich an den Erfordernissen orientiert.

Durch eine CO2-Steuer auf Sprit und Heizöl könne die Klimapolitik einen großen Schritt in Richtung Erreichung der Klimaziele 2030 unternehmen. Die bisherige Fokussierung auf Sektorziele lehnen die Wissenschaftler ab – vielmehr müsse volkswirtschaftlich übergreifend an der Erreichung der Ziele gearbeitet werden. Das Aufkommen aus einer CO2-Steuer soll – wie in den anderen Konzepten von Svenja Schulze oder den Grünen – an die Bürger zurück gegeben werden.

Die Grundlage einer CO2-Steuer ist volkswirtschaftliches Einmaleins. Der Deponieraum für Treibhausgase in der Atmosphäre wird aktuell übernutzt, und muss ins Gleichgewicht gebracht werden. Da es sich um sogenannte externe Effekte handelt, kann das nicht über den Marktmechanismus erfolgen, sondern nur durch koordiniertes Handeln und die Schaffung von klaren Rahmenbedingungen durch die Politik.

Darunter sind marktwirtschaftliche Instrumente möglich – dabei haben nach Angaben der Fünf Weisen sowohl ein Emissionshandelssystem als implizite Maßnahmen wie auch die CO2-Steuer als explizite Maßnahme ihre Vor- und Nachteile. Angesichts des Zeitdrucks plädiert der Sachverständigenrat eher für eine CO2-Steuer auf Heizen und fossile Kraftstoffe, weil dieses Instrument schneller zu implementieren sei.

Da durch die Mengenziele, die im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegt wurden, bereits Vorgaben gemacht worden sind, solle sich der Preis einer CO2-Steuer als lernendes System daran orientieren, ob die gewünschten Lenkungswirkungen auch tatsächlich ausgelöst werden. Anders als etwa im Konzept der Wissenschaftler, die Svenja Schulze übergeben haben, soll also letztlich eine kontinuierliche Überprüfung stattfinden.

Letztlich ist der Umbau der Klimapolitik als eine Art Überbau über andere Maßnahmen zu verstehen. Denn nicht nur die Einnahmen aus einer CO2-Steuer sollen sinnvoll und zur Förderung von Innovation zurückgegeben werden. Die Logik geht noch viel weiter und schließt in diesem Kontext beispielsweise den Abbau klimaschädlicher Subventionen mit ein. Diese liegen nach Schätzungen bei 40 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr.

Wie in den anderen Konzepten auch, ist es den Wirtschaftsweisen wichtig, allen Menschen auch die Möglichkeit für den Umstieg auf klimafreundliche Technologien zu ermöglichen – etwa dem Pendler zu einem Elektroauto oder einer Fahrgemeinschaft zu verhelfen oder dem auf der auf dem Land lebenden Familie den Austausch der alten Ölheizung zu ermöglichen. Reine Verhaltensänderung reicht – das sagen alle Experten – mittlerweile nicht mehr aus. Es muss zwingend in Innovation seitens der Bevölkerung investiert werden.

Die gute Botschaft der Gutachter: Bei der Eindämmung des Klinawandels könne Deutschland international als Vorbild dienen indem man nun zeige, dass die Klimaziele auf volkswirtschaftlich effiziente Weise und ohne größere gesellschaftliche Verwerfungen zu erreichen seien.

Nach Berechnungen des Mercator-Instituts könnte mit einem CO2-Preis von 50 Euro begonnen werden. Bis 2030 solle sich der Preis auf 130 Euro je Tonne CO2 erhöhen. Das würde das Benzin zunächst um 14 Cent pro Liter teurer machen, später dann bis zu 37 Cent, sagte Mercator-Wissenschaftler Ottmar Edenhofer im Interview mit Spiegel Online.

Der Chef der Wirtschaftsweisen Schmidt wurde im selben Interview auch darauf angesprochen, dass Wirtschaftsminister Peter Altmaier bereits alles blockiere, was Arbeitsplätze gefährden könne und dadurch eine rasche Entscheidung für eine CO2-Steuer kaum zu erwarten sei. Der Einwand sei berechtigt, so Schmidt, aber es fehle der Zauberstab, mit dem der Wirtschaftsminister eine bessere Lösung herbeizaubern könne.

Denn wer unsere beiden Vorschläge ablehnt, muss einen anderen Weg aufzeigen, wie Treibhausgase zu niedrigen Kosten eingespart werden können. Und der kann dann nur in harten ordnungsrechtlichen Eingriffen bestehen. Wer gegen höhere CO2-Preise ist, muss zum Beispiel Ölheizungen verbieten oder den Absatz von Elektroautos mit weiteren milliardenschweren Subventionen ankurbeln. Die Erfahrung lehrt, dass solche Versuche der staatlichen Detaillenkung eher schlechtere Ergebnisse liefern als der Markt. Sie sind teurer und in der Regel sozial weniger ausgewogen.

Christoph M. Schmidt, Vorsitzender des Sachverständigenrates

Zu beschließende Klimapolitik braucht größtmöglichen Konsens

Einen wichtigen weiteren Aspekt sprachen die Wirtschaftzsweisen zusätzlich an: Der von Kramp-Karrenbauer gewünschte Klimakonsens mache durchaus Sinn, wenn es nicht bedeuten würde, auf Zeit zu spielen. Denn gerade ein Pfad, bei dem kontinuierlich auch wechselnde Regierungen einen höheren CO2-Preis beschließen müssten, benötige den größtmöglichen Konsens.

Letztlich zeigt das Gutachten der Wirtschaftsweisen, dass eine CO2-Steuer die beste Maßnahme ist, um die Klimapolitik schnell auf neue Füße zu stellen. Und das trotz aller Vor- und Nachteile. Dabei darf aber die globale Lösung über den Emissionshandel keinesfalls aus den Augen verloren werden.

Sondergutachten Klimapolitik
Download des Klimapolitik-Sondergutachtens: Direkter Download

Der Auffassung, der vorhandene europäische Emissionshandel habe nicht funktioniert, widersprachen die Wissenschaftler entschieden: Die Mengenziele seien eingehalten worden, der niedrige Preis sei Resultat des unpassenden EEGs, der Rezession und anderer Einflüsse gewesen. Um die Zahl der Emissionszertifikate zu reduzieren, habe die Politik mit der Marktstabilitätsreserve bereits eine Lösung gefunden.

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